Worum handelte es sich beim Stochern in diesem Hornissennest? Zwischen dem 19. und 24. Dezember letzten Jahres zeigte Wladimir Putin zu verschiedenen sich bietenden Gelegenheiten eine Reaktion auf die gefährliche Rückkehr des Faschismus, die sich überall auf dem europäischen Kontinent beobachten lässt.

In diesem Zuge bezeichnete Putin den in Deutschland zwischen den Jahren 1934 und 1939 amtierenden Botschafter Polens, Józef Lipski, als „Abschaum und antisemitisches Schwein, weil sich keine andere Bezeichnung für diese Person finden lässt…Er (Lipski) teilte Hitlers antisemitische Einstellung und versprach darüber hinaus, ein Denkmal zum Anlass der Judenverfolgung in Warschau zu errichten“.

Putin sprach diese Worte tatsächlich laut aus, um auf die aus seiner Sicht gewaltige Heuchelei hinzuweisen, die sich in das Gewand einer Resolution des Europäischen Parlaments, die am 17. September 2019 verabschiedet wurde, kleidet, und die alle Staaten Europas dazu auffordert offiziell anzuerkennen, dass der im Jahr 1939 zwischen der Sowjetunion und Deutschland geschlossene Nichtangriffspakt (allgemein als Molotow-Ribbentrop-Abkommen bezeichnet) zukünftig als einziger Grund für den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs angesehen werden soll!

Die aktuell amtierende Regierung Polens hat sich als eine der lautstärksten Befürworter dieser Resolution erwiesen. Diese Entwicklung ist allein schon aus dem Blickwinkel sehr gefährlich, da es sich im Falle Polens um eines der strategisch am wichtigsten gelegenen Nationen unter den NATO-Mitgliedern handelt.

Polen ist zudem Teil des antiballistischen Raketenabwehrschirms (ABM) und fällt somit unter die Militärdoktrin der Full Spectrum Dominance, der sowohl unter den Militärutopisten innerhalb der NATO wie auch im amerikanischen Deep State gefrönt wird.

Putin erinnerte seine Zuhörer daran, dass die tatsächliche Schuld für den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs unter jenen europäischen Mächten zu suchen und zu finden sein sollte, die schon lange vor der Sowjetunion Nichtangriffspakte mit Hitler eingegangen waren, wozu allen voran das im Jahr 1938 zwischen Frankreich, dem Vereinigten Königreich und Deutschland unterzeichnete Münchener Abkommen gehört habe.

Im Zuge des Münchener Abkommens sei Deutschland damals ausdrücklich die Erlaubnis zuteilgeworden, sich ein Stück (das Sudetenland) aus der ehemaligen Tschechoslowakei herauszuschneiden. Unter Bezugnahme auf diesen Aspekt erklärte Putin wie folgt:

„Lassen sie diese Leute historische Dokumente lesen, so dass ihnen die Einsicht zuteilwird, dass das Münchener Abkommen im Jahr 1938 durch die politischen Führer der europäischen Schlüsselnationen Frankreich und Großbritannien auf der einen Seite sowie Hitler-Deutschland auf der anderen Seite zur Aufteilung der Tschechoslowakei unterzeichnet wurde.“

Russlands Staatspräsident erklärte ferner wie folgt: „Es sind Leute wie diese, die diesen Pakt einst mit Hitler aushandelten. Es sind Leute wie diese, die heutzutage Denkmäler, die an die befreienden Krieger, die Soldaten der Roten Armee, welche den europäischen Kontinent und die europäische Bevölkerungen von den Nazis befreit haben, erinnern, niederreißen.“

Putins Bezugnahme auf ein „Niederreißen von Denkmälern“ verwies direkt auf Polen, dessen politische Führung sich über den Verlauf der letzten dreißig Jahre unter die enthusiastischsten Vernichter von pro-sowjetischen Denkmälern zur Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg gereiht hat.

Seit dem Jahr 1989 sind bereits Hunderte dieser Denkmäler abgerissen worden. Obwohl es nach wie vor 200 von diesen Denkmälern gibt, ist deren Überleben in der Zukunft mehr als fraglich, da die anti-russische Stimmung in Polen zuletzt auf ein Allzeithoch geklettert ist. Zu anderen ehemaligen Mitgliedsnationen des Warschauer Paktes, die nicht lange damit gezögert haben, um sich in den vergangenen Jahren der Vernichtung von pro-russischen Denkmälern anzuschließen, zählen allen voran die neo-nazistische Ukraine, die Tschechische Republik und Bulgarien.

Ich möchte Sie an dieser Stelle auf eine weitere unkomfortable Tatsache hinweisen, die im Angesicht der Warnung Putins klar auf dem Tisch liegt: Polens naziunterstützende Haltung der polnischen Botschaft in Deutschland und die den einstigen Forderungen der Nazis nachgebende Politik der Engländer und Franzosen waren zur damaligen Zeit und jenen dem Zweiten Weltkrieg vorausgehenden Jahren keineswegs einzigartig.

Tatsache ist, dass das weite Gebiet der Eugenik als rassistische Quasi-Wissenschaft zur damaligen Zeit einen fast schon als religiös zu bezeichnenden Glauben unter weiten Teilen des westlichen und wissenschaftlichen Establishments in den 1920iger und 1930iger Jahren ausgelöst hatte. Zu deren namhaftesten Gläubigen und Aposteln in England zählte unter anderem auch Sir Winston Churchill, der britische Faschistenführer Sir Oswald Mosley und König Edward VIII. Alle hier Erwähnten rühmten die Signifikanz einer „Reinhaltung der Rassen“.

Churchill bezeichnete Mussolini im Jahr 1933 unter anderem als „den größten Gesetzgeber der Menschheit“ und erklärte im Jahr 1938 wie folgt: „Würde England eine nationale Katastrophe erleiden, sollte unser Land zu Gott beten, einen Mann von der Stärke und der Willenskraft eines Adolf Hitler geschickt zu bekommen“.

Frankreichs Vichy-Regime hatte sich der Eugenik unter der Führung des krass antisemitischen Feldmarschalls Petain zugewandt, der sich über die Kollaboration mit den Nazis zur ersten sich bietenden Gelegenheit höchst erfreut zeigte. Es wird heutzutage allzu schnell vergessen, dass selbst Deutschlands Sterilisationsgesetze sowohl auf amerikanischen als auch kanadischen Gesetzgebungen zur Eugenik basierten.

Diese Gesetzgebung war zum damaligen Zeitpunkt bereits seit über einer Dekade existent. Aus Sicht des Westens erweist es sich als unkomfortable Peinlichkeit, dass die Rockefeller/Carnegie-Stiftungen seit dem Jahr 1912 viel Geld sowohl in westliche wie auch deutsche Universitäten investierten – und zwar in dem Versuch, die „Wissenschaft der Reinhaltung der Rassen“ zu legitimieren, was bei Licht betrachtet eigentlich nur eine Verschleierung der „Bevölkerungskontrolle“ gewesen ist.

Abschließend sei erwähnt und keineswegs vergessen, dass dieselben Geschäftsbanken an der Wall Street und in der City of London, die heutzutage zur Errichtung einer faschistischen Weltregierung drängen, in jener Dekade vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs auf höchst enthusiastische Weise riesige Geldsummen in die weit aufgehaltenen Kriegskoffer der damaligen Faschisten hineinschaufelten.

Wenn Russlands Staatspräsident Putin heute also auf die Heuchelei unter westlichen Nationen, die sich größtenteils als blind für Lehren aus deren Vergangenheit erweisen, aufmerksam macht, so gibt sich Putin nicht so sehr besorgt ob der Vergangenheit, sondern vielmehr besorgt ob der Zukunft. Denn Putin scheint bewusst zu sein, dass all jene, welche die wahren Ereignisse in deren Geschichte ignorieren, dazu verdammt sind, die gleichen Fehler noch einmal zu machen.

„Was heißt das konkret für mich?!“

Verlieren Sie niemals die Geschichte und wichtige historische Ereignisse aus den Augen. Unsere gemeinsame Geschichte verbindet uns Menschen und Gesellschaften miteinander und dient uns als Mahner, die uns zum Wandeln auf den Pfaden des Friedens auffordern. Die Reaktionen Putins auf die Resolution des Europäischen Parlaments zeigt, wie lebendig Geschichte ist, und wie sie die einzelnen Staatsinteressen auf unserem Planeten formt, lenkt und leitet.

Um jene zu Tod und Verelendung der Menschheit führenden Fehler aus der Vergangenheit zu vermeiden, müssen wir uns dieses Abkommens vom Pfad des Friedens überhaupt erst einmal bewusst sein, um im Jetzt dahingehend handeln und umsteuern zu können. Leisten wir hierzu unseren Beitrag, indem wir dem Krieg – beginnend in uns selbst – keine Chance zur Entfaltung einräumen. Jeder Einzelne hat hierauf Einfluss und kann sich einer solchen Entscheidung (pro Krieg oder pro Frieden) an keinem einzigen Tag des eigenen Lebens entziehen!

Gastbeitrag für CK*Wirtschaftsfacts / © 2019 Matthew Ehret / Strategic Culture Foundation

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