Starker Eingriff in Privatsphäre: Norwegen löscht gesammelte Daten und stellt App ein

Norwegens Gesundheitsbehörden haben die Nutzung der Tracing App in Sachen Covid-19 ausgesetzt und alle bislang aufgezeichneten Lokalisierungsdaten von Nutzern aufgrund der anhaltenden Datenschutzkritik gelöscht.

Wie The Localberichtet, hat das norwegische Institut für Öffentliche Gesundheit die auf Smartphones nutzbare Tracing App namens Smittestopp (Stoppt die Infektionen!) im Monat April eingeführt, um Lokalisierungsdaten von Personen, die sich mit Sars-Cov-2 infiziert haben, aufzuzeichnen.

Doch die norwegische Datenschutzbehörde hisste im Hinblick auf eine weitere Nutzung der Tracing App vor wenigen Tagen die rote Flagge, darauf hinweisend, dass die App auf eine zu aggressive Weise in die Privatsphäre der Nutzer eingreife, was insbesondere im Angesicht von rückläufigen Virus-Infektionen und dadurch verursachten Todesfällen gelte.

Datenschutz- und Gesundheitsbehörde im Clinch

Im Fall von Smittestopp handele es sich selbst angesichts der anhaltenden Pandemie um eine sehr stark in die Privatsphäre der Nutzer eingreifende Tracing App, wie die norwegische Datenschutzbehörde unter Bezugnahme auf The Local bekanntgab. Die Legalität einer App-Nutzung hänge von den sozialen Vorteilen, die hiermit einhergingen, ab.

Die Nationale Gesundheitsbehörde wies diese Kritik weit von sich, darauf hinweisend, die Beurteilungen und Erkenntnisse der Datenschutzbehörde inhaltlich nicht zu teilen, jedoch das Gefühl zu haben, dass eine Löschung aller bislang aufgezeichneten Lokalisierungsdaten der entsprechenden App-Nutzer angebracht ist und die Nutzung der App vorerst nicht mehr zu ermöglichen.

Ferner warnte die Nationale Gesundheitsbehörde davor, dass dadurch ein wichtiger Teil der Vorbereitungen gegen eine Ausbreitung der Infektionen zunichtegemacht werde. Wichtige Zeit ginge nun verloren, um die App einer Weiterentwicklung und Tests zu unterziehen, wie es weiter hieß.

Geringe und abnehmende Nutzung stellte Effizienz der App ohnehin in Frage

Bis gestern blickte Norwegen offiziell auf 8.639 bestätigte Infektionen bei 242 Todesopfern. Momentan befinden sich gerade noch sechzehn an Covid-19 erkrankte Personen in einem der heimischen Krankenhäuser zur Behandlung, davon vier schwere Fälle auf der Intensivstation.

Smittestopp stützt sich sowohl auf Bluetooth als auch auf GPS, um Nutzer zu lokalisieren und aufzuspüren, die sich in Reichweite einer mit Sars-CoV-2 infizierten Person befinden. Bislang wurde die Tracing App durch 1,6 Millionen Nutzer heruntergeladen, wohingegen die Anzahl der aktiven Nutzer zuletzt auf nur noch rund 600.000 gesunken ist.

Die Datenschutzbehörde stellte die Effizienz der Tracing App aufgrund von deren geringen Nutzung generell in Frage, worauf die Nationale Gesundheitsbehörde entgegnete, dass die globale Pandemie nicht vorüber sei. Eine zeitliche Aussetzung der App-Nutzung könne dazu beitragen, die Bemühungen im Kampf gegen eine Ausbreitung des Virus in Norwegen zu unterminieren.  

USA: es kommt fortschrittliche Technologie zum Einsatz

Es folgt ein Blick über den großen Teich. Anfang Juni nutzten sowohl Regierungsbehörden als auch Strafverfolgungsbehörden in den Vereinigten Staaten entwickelte Tracing Apps als auch Datensammlungen der großen Technologiekonzerne, um Nutzer angesichts der sozialen Unruhen und Krawalle in den Städten des Landes zu identifizieren und ausfindig zu machen.

Der Kampf gegen eine Ausbreitung von Covid-19 hat unter Regierungen rund um den Globus zur Instandsetzung eines riesigen Überwachungsstaats geführt, aus dessen Perspektive höchst fortschrittliche Technologie„waffen“ wie Thermalkameras, Drohnen, Tracing Apps und/oder biometrische Datenbanken zum Einsatz kommen.

Franzosen deutlich skeptischer

Im Gegensatz zu Deutschland, wo die staatlich entwickelte Tracing App seit letzter Woche bereits knapp 13 Millionen Mal heruntergeladen worden ist, blicken die Franzosen mit weit mehr Skepsis auf eine Nutzung des in der eigenen Heimat entwickelten Pendants. Dort kam es bisher gerade einmal zu etwas weniger als 1,9 Millionen Downloads bei einer Einwohnerzahl von 67 Millionen.

Frankreichs Gesundheitsbehörden haben zudem gerade ein Problem damit, zufriedenstellende Erklärungen dafür zu finden, weshalb die nunmehr seit knapp drei Wochen zum Einsatz kommende Tracing App bislang gerade einmal im Fall von vierzehn Personen, die vor einem unmittelbar bestehenden Infektionsrisiko gewarnt wurden, angeschlagen hat.

Seit dem Start der Tracing App haben insgesamt 68 Personen die Nutzerplattform darüber informiert, mit Sars-CoV-2 infiziert zu sein, woraufhin es bislang gerade einmal zur besagten Warnung vor einem Ansteckungsrisiko von vierzehn weiteren Nutzern gekommen ist.

Großbritannien verzichtete gleich auf eine App-Entwicklung

Was folgte hierauf? Inzwischen haben fast eine halbe Millionen Franzosen die Tracing App schon wieder von ihren Mobiltelefonen gelöscht. Trotz allem verteidigen die französischen Gesundheitsbehörden die weitere Nutzung der Tracing App, da auf diese Weise rückläufige Virus-Infektionen gewährleistet würden.

In Großbritannien wurde auf die Einführung einer eigenen Tracing App von Beginn an verzichtet. Die Gründe hierfür reichten von datenschutzrechtlichen Bedenken über einen zu hohen Aufwand in Sachen Entwicklungskosten bis hin zu Schwierigkeiten bei der Wartung einer solchen App.

„Was heißt das für mich konkret!?“

Wer sich gerade einmal in Europa umschaut, erkennt, dass die Staatshörigkeit in Deutschland noch immer ganz besonders ausgeprägt zu sein scheint. Um sich vor einem Infektionsrisiko zu schützen, kann auch jeder selbst durch sein ganz individuelles Verhalten seinen eigenen Beitrag dazu leisten, sich möglichst nicht mit Sars-CoV-2 anzustecken. Alles, was es hierzu braucht, ist ein wenig Disziplin, vorausschauendes Verhalten und in der aktuellen Situation eine gewisse Form von Verzicht, auch wenn dies schwerfallen mag.

Was im Fall von neuen Infektionen geschehen kann, lässt sich zurzeit in Göttingen und Gütersloh beobachten, wo die örtlichen Polizeikräfte Bauzäune um die betroffenen Wohnhäuser errichten lassen und Ketten vor den jeweiligen Gebäuden bilden, um unter Quarantäne stehende Anwohner von einem Verlassen ihrer Wohnungen abzuhalten. Niemanden sollte es verwundern, wenn es auf Basis der Nutzung einer Tracing App aus eigener Sicht zu vergleichbaren Ereignissen kommt…

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