In den Mittleren Osten blickend, gerät Saudi-Arabiens Wirtschaft angesichts der Entwicklung an den internationalen Erdölmärkten verstärkt unter Druck. So ist die saudische Wirtschaft im dritten Quartal auf realer Basis im Jahresvergleich um 4,5% geschrumpft.

Schon in den Vorquartalen befand sich die saudische Ökonomie in einem Abschwung, wusste im Jahresvergleich im zweiten Quartal allerdings noch um 1,2 Prozent zu wachsen. Vor allem rückläufige Aktivitäten im heimischen Erdölsektor bescherten der saudischen Wirtschaft im dritten Quartal die erste Schrumpfung seit dem ersten Quartal des Jahres 2021.

Wie sich spätestens jetzt zeigt, ist für die Aufrechterhaltung der gemeinsam mit Russland im Rahmen der OPEC+ beschlossenen Förderkürzungen ein Preis zu bezahlen. Reduzierte sich die saudische Erdölproduktion im zweiten Quartal um 3,8 Prozent, so hat sich diese Situation im dritten Quartal angesichts eines Rückgangs von 17,3 Prozent nochmals beschleunigt.

Saudische Wirtschaft noch immer stark abhängig von Ölpreisentwicklung

Obwohl die Aktivitäten in Wirtschafsbereichen außerhalb des Erdölsektors im dritten Quartal zuzulegen wussten, schrumpfte das saudische Bruttoinlandsprodukt auf saisonbereinigter Basis um 3,9 Prozent.

Auf dieser Berechnungsbasis war es bereits im Vorquartal zu einem BIP-Rückgang von 0,4 Prozent gekommen. Die Regierung in Riad versuchte sich dieser Entwicklung in Q3 mittels einer Erhöhung der Staatsausgaben von zuvor 0,3 auf knapp zwei Prozent entgegenzustemmen.

Im letzten Jahr war die Situation aufgrund höherer Erdölpreise, die im Jahr 2022 im Schnitt bei 100 US-Dollar pro Fass notierten, eine andere. Aus der oben abgebildeten Grafik, die der Seite tradingeconomics.com entnommen wurde, geht hervor, dass die saudische Wirtschaft im vergangenen Jahr boomte.

So erwies sich die saudische Wirtschaft im Jahr 2022 als am schnellsten wachsende unter allen arabischen Nationen. Und nicht nur das. Auch im Vergleich mit den Mitgliedsländern der G20-Gruppe setzte sich Saudi-Arabien aus Wirtschaftswachstumsperspektive im Jahr 2022 an die Spitze.

In diesem Zuge überschritt die saudische Wirtschaft unter Bezugnahme auf Berechnungen von PriceWaterhouseCoopers erstmals die Marke von einer Billion US-Dollar. Laut Experten legten diese Zahlen Zeugnis darüber ab, dass Saudi-Arabien unter Berücksichtigung der durch die Staatsführung anvisierten Diversifizierung der heimischen Ökonomie Fortschritte mache.

Vision 2030

Nichtsdestotrotz scheinen die Banken des Landes weitere Finanzierungen zu benötigen, um das Projekt namens Vision 2030 auch in den nächsten Jahren weitläufig zu unterstützen, wie es seitens der Ratingagentur S&P Global heißt.

Zukünftig soll das saudische Wachstum verstärkt durch den heimischen Privatsektor und neu entstehende Industrien angekurbelt werden, um die Wirtschaft des Landes weniger abhängig von Erdölausfuhren zu machen.

Noch bei Weitem mehr ins Gewicht fiel im vergangenen Jahr, dass die saudische Regierung erstmals seit fast zehn Jahren wieder einen Haushaltsüberschuss auswies. Wir rufen uns in Erinnerung, dass diese Bekanntmachung keineswegs unerheblich aus Sicht eines Landes gewesen ist, dessen Regierung weite Teile der heimischen Bevölkerung in vielerlei Bereichen finanziell subventioniert.

Saudi-Arabiens Kronprinz Mohammed bin Salman (MbS) wird unter weiten Teilen der Jugend seines Landes hoch geachtet und verehrt. Vielleicht mag diese Entwicklung auch mit einer Reihe von Liberalisierungsbemühungen in Saudi-Arabiens Wirtschaft und Gesellschaft zusammenhängen, die MbS angestoßen hat.

So ist beispielsweise der Anteil der arbeitenden Frauen in Relation zur Erwerbsbevölkerung im ersten Quartal auf 36 Prozent gestiegen. Damit wurde das erst für das Jahr 2030 anvisierte Ziel bereits im laufenden Jahr überschritten.

Staatliche Wirtschaftssteuerung

Mit Vision 2030 ist zudem das gesellschaftliche Ziel verbunden, die Anzahl der heimischen Hausbesitzer auf einen Anteil von siebzig Prozent zu steigern. Auch dahingehend scheint sich das Land auf einem guten Weg zu befinden, da diese Quote von einst 47 auf mittlerweile 67 Prozent geklettert ist.

Saudi-Arabien habe die in den Vereinigten Staaten und Frankreich gemessenen Werte unter Bezugnahme auf PriceWaterhouseCoopers schon zum aktuellen Zeitpunkt überschritten. Die saudische Regierung nimmt hierauf durch eine makroökonomische Steuerung der heimischen Wirtschaft großen Einfluss.

Um die Anzahl erschwinglicher Immobilien zu steigern, hat Riad beispielsweise eine Steuer eingeführt, um die Eigentümer von brachliegenden Grundstücken in den urbanen Zentren des Landes zu mehr Eigeninitiative in Bezug auf die Entwicklung dieser Grundstücke zu drängen.

Gleichzeitig bemüht sich Riad darum, diesen Grundstückseigentümern einen vereinfachten Zugang zu Krediten oder anderen Formen der Finanzierung zu verschaffen. Der Internationale Währungsfonds geht davon aus, dass die staatlichen Steuereinnahmen unter Berücksichtigung dieser Maßnahmen bis zum Jahr 2028 auf 1,3 Billionen US-Dollar steigen werden.

Bis zu diesem Zeitpunkt möchte die saudische Regierung die heimische Wirtschaft zur fünfzehntgrößten der Welt machen. Ob sich diese Pläne materialisieren, wird in erster Linie davon abhängen, ob die in Vision 2030 formulierten Ziele zu einer Diversifizierung der heimischen Wirtschaft erfolgreich umgesetzt werden können.

MbS hatte schon vor geraumer Zeit erklärt, den Mittleren Osten zum neuen Europa machen zu wollen. Es besteht kein Zweifel daran, dass es sich im Hinblick auf die meisten Golfländer aufgrund von deren immensen Erdöl- und Gasschätzen um sehr reiche Nationen handelt.

Nichtsdestotrotz schwingt über diesen Ländern – wie sich momentan wieder einmal zeigt – ein geopolitisches Damoklesschwert.

Saudische Industrieproduktion bricht ein

Analysten an den internationalen Finanzmärkten stieß die jüngste Bekanntgabe auf, dass die saudische Industrieproduktion im Monat September im Jahresvergleich um 11,2 Prozent eingebrochen ist. Bereits im Vormonat war es aus Jahresbasis zu einem Rückgang von 12,2 Prozent gekommen.

Aus der oben abgebildeten Grafik von tradingeconomics.com geht hervor, dass die saudische Industrieproduktion auf dieser Basis bereits den fünften Monat in Folge gesunken ist. Die rückläufigen Aktivitäten im Erdöl- und Minensektor haben hieran einen großen Anteil.

Brachen die Aktivitäten in diesem Bereich im August um 19,3 Prozent ein, so setzte sich dieser Abschwung im September mit einem Minus von 18,7 Prozent fort. Analysten warnen davor, dass sich an dieser Entwicklung auf Sicht unter aller Voraussicht erst einmal nichts ändern wird.

Wie lange kann sich Saudi-Arabien ein Festhalten an den beschlossenen Förderkürzungen finanziell leisten?

Denn in den letzten Tagen gaben sowohl Saudi-Arabien als auch die Russische Föderation bekannt, an ihren beschlossenen Erdölförderkürzungen festhalten zu wollen. Im September wurden in Saudi-Arabien insgesamt 8,9 Millionen Fass Erdöl pro Tag gefördert.

Während es in offiziellen Erklärungen der Organisation OPEC+ zuletzt wiederholt hieß, die Situation an den internationalen Erdölmärkten auf diese Weise stabil halten zu wollen, weitet sich der hinter den Kulissen geführte „Erdölkrieg“ aus.

Anzeichen, die auf einen Missbrauch der Erdölpreise in Form einer Waffe gegen westliche Wirtschaften hindeuten, haben sich über die letzten Quartale verdichtet. Nutzt Washington den US-Dollar und Sanktionen vermehrt in Form einer Waffe gegen geopolitische Rivalen, so hat sich unter führenden Erdölproduzenten augenscheinlich die Ansicht durchgesetzt, dieser Entwicklung eigene Maßnahmen entgegensetzen zu wollen.

Russland wird sich die anhaltenden Förderkürzungen angesichts einer im laufenden Jahr stark wachsenden Wirtschaft finanziell leisten können. Trifft dies unter Berücksichtigung der aktuellen Entwicklungen auch auf Saudi-Arabien zu?

Die nächsten Quartale werden weitere Hinweise auf eine Beantwortung dieser Frage liefern. Denn letztlich wird sich eine Umsetzung der in Vision 2030 formulierten und ambitionierten Ziele der saudischen Regierung nur durch stabile oder – besser noch – steigende Einnahmen aus dem Erdölgeschäft realisieren lassen.

Diese Zusammenfassung für CK*Wirtschaftsfacts von Roman Baudzus nimmt unter anderem Bezug auf einen Bericht auf der Seite economictimes.com.

„Was heißt das für mich konkret!?“ (Roman Baudzus)

Die aktuellen Ereignisse im Nahen und Mittleren Osten werfen einen zusätzlichen Schatten auf die ökonomische Situation in der gesamten Region. Es wird abzuwarten bleiben, auf welche Weise die arabischen Länder in den sich zuspitzenden Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern eingreifen werden – oder auch nicht.

Wie dem auch sei, so verdunkelt sich aufgrund der weiterhin bestehenden Gefahr eines sich ausweitenden Krieges in der Region der Ausblick im Bereich der Investitionsaktivitäten. Wie Saudi-Arabien als eine der führenden Wirtschaftsnationen der Region hierauf reagieren wird, muss sich in den nächsten Wochen zeigen.

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