Wie kürzlich berichtet, scheint zwischen der Russischen Föderation und den Vereinigten Staaten ein neuer Konfliktherd um Territorialansprüche in der Arktis entbrannt zu sein, dessen Entwicklung sich im Verlauf der nächsten Monate noch drastisch zu verschärfen droht.

Am vergangenen Donnerstag zeigte sich der russische Außenminister Sergei Lawrow im Rahmen einer Rede im isländischen Reykjavik vor einer Zuhörerschaft des Arktischen Rates aufgrund von zunehmenden Aktivitäten der USA und der NATO in der arktischen Region besorgt.

Diese Aktivitäten ließen sich laut Aussage Lawrows sehr nah der russisch-norwegischen Grenzregion beobachten. Um der Russischen Föderation in der Arktis-Region verstärkt Paroli bieten zu können, war es über die vergangenen Wochen und Monate zu einem Ausbau der Militärkooperation zwischen den Vereinigten Staaten und Norwegen gekommen.

In diesem Zuge war es zu Jahresbeginn auch erstmals in der Historie beider Staaten zu einer Stationierung von amerikanischen Langstreckenbombern in Norwegen gekommen. Im Jahr 2022 wird Norwegen zudem als Gastgeberland für weitläufige Militärübungen von NATO- und US-Truppen fungieren.

An dieser geplanten Militärübung sollen laut aktuellem Stand bis zu 40.000 Soldaten aus dreißig Nationen beteiligt werden. Unter Bezugnahme auf Norwegens Militärchef werde es im nächsten Jahr zur größten jemals im arktischen Zirkel abgehaltenen Militärübung seit den 1980er Jahren kommen.

Zu den aktuellen Aufgaben des Arktischen Rates gehört es bislang nicht, militärische Belange in die eigenen Überlegungen zu involvieren. Daran müsse sich laut Sergei Lawrow zukünftig etwas ändern.

Grundsätzlich unterhielte die Russische Föderation gute Beziehungen zum Arktischen Rat. In der Zukunft müsse die militärische Sphäre in diese Beziehungen allerdings inkludiert werden, so Sergei Lawrow weiter.

Obwohl es am Rande des jüngsten Zusammentreffens des Arktischen Rates zu einem oberflächlich betrachtet relativ entspannten Zusammentreffen zwischen Sergei Lawrow und dem amerikanischen Außenminister Antony Blinken gekommen war, bezichtigte Blinken den Moskauer Kreml am Donnerstag letzter Woche, unsachgemäße und rechtlose Ansprüche in der Arktis-Region für sich zu proklamieren.

In diesem Zuge soll die Russische Föderation insbesondere illegitime Seerechte für sich einfordern. Dass es zu einer Regulierung und Kontrolle von Schiffen unter ausländischer Flagge auf der Nördlichen Seeroute durch Behörden der Russischen Föderation komme, sei, so Blinken, ein unhaltbarer Zustand. Internationale Gesetze und Vereinbarungen stünden einer solchen Handlungsweise diametral entgegen.

Auch Blinken hat zwar davor gewarnt, militärische Aktivitäten in der Arktis-Region auszuweiten und Überhand nehmen zu lassen. Doch aus aktueller Perspektive beginnt sich eine zunehmende Militarisierung der Arktis-Region durch die Vereinigten Staaten und die NATO abzuzeichnen.

Nichtsdestotrotz wurden die in der vergangenen Woche zwischen Blinken und Lawrow geführten Gespräche durch den russischen Außenminister als konstruktiv bezeichnet. Dabei könnten die bilateralen Spannungen zwischen den Vereinigten Staaten und der Russischen Föderation kaum größer sein.

Die Konflikte zwischen beiden Nationen sind weitreichend, angefangen bei jenen Fragen über eine „gerechte“ Aufteilung der Arktis-Region über die angespannte Lage im ostukrainischen Donbass bis hin zur Fertigstellung der Ostsee-Pipeline North Stream 2 sowie den anhaltenden Bürgerkriegen in Syrien und Libyen.

Aus geopolitischer Perspektive stehen sich die USA und Russland also auf einer Vielzahl von (Stellvertreter-)Schlachtfeldern gegenüber, woran sich in absehbarer Zeit wahrscheinlich auch nichts ändern wird.

Im Rahmen der jüngsten Zusammenkunft des Arktischen Rates, dem insgesamt acht Arktis-Anrainerländer, darunter die USA und Russland, angehören, wurden diese gegensätzlichen Sichtweisen nicht nur ein weiteres Mal mehr als ersichtlich, sondern die USA sparten erneut nicht mit scharfer Kritik an der außenpolitischen Gangart der Russischen Föderation.

Blinken betonte zwar, dass eine Kooperation zwischen den Vereinigten Staaten und Russland in der Arktis-Region wichtig sei, ergänzte jedoch auch, dass die Gefahren in Bezug auf sich ausweitende Militäraktivitäten in der gesamten Region wüchsen.

Laut Blinken bestünden in den USA Bedenken ob dieser zunehmenden Militäraktivitäten in der Arktis-Region, wodurch die Risiken und Gefahren in Bezug auf Misskalkulationen und mögliche „Unfälle“ in dieser Weltregion zunähmen.

Dabei sei es seit jeher Wunsch und Ziel der Arktis-Anrainer gewesen, nicht nur den Frieden, sondern auch eine nachhaltige Entwicklung in der Region zu unterstützen. Letzten Endes handelt es sich hierbei allerdings wohl um nichts anderes als nur schöne Worte.

Denn schon seit längerer Zeit lässt sich beobachten, dass es eine der durch Washington verfolgten Schlüsselstrategien zu sein scheint, die Arktis-Region zu militarisieren – und der Moskauer Regierung auf diese Weise konfrontierend die Stirn zu bieten.

Festzuhalten bleibt, dass alle wichtigen Subbereiche des amerikanischen Militärs über die letzten Monate und Jahre Strategiepapiere ausgearbeitet und veröffentlicht haben, welche die heimische Regierung zu einer stärkeren Fokussierung auf die Arktis-Region aufrufen.

Die Russische Föderation steht diesen Bestrebungen jedoch in kaum etwas nach. Erst kürzlich berichtete Izvestia.ru darüber, dass der Moskauer Kreml grünes Licht für eine Stationierung von Kampfbombern des Typs SU-34 in der Arktis-Region gegeben habe.

Diese Stationierung erfolgt im Angesicht von zunehmenden Vorwürfen seitens Washingtons, laut denen die Russische Föderation andere Arktis-Anrainer provoziere, was aus Sicht der amerikanischen Außenpolitik auch Auswirkungen auf die Nationale Sicherheit in der Heimat zeitigen werde.

Als die amerikanische Marine ihre Strategieplanung für die Arktis-Region im Januar dieses Jahres kundtat, wurde zeitgleich darauf hingewiesen, dass die USA die russischen Ansprüche in der Region mittels einer Entsendung von amerikanischen Marine-Schiffen, die unweit der russischen Küsten operieren sollten, kontern könnte.

Auf eben jene Weise verhält es sich auch mit Blick auf das Südchinesische Meer und die Adressierung von chinesischen Ansprüchen in dieser Region. Laut der amerikanischen Marine-Führung handele es sich aus Sicht der Wasserwege in der Arktischen Region um internationale Gewässer, in denen jedermann frei verkehren dürfe.

Aus diesem Grund würde es sich empfehlen, wenn die amerikanische Marine diese Gewässer in der Zukunft verstärkt patrouillierte, um staatliche Übergriffe auf diese Wasserwege zu vereiteln und die freien Seeschiffrechte zu schützen.

In der Russischen Föderation scheint es zu einer Verfolgung von ähnlichen Absichten und Zielen zu kommen. Erst kürzlich hatte der russische Luftwaffen-Generalmajor Igor Churkin erklärt, einst aufgegebene Militärbasen in der Arktis-Region revitalisieren zu wollen, um dort mittels einer Stationierung von Kampfflugzeugen nicht nur das Territorium der Russischen Föderation zu schützen, sondern die Arktis-Region zudem auch verstärkt zu patrouillieren und zu überwachen.

Seitens der Amerikaner hieß es zu dieser Entwicklung, diese Stationierung von Kampffliegern nicht nur als Provokation, sondern auch als eine Gefahr aus Sicht der Nationalen Sicherheit der Vereinigten Staaten zu empfinden.

In der Russischen Föderation scheint sich an Bedenken dieser Art niemand zu stören. Ganz im Gegenteil machte Sergei Lawrow in der vergangenen Woche nochmals überdeutlich, dass es nun schon seit langer Zeit und jedermann auf der Welt bekannt sei, dass „es sich um unser angestammtes Land in der Arktis-Region handelt“.

Allein schon aus diesem Grund sei alles, was die Russische Föderation in dieser Weltregion unternähme, absolut legitim und vor allem legal. Vor Pfingsten hatte der russische Präsident Waldimir Putin auf eine recht unverhohlene Weise die Sichtweise seiner Regierung bekannt gemacht.

Danach werde die Russische Föderation jedem anderen Land auf der Welt „die Zähne ausschlagen“, falls es zu Plänen einer Zerschlagung des territorial größten Flächenstaates dieser Erde kommen sollte. Russland werde sich gegen derartige Einmischungen aus dem Ausland in die eigenen Belange mit allen verfügbaren Mitteln zur Wehr setzen. Laut Putin wolle nahezu jedermann auf der Welt Russland beißen, oder sich ein Stück aus Russland herausbeißen.

Die Russische Föderation sei über die vergangenen Jahre wieder zu einem ernstzunehmenden Akteur auf der Weltbühne avanciert und entwickele sich wirtschaftlich und gesellschaftlich weiter. Strategische Rivalen Russlands würden angesichts einer allgemein guten Entwicklung im eigenen Land stets irgendwelche Vorwände konstruieren, um nicht nur gegen die schiere territoriale Größe der Russischen Föderation anzugehen, sondern das Augenmerk zudem auch auf wichtige Rohstoffe und natürliche Ressourcen im eigenen Land zu legen, so Putin.

Putin ging hierbei unter anderem auch auf Kritiker aus dem Ausland ein, deren Forderungen sich darauf berufen, dass die weitreichenden Rohstoffe und natürlichen Ressourcen, die auf dem territorialen Staatsgebiet der Russischen Föderation lagern, nicht nur einem einzigen Land gehören dürften.

Neben Rohöl und Erdgas blickt Russland auch auf besonders reichhaltige Vorkommen an Hölzern aller Art, Metallen und einer Vielzahl an Mineralien in Sibirien. Wer die „Kritiker“ ernstnehmen wollte, müsste sich die Frage stellen, ob beispielsweise die USA es anderen Nationen erlauben würden, einen Teil der dort lagernden Rohstoffe ohne eine Pflicht zu deren Bezahlung vor Ort abzubauen und zu exportieren.

Solange es Staatswesen und nationale Grenzen geben wird, erscheinen Forderungen dieser Art völlig weltfremd. Unter anderem soll die ehemalige US-Außenministerin Madeleine Albright einst einmal gesagt haben, dass die gewaltigen Rohstoffvorkommen und natürlichen Ressourcen in Sibirien nicht nur einem einzigen Staat auf der Welt – und somit Russland – gehören sollten.

Amerikanische Medien kritisieren, dass die einst getroffene Aussage Albrights durch den Kreml, russische Medien und andere Beobachter aus deren Zusammenhang gerissen worden sei. Wie dem auch sei, die jüngsten Aussagen und Warnungen Putins legen Zeugnis darüber ab, dass die Dinge in der Russischen Föderation scheinbar auf eine ganz eigene – und vor allem den Dingen misstrauende – Weise gesehen werden.

So ganz lassen sich Denkansätze und Misstrauen dieser Art in Bezug auf und gegenüber dem Rest der Welt aus russischer Sicht auch nicht von der Hand weisen, wenn einfach einmal die bloße Tatsache berücksichtigt wird, dass es in der jüngeren Geschichte neben Napoleon auch Hitler gewesen ist, die beide der Fehlannahme eines Blitzkriegs auf russischem Staatsgebiet neben der Unterjochung von weiten Teilen des russischen Territoriums samt der dort lebenden Bevölkerung unterlagen.

Welch weitreichende Konsequenzen diese militärischen Überfälle nicht nur für Europa, sondern auch für manche Regionen im Rest der Welt gehabt haben, ist aus dem Blickwinkel der Historie heutzutage bestens dokumentiert.

„Was heißt das für mich konkret!?“

Wer könnte aus Perspektive eben jener Historie derart verwegen oder schlichtweg dumm sein, um sich ein weiteres Mal auf einen Angriffskrieg gegen die Russische Föderation einzulassen? Selbst in jener Zeit des Zarensturzes, einer erdrückenden Armut und Hunger im ganzen Land sahen sich die mit den Weißgardisten verbündeten „Interventionsmächte“ aus dem Westen nach dem Ende des Ersten Weltkriegs nicht dazu in der Lage, den russischen Bären trotz einer kurzfristig weitreichenden Besetzung Russlands niederzuringen. Wie soll so etwas heutzutage – im Atomwaffenzeitalter – möglich sein? Hoffentlich werden die Dinge in Washington auf ähnliche Weise gesehen…

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