Aktuelle Pläne der Europäischen Union sehen vor, sich im gemeinsamen europäischen Wirtschaftsraum über die nächsten Jahre komplett unabhängig von russischen Energie-, Rohöl- und Gaseinfuhren zu machen.

Selbstverständlich erfordern Pläne dieser Art immense Investitionen in eine neue Energie-Infrastruktur. Das ambitionierte Programm der Europäischen Union namens RePowerEU sieht gleichzeitig eine Beschleunigung des Transformationsprozesses weg von fossilen Brennstoffen hin zu einer verstärkten Nutzung von alternativen Energieformen vor.

Die Kosten und Investitionserfordernisse werden weitaus höher sein

Seitens Rystad Energy wird die Warnung ausgesprochen, dass die Schätzungen der Europäischen Kommission zu den in diesem Zuge anfallenden Kosten und Investitionserfordernissen weit unterhalb der in den nächsten Jahren tatsächlich anfallenden Beträge liegen dürften.

Denn unter Bezugnahme auf Rystad Energy wird ein Investitionsbetrag von mindestens ein Billion (!) Euro zu Buche schlagen, um den Plänen der Europäischen Kommission in Bezug auf eine Steigerung des Anteils unter alternativen Energieträgern auf bis zu fünfundvierzig Prozent am europäischen Gesamtenergiemix bis zum Jahr 2030 Vorschub zu leisten.

Ferner würden zusätzliche Investitionen in den Bereichen der Stromnetze wie auch der Batterieentwicklung notwendig, um die eigens ausgegebenen Ziele eines stabilen Energieangebots auf dem europäischen Kontinent zu erreichen.

Ambitionierte Pläne bezüglich des Ausbaus der Solarenergie

Gleichzeitig erwiesen sich diese Pläne als nichts anderes als eine Herkulesaufgabe, da fast das gesamte Energie- und Elektrizitätssystem in Europa erneuert und in andere Bahnen gelenkt werden müsse.

Einen grundlegenden Eckpfeiler von RePowerEU bildet die zukünftig angedachte Versorgung mit Solarenergie. Die aktuellen Pläne sehen vor, bereits bis zum Jahr 2025 320 Gigawatt in Form von Solarstrom ans Netz zu bringen. Bis zum Jahr 2030 soll das Volumen dann auf sechshundert Gigawatt steigen.

Sollten der Plan wie erhofft aufgehen, so würden sich auf diese Weise rund neun Milliarden Kubikmeter Erdgas ersetzen lassen. Angemerkt sei an dieser Stelle, dass die aktuell auf dem europäischen Kontinent bestehende Solarstromkapazität bei knapp 190 Gigawatt liegt, was bedeutet, dass bis Mitte der laufenden Dekade 131 Gigawatt installiert und entsprechend ans Netz gebracht werden müssen.

Pro Jahr müsste es bis 2025 also zu einer Instandsetzung von 44 Gigawatt in diesem Bereich kommen. Im vergangenen Jahr gingen allerdings gerade einmal 21 Gigawatt ans Netz, womit die Installationsrate bis zum Jahr 2025 jeweils verdoppelt werden muss.    

Aktuelle Prognosen sehen für das laufende Jahr hingegen gerade einmal eine Steigerung auf 29 Gigawatt vor, woran sich ablesen lässt, dass die zeitliche Umsetzung der Pläne der Europäischen Kommission auf einige Schwierigkeiten zu stoßen drohen, was insbesondere unter der Prämisse einer nochmaligen Steigerung auf 56 Gigawatt pro Jahr zwischen den Jahren 2025 und 2030 gilt.

In der Analyse von Rystad Energy wird von der Annahme ausgegangen, dass sich die durchschnittlichen Installationskosten im Solarenergiebereich auf 1,1 Millionen Euro pro Megawatt belaufen.

Um also zusätzliche 411 Gigawatt an Energiekapazität zwischen dem heutigen Zeitpunkt und dem Jahr 2030 in diesem Bereich ans Netz zu bringen, würden notwendige Investitionen in Höhe von 452 Milliarden Euro anfallen.

Um bis zum Jahr 2030 einen Anteil von bis zu fünfundvierzig Prozent unter alternativen Energieträgern in Relation zum Gesamtenergiemix in der Europäischen Union zu erreichen, würden diese Anstrengungen allerdings bei Weitem noch nicht ausreichen.

Notwendiger Windenergieausbau wurde wohl noch gar nicht bedacht

Hierzu wären zusätzliche Megainvestitionen im Bereich der Windenergie von Nöten. Aus den Plänen zu RePowerEU gehen momentan jedoch keine aussagekräftigen Detailinformationen zu diesem Prozess hervor.

Die meisten Beobachter werden sich darüber bewusst sein, dass der Teufel allerdings stets in den Details steckt. Um den Dingen ein wenig vorzugreifen, sehen die durch Rystad Energy angestellten Berechnungen und Kalkulation vor, dass eine Kapazität von weiteren 450 bis 490 Gigawatt im Windenergiebereich bis zum Jahr 2030 benötigt wird, um die verfolgten Pläne der Europäischen Kommission Realität werden zu lassen.     

In diesem Bereich würden dann noch einmal Investitionen in Höhe von 820 Milliarden Euro bis zum Jahr 2030 benötigt. Die angesichts dieses angedachten Transformationsprozesses anfallenden Kosten und Investitionen werden sich auf Basis von aktuellen Schätzungen somit wohl auf bis zu 1,3 Billionen Euro bis zum Jahr 2030 belaufen.

Auf welche Weise dieser benötigte Gesamtbetrag aufgebracht werden soll, scheint ebenfalls ein Detail zu sein, das bis dato noch nicht hinlänglich geklärt ist. Jüngst hatte die Europäische Kommission bekanntgegeben, dass für das Anstoßen und den Beginn dieses angedachten Transformationsprozesses ein Betrag in Höhe von 225 Milliarden Euro in Form von Krediten zur Verfügung stünde.

Zusätzliche Investitionen in Höhe von dreihundert Milliarden Euro würden laut Europäischer Kommission bis zum Jahr 2030 benötigt, um die eigens verfolgten Pläne umzusetzen. Allein anhand dieser zurzeit verfügbaren Informationen zeichnet sich bereits eine immens große Finanzierungslücke zwischen den Schätzungen der Europäischen Kommission und der jüngst publizierten Analyse von Rystad Energy ab.

Bislang noch gar nicht enthalten in diesen Schätzungen sind zudem zusätzlich notwendige Investitionen in die Stromnetze und Stromverteilung, die Stromspeicherung, die Produktion von Wasserstoff sowie in die europäische Gasinfrastruktur.

Und wieder einmal rücken die bestehenden Lieferketten in den Fokus der Betrachtungen

Eine wachsende Anzahl von Analysten warnt angesichts dieser Pläne davor, dass eine damit in Verbindung stehende Steigerung der Nachfrage nach neuen Energiekapazitäten sich äußerst negativ auf die bestehenden Lieferketten im Bereich der Produktion von Solarpanelen wie auch im Bereich der Herstellung von Windkraftturbinen auszuwirken droht.

Der Druck auf die bestehenden Lieferketten drohe sich nochmals in einem hohen Ausmaß zu erhöhen. Und so verwundert es gewiss nicht, dass unter Analysten bereits jetzt mit zusätzlich steigenden Kosten in diesen Technologiebereichen gerechnet wird.   

 

 

An den internationalen Energie- und Finanzmärkten wird aus diesem Grund auf dringend benötige Zusatzdetails zu dem Programm RePowerEU hingewiesen, da sich hiermit Pläne verbinden werden, die ansonsten nur in Kriegszeiten zur Entfaltung kommen würden.

Bei Rystad Energy heißt es hierzu, dass es weitreichende Informationen zu den anfallenden Investitionen, dem eigentlichen Bau und der angedachten Energieproduktion bis zum Jahr 2030 benötige.

Eine Realisierung der Pläne hängt auf enorme Weise vom Bürokratieabbau in der EU ab

Auch die regulatorischen Hürden seien bis dato noch in keiner Weise adäquat adressiert worden. Im Windenergiebereich kann sich ein Genehmigungsverfahren zum Bau von neuen Windkraftanlagen beispielsweise bis zu neun Jahre hinziehen.

Seitens der Europäischen Kommission heißt es hierzu, dass zu langsame und sehr  komplexe Genehmigungsverfahren im Bereich der alternativen Energien in der Zukunft vereinfacht und beschleunigt werden sollen.

Um zukünftig Energie einzusparen, soll unter anderem die Energieeffizienz von aktuell neun auf 13 Prozent erhöht werden, während die Rohöl- und Gasnachfrage im gleichen Atemzug auf Basis von Verhaltensänderungen im erwähnten Zeitraum um fünf Prozent gesenkt werden soll.   

Um in der Zukunft über eine größere Preismacht zu verfügen, sollen Kauf- und Lieferverträge im Öl- und Gasbereich unter den Mitgliedsländern der Europäischen Union gepoolt werden. Ferner soll die Errichtung von großen Wasserstoffkorridoren im Mittelmeerraum und in der Nordsee finanziell gefördert werden.

Während die Nachfrage nach und die Nutzung von fossilen Brennstoffen im Transport- und Industriesektor bis zum Jahr 2030 deutlich reduziert werden soll, wird neben dem Ausbau der Solar- und Windenergie auch auf einen sich forcierten Einbau von Wärmepumpen wie auch die Produktion von Wasserstoff gesetzt.

Die aktuellen Ziele sehen vor, die Produktion von erneuerbarem Wasserstoff innerhalb der Europäischen Union auf zehn Millionen Tonnen zu hieven und parallel dazu weitere zehn Millionen Tonnen aus dem Ausland zu importieren.    

Angestrebt wird, die Gasnutzung im europäischen Industriesektor bis zum Jahr 2030 um 35 Milliarden Kubikmeter Erdgas zu reduzieren, die zukünftig durch erneuerbaren Wasserstoff, Biogas und Biomethan ersetzt werden sollen.

Diese Zusammenfassung für CK*Wirtschaftsfacts von Roman Baudzus nimmt Bezug auf einen Bericht auf der Seite von oilprice.com, welcher in Form einer Kolumne durch Rystad Energy publiziert wurde.

„Was heißt das für mich konkret!?“ (Roman Baudzus)

Noch kaum bis überhaupt nicht eskomptiert in diese Schätzungen, Berechnungen und Kalkulationen zum angedachten Transformationsprozess im europäischen Energiesektor ist wohl die nicht ganz unwichtige Zinsentwicklung im EU-Raum und in der Eurozone.

Hingewiesen sei darauf, dass die Inflation in Deutschland im Jahresvergleich mittlerweile auf 8,7 Prozent geklettert ist, was dem höchsten Niveau seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs entspricht.

Der deutsche Finanzminister Christian Lindner hatte hierzu kürzlich angemerkt, dass es das oberste Ziel der Europäischen Zentralbank sein müsse, die Inflation in der Eurozone im Zaum zu halten und mit allen Mitteln zu bekämpfen.

Denn aus dieser Entwicklung leiteten sich zahlreiche und mitunter unabsehbare Risiken aus Perspektive der Volkswirtschaften in der Eurozone ab. Da auch in einigen anderen Ländern der Eurozone, darunter Spanien, die Inflation zuletzt höher lag als es die Konsensschätzungen an den Finanzmärkten vorsahen, wächst selbstverständlich der Druck auf die Europäische Zentralbank, sich endlich zu bewegen, um die Zinsen in der Eurozone anzuheben.

Ich wage die Prognose, dass die Eurozone angesichts der aktuellen Umstände, ähnlich wie die Vereinigten Staaten, in eine Rezession zu rutschen droht. Hinzu gesellt sich die Tatsache, dass die Zinsdifferenzen zwischen den Südländern (allen voran Griechenland und Italien) im Vergleich mit den Nationen des Nordens, wie beispielsweise Deutschland, schon wieder kräftig steigen.

Die Eurozone – und in Erweiterung die Europäische Union – haben es nicht nur mit einer bislang ungesehenen Energiekrise zu tun, die Investitionen erfordert, von denen bislang noch niemand so recht zu wissen scheint, wo diese benötigten Finanzmittel überhaupt herkommen sollen.

Vielmehr zeichnet sich aus Sicht der Eurozone auch ein Wiederaufflammen der Schulden- und möglicherweise der Euro-Krise ab, wodurch sich nicht nur die energiepolitischen, sondern auch die wirtschaftlichen Probleme in der Region zu potenzieren drohen.

Sollte sich die Europäische Zentralbank ob der aktuellen Entwicklungen in der Eurozone weiterhin zaudernd und zögernd zeigen, um anderen Wirtschaftsräumen dieser Erde hinsichtlich der Leitzinsanhebung zu folgen, so braucht in diesen Tagen nur nach Japan geblickt werden, wo sich der japanische Yen im freien Fall befindet und wo inzwischen für jedermann vollkommen offensichtlich geworden ist, in welch einer vertrackten Mausefalle die Bank of Japan sich aus dem Blickwinkel der Geldpolitik befindet, um zu erkennen, in welche Richtung die Reise dann gehen könnte.

Die Europäische Zentralbank sollte gut Acht geben, nicht vielleicht schon bald selbst in ein ähnliches Fahrwasser zu geraten. Der Ausbruch einer Euro-Krise wäre gewiss das letzte, was eine ohnehin ökonomisch angeschlagene Eurozone jetzt noch braucht und vertragen könnte. 

 

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