Inzwischen hat die Regierung der neuen britischen Premierministerin Liz Truss die zuvor zu erwartende Entscheidung getroffen, die Energierechnungen im Vereinigten Königreich bei 2.500 Pfund-Sterling zu deckeln.

Volkswirtschaftler und Ökonomen warnen angesichts dieser Entscheidung vor wachsenden Gefahren eines weitflächigen Blackouts in Großbritannien. Energieexperten des Think Tanks Institute for Fiscal Studies zeigen sich davon überzeugt, dass die Energielieferungen im Land zu einem Stillstand kommen könnten.

Laut des Institute for Fiscal Studies werden private Haushalte, Firmen und Lokalregierungen ihren Energieverbrauch senken müssen, um die bestehenden Schieflagen an den britischen Energiemärkten zu adressieren. In diesem Zuge wird es nicht verhinderbar sein, zum Mittel der Energierationierungen zu greifen.

Denn es gäbe schlichtweg keine ausreichende Energie im Land, woran die nun verkündeten Ausgabeerhöhungen der britischen Regierung nichts ändern werden. Seitens des Think Tanks Resolution Foundation heißt es, dass jener durch das Kabinett von Liz Truss beschlossene Energie-Bailout die Kosten der Banken-Bailouts und Verstaatlichungen von Finanzinstituten zu Zeiten der globalen Finanzkrise (knapp 140 Milliarden Pfund-Sterling) übertreffen werden.

Größte Lebenshaltungskostenkrise seit vielen Jahrzehnten

Dies werde dann der Fall sein, falls die Erdgaspreise nicht bald wieder deutlich sinken sollten. Die Bevölkerung in Großbritannien blickt der größten Lebenshaltungskostenkrise seit vielen Jahrzehnten ins Auge.

Vor dem kürzlich verkündeten Regierungsbailout zugunsten der heimischen Energiemärkte gingen Prognosen davon aus, dass die britischen Bürger angesichts der aktuellen Inflations- und Energiekrise in den nächsten zwei Jahren gut zehn Prozent ihrer Realeinkommen einbüßen werden.

Jedermann wird sich wahrscheinlich selbst gut vorstellen können, wie sich diese Entwicklung auf den heimischen Konsum auswirken wird. Hinzu gesellt sich die Tatsache, dass in U.K. kontrovers geführte Diskussionen ausgebrochen sind, weil finanziell wohlhabende Haushalte durch den Energie-Bailout der britischen Regierung anteilig stärker entlastet werden als arme Haushalte.

Wie dem auch sei, so wurde durch die neue Regierung beschlossen, dass der Energie-Bailout den privaten Haushalten zwei Drittel der bislang prognostizierten Energiekostenerhöhungen von den Schultern nehmen wird.

Nach der Deckelung der Energiekosten wird es in den nächsten Monaten also nicht mehr zu den vielerorts befürchteten Zusatzenergiepreisanpassungen kommen. Jetzt kommt der Staat hierfür auf.

So teilte Liz Truss mit, dass die durchschnittlichen Energiekosten pro Haushalt ab dem Monat Oktober über die nächsten zwei Jahre bei jeweils 2.500 Pfund-Sterling verharren werden. Die anfallenden Zusatzkosten werden durch die britische Regierung übernommen, indem die nicht an die privaten Verbraucher abzuwälzenden Energiezusatzkosten den Energieanbietern durch die britische Regierung ausgeglichen werden.

Bis vor Kurzem sah die Lage noch gänzlich anders aus, da bereits enorm gestiegene Kosten für Energie, allen voran Strom und Gas, ab Anfang Oktober weiter nach oben um 80 Prozent angepasst werden sollten. Sowohl im Januar als auch im April nächsten Jahres sollte es dann zu weiteren Kostenanpassungen nach oben kommen.

Und wo soll das hierfür durch die britische Regierung benötigte Geld herkommen? Ganz recht, wie kaum anders zu erwarten, wird sich die britische Regierung dieses Geld im Zuge einer neuen Schuldenaufnahme an den Finanzmärkten besorgen.

Rechnen lässt sich zudem damit, dass die Inflation auf diese Weise nicht unter Kontrolle wird gebracht werden können. Zusätzlich besteht der Ausblick auf deutlich steigende Steuern im nächsten Jahr.

Den Unternehmen wird die britische Regierung im Zuge des beschlossenen Energie-Bailouts übrigens dieselben finanziellen Erleichterungen zukommen lassen wie den Privathaushalten. Zumindest über einen Zeitraum von sechs Monaten. Ab März nächsten Jahres sollen dann nur noch besonders hilfsbedürftigen Wirtschaftsbereichen gezielte Regierungshilfen zukommen.

Währungsmärkte blicken mit Sorge auf das britische Pfund-Sterling

Wie diese jüngsten Entwicklungen an den internationalen Währungsmärkten eingeschätzt werden, lässt sich unter anderem am Verlauf des britischen Pfund-Sterlings ablesen. In der Folge sei dieser Verlauf des britischen Pfund-Sterlings gegenüber dem US-Dollar anhand eines Charts auf der Seite von stockcharts.com dargestellt.

Vor wenigen Tagen bildete das britische Pfund-Sterling gegenüber dem US-Dollar ein 37-Jahres-Tief auf. Ähnlich sieht der Verlauf des Euros gegenüber dem US-Dollar aus. Seitens des Think Tanks Institute for Fiscal Finance wird kritisiert, dass die neue Regierung von Liz Truss bisher keine exakten Kostenangaben hinsichtlich ihres angekündigten Energie-Bailouts gemacht habe.

Freibier für alle“ hört sich wohl erst einmal besser an als Fragen danach, wie diese staatliche Ausgabenorgie eigentlich finanziert werden soll. Immerhin handelt es sich um das finanziell größte Ausgabenpaket in Großbritannien in „Friedenszeiten“.

Bei der Resolution Foundation werden die Dinge auf ähnliche Weise gesehen. Denn Liz Truss habe sich dazu entschlossen, gewaltige Staatsausgaben einfach auf die Schultern zukünftiger Steuerzahler zu verschieben – ohne bislang irgendwelche Angaben darüber zu machen, wie dieser staatliche Bailout zugunsten von Energiekunden und Unternehmen im Klein-Klein gegenfinanziert werden soll.

Allein die Kosten für einen Bailout der britischen Privathaushalte sollen sich danach auf gut 120 Milliarden Pfund-Sterling belaufen. Ökonomen und Währungsanalysten zeigen sich auf der anderen Seite überzeugt davon, dass die fiskalische Ausgabenorgie der Regierung der Bank of England keine andere Alternative zu weiteren Zinsanhebungen in Großbritannien lassen wird.

Gleichzeitig muss irgendwer die an Großbritanniens Bondmärkte strömenden Gilts (britische Regierungsanleihen) aber auch aufkaufen. Erwartet wird, dass entweder die Bank of England mittels eines QE-Programms (inflationär wirkend) wird einspringen müssen, während der britische Leitzins weiter angehoben wird.

Oder den Akteuren an den Bondmärkten wird alternativ in Aussicht gestellt, Gilts zu jeder Zeit gegen einen Erhalt von Cash als Sicherheiten bei der Bank of England hinterlegen zu können.

Blieb der neuen Regierung gar keine andere Wahl?

Andernorts wird wiederum gemutmaßt, dass der britischen Regierungschefin keine andere Wahl geblieben sei, als sich angesichts einer durch einen Zusammenbruch bedrohten Wirtschaft zu einem sofortigen Bailout des Energiesektors zu entscheiden. Ob sich einer solchen Entwicklung zum aktuellen Zeitpunkt noch erfolgreich wird entgegenwirken lassen, bleibt indes abzuwarten.

Denn ähnlich wie die Bundesrepublik Deutschland blicke die britische Wirtschaft einer massiven Insolvenzwelle ins Auge, welche die Grundfesten des Landes erschüttern könnte. So warnt unter anderem das Insolvenzberatungsunternehmen Red Flag Alert davor, dass in den nächsten Monaten einige einhunderttausend britische Firmen in die Insolvenz gezwungen werden könnten.

Unter gewöhnlichen Umständen handele es sich hierbei um finanziell gesunde Unternehmen, die über jährliche Umsätze von mindestens eine Millionen Pfund-Sterling verfügten. Was dem Land jetzt drohe sei um viele Nummern größer als im Vergleich zu den Ereignissen während der globalen Finanzkrise in den Jahren 2007 bis 2009.

Zwischen den Jahren 2008 und 2010 sahen sich gut 65.000 Unternehmen nicht mehr dazu in der Lage, ihren Betrieb aufrecht zu erhalten.

Spanien verdoppelt Gasimporte aus der Russischen Föderation

Abschließend sei ein Blick auf aktuelle Entwicklungen in Spanien geworfen. So hat Spanien seine Erdgasimporte aus der Russischen Föderation im Monat August um mehr als einhundert Prozent im Vergleich mit der Vorjahresperiode erhöht, wie der spanische Energieversorger Enagas zu Wochenbeginn mitteilte.

Waren es im Vorjahresmonat 2.228 Gigawattstunden, die Spanien in Form von Erdgas aus der Russischen Föderation importiert hatte, so waren es im August dieses Jahres 4.505 Gigawattstunden.

Vor nicht allzu langer Zeit wurde hier auf die wachsenden Konflikte zwischen Spanien und Marokko auf der einen sowie dem Erdgaslieferanten Algerien auf der anderen Seite über die eskalierende Lage in der Westsahara berichtet. Wie jetzt bekannt wurde, sind die spanischen Importe von algerischem Erdgas um knapp 35 Prozent zurückgegangen.

Angesichts dieses anhaltenden Disputs scheint Spanien im laufenden Jahr mehr und mehr Erdgas aus der Russischen Föderation zu beziehen, um Lücken in der eigenen Gasversorgung auszugleichen. So hat Spanien in den ersten acht Monaten dieses Jahres insgesamt 32.770 Gigawattstunden in Form von Erdgas aus Russland importiert, womit diese Einfuhren um knapp 23 Prozent im Vergleich mit dem Vorjahr gestiegen sind.

Am vergangenen Freitag konnten sich die EU-Mitgliedsländer nicht auf einen zuvor durch die EU-Kommission ins Spiel gebrachten „Gaspreisdeckel“ für russisches Erdgas einigen.

Es war auch kaum etwas anderes zu erwarten, da jene Mitgliedsstaaten, die noch immer Erdgas aus der Russischen Föderation beziehen, vor dem einsetzenden Winter augenscheinlich nicht das Risiko eingehen möchten, ähnlich dumm aus der Wäsche zu schauen wie Deutschland, dem die Gaslieferungen aus der Russischen Föderation seit Anfang September komplett gekappt wurden.

Diese Zusammenfassung für CK*Wirtschaftsfacts von Roman Baudzus nimmt Bezug auf einen Bericht mit dem Titel `A Blank Cheque´ auf der Seite des britischen Think Tanks Resolution Foundation.

„Was heißt das für mich konkret!?“ (Roman Baudzus)

Ein Bild sagt häufig mehr als tausend Worte. Deshalb soll hier abschließend auf einen Bericht im Magazin Focus von Gabor Steingart verwiesen werden, in dem die Dinge auf anschauliche Weise dargestellt werden.

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