In diesen Tagen fällt es schwer, nicht in das ein oder andere Schwellenland zu blicken, wo sich die ökonomischen und sozialpolitischen Probleme seit Jahresbeginn vielerorts deutlich verschärft haben.

Ein gutes Beispiel hierfür ist neben dem Libanon auch die kleine und der südlichen Spitze des indischen Subkontinents vorgelagerte Inselnation Sri Lanka. Nachdem dort vor einigen Jahren ein blutiger Bürgerkrieg endlich beendet werden konnte, avancierte das Eiland im Indischen Ozean aufgrund von dessen abwechslungsreichen Naturfülle, üppigen Stränden und historisch interessanten Besuchsstätten zu einem der weltweit beliebtesten Tourismusdestinationen.

Ein zu hoher Grad der Abhängigkeit vom internationalen Tourismus

Am Beispiel von Sri Lanka zeigt sich einmal mehr, welch dramatische Folgen es haben kann, wenn sich ein Land zu stark abhängig von Einnahmen aus dem internationalen Reise- und Tourismusgeschäft macht. Denn seit dem Ausbruch der Covid-Krise sind die Ankunftszahlen unter internationalen Touristen auf dem Eiland stark eingebrochen.

Auf eine ähnliche Entwicklung blicken auf dem asiatischen Kontinent auch bisherige Top-Destinationen wie Thailand. Dass eine Entwicklung dieser Art nicht spurlos an deren Volkswirtschaften vorübergehen kann, zeigt sich in diesen Tagen auf eine recht anschauliche Weise.

Aus Sicht Sri Lankas kommt hinzu, dass die Inselregierung über den Verlauf der letzten Jahre als einer der Top-Kreditnehmer an den internationalen Finanz- und Kapitalmärkten zugange gewesen ist, um mit geliehenem Geld hauptsächlich in heimische Infrastrukturprojekte zu investieren.

Ein viel zu hoher Verschuldungsgrad!

Bereits vor dem Ausbruch der Covid-Krise wurde vor einem zu starken Überschuldungsgrad der Inselnation gewarnt, was bis dahin allerdings auf taube Ohren unter den Mitgliedern der Inselregierung gestoßen war.

Aus heutiger Perspektive wäre es sinnvoll und besser gewesen, diesen Warnungen Gehör zu schenken. Denn die Konsequenzen werden jetzt für jedermann spürbar. Gestern sah sich die srilankische Regierung, die in der Heimat momentan unter einem enormen Druck steht, zur Publikation einer offiziellen Erklärung veranlasst, um rundheraus vor einem Zahlungsausfall im Bereich der ausstehenden Regierungsanleihen zu warnen.

Hiervon betroffen sehen sich allen voran einst im Ausland aufgenommene Kredite, wodurch sich nicht nur private Gläubiger, sondern auch kreditgebende Staatsregierungen im Ausland betroffen sehen würden. Zu diesen Darlehensgebern gehörte über die vergangenen Jahre vor allem die Volksrepublik China.

In der oben verlinkten Regierungserklärung heißt es ferner, dass die Inselnation ihrer größten Wirtschaftskrise seit mehr als sieben Jahrzehnten ins Auge blicke. Mittlerweile ist Sri Lanka mehr als siebzig Prozent seiner ausländischen Währungsreserven angesichts der anhaltenden Wirtschafts- und Energiekrise verlustig gegangen.

Neben stark gesunkenen Einnahmen aus dem internationalen Tourismusgeschäft haben auch die jüngst angekündigten Steuersenkungen dazu beigetragen, die Regierungskassen in einem sich beschleunigenden Ausmaß zu leeren. In der gestern veröffentlichten Erklärung heißt es wörtlich unter anderem wie folgt:

Offizielles Eingeständnis: Sri Lanka kann Auslandsschulden nicht mehr bedienen

Die jüngsten Ereignisse, inklusive den Auswirkungen der Covid-Pandemie wie auch des anhaltenden Krieges in der Ukraine, haben die Fiskalsituation der Inselrepublik Sri Lanka auf dramatische Weise verschlechtert, so dass eine Bedienung der ausländischen Finanz- und Schuldenobligationen zu einer Unmöglichkeit geworden ist.“

Somit wurde gestern eigentlich nur offiziell zugegeben, wovor unter anderem auch der Internationale Währungsfonds bereits im vergangenen Monat gewarnt hatte. So gelangte der IWF damals zu der Ansicht, dass die ausstehenden Auslandsschulden Sri Lankas nicht mehr tragfähig seien.

Seitens des Internationalen Währungsfonds wurde zwar anerkannt, dass die srilankische Regierung außergewöhnliche Maßnahmen ergriffen habe, um sich in die Lage zu versetzen, allen ausländischen Finanz- und Schuldenobligationen auch weiterhin nachzukommen. Doch, so die Warnung, werde dies aus Sicht der aktuellen Entwicklungen nicht mehr ausreichen.

Sozialunruhen sind vielerorts bereits ausgebrochen

Neben der ökonomischen ist unter den mehr als zwanzig Millionen Einwohnern Sri Lankas längst auch eine sozialgesellschaftliche Krise ausgebrochen. Diese Krise hat angesichts von weitreichenden Lebensmittelknappheit, Benzin- und Dieselengpässen, einer galoppierenden Inflation sowie wiederkehrenden Stromausfällen zum Ausbruch von sozialen Unruhen auf dem Eiland geführt.

In einem Bericht von Bloomberg hieß es zu den aktuellen Ereignissen, dass die seit dem Jahr 1948 ungesehene Entscheidung, die Bedienung eines Teils der ausstehenden Auslands- und Finanzschulden auszusetzen, durch die örtliche Regierung getroffen worden sei, um sich für eine Aufrechterhaltung von lebenswichtigen Lebensmittel- und Energieeinfuhren zumindest einen Teil der eigenen US-Dollar-Reserven zu erhalten.

Seitens des kürzlich neu ernannten Zentralbank-Chefs Nandalal Weerasinghe hieß es zu den aktuell beobachtbaren Ereignissen, dass Regierungsoffizielle in spezifische Verhandlungen mit den Kreditgebern seines Landes eintreten wollten.

Anders als im Fall der Russischen Föderation, welche einerseits auf eine sehr überschaubare Auslandsverschuldung blickt, und über die letzten Jahre andererseits enorme Finanzreserven gebildet hat, änderte diese Tatsache nichts daran, dass das Land durch Moody´s Investors Service, S&P Global Ratings und Fitch Ratings auf Ramsch- beziehungsweise Junkniveau herabgestuft worden ist.

Ratingagenturen (noch) im Tiefschlaf?

Trotz des jetzt offiziell publizierten Eingeständnisses der srilankischen Regierung, den eigenen Finanz- und Schuldenobligationen nicht mehr nachkommen zu können, ist es unter den drei großen Ratingagenturen in diesem speziellen Fall bislang recht ruhig geblieben.

Einmal mehr müssen sich Moody´s, S&P und Fitch somit den Vorwurf gefallen lassen, in die eigenen Entscheidungen politische Sichtweisen und Standpunkte mit einfließen zu lassen, was das internationale Vertrauen in die Aussagekraft der Bonitätseinschätzungen der drei großen Ratingagenturen abermals schmälert.

Wahrscheinlich nicht von ungefähr hatte der russische Finanzminister Anton Siluanow die Regierungen der BRICS-Nationen am vergangenen Wochenende zum Aufbau einer eigenen BRICS-Ratingagentur aufgefordert – und dies schnellstmöglich.

Offiziell zu erklärende Zahlungsausfälle würden die ohnehin bereits stark angeschlagene Finanzsituation Sri Lankas nochmals auf eine sehr empfindliche Weise verschlechtern. Denn wer seine ausländischen Finanz- und Schuldenobligationen nicht bedient, droht sich in der Zukunft selbst von Kapitalinvestitionen an den internationalen Bondmärkten auszuschließen.

In einem solchen Fall würde selbst das Rollieren von ausstehenden Schulden zu einem Vabanqueakt, dem sich internationale Kreditgeber ab einem bestimmten Zeitpunkt versagen könnten.

China oder der IWF? Wer eilt zuerst „zur Hilfe“?

Es bleibt somit erst einmal abzuwarten, auf welche Weise der Internationale Währungsfonds seine Bereitschaft zeigen könnte, Sri Lanka mittels einer Darlehensgewährung finanziell unter die Arme zu greifen.

Abzuwarten bleibt ebenfalls, auf welche Weise die ausländischen Kreditgeber Sri Lankas einer potenziellen Schuldenrestrukturierung zuzustimmen bereit sind – und zu welchen Bedingungen eine solche Entwicklung denkbar wäre.

Insbesondere seitens der Volksrepublik China bliebe für den Moment abzuwarten, welchen noch stärker wachsenden Einfluss in Sri Lanka das Reich der Mitte in der Zukunft spielen könnte, falls Peking nun als eine Art „weißer Ritter“ in Erscheinung treten sollte.

Ein möglicher Ausschluss Sri Lankas von der internationalen Kreditaufnahmefähigkeit hätte aus Sicht der Inselnation wahrscheinlich die verheerendsten Folgen. Andererseits zeichnen sich anhand des Beispiels von Sri Lankas weitreichende Veränderungen und Gefahren an den globalen Bond- und Staatsanleihemärkten ab.

Sri Lanka könnte und wird unter den gegebenen Umständen wahrscheinlich nur eine der ersten Schwellennationen sein, die ihre Zahlungsunfähigkeit inzwischen auf eine ganz offene Weise eingestehen.

Es bleibt aus momentaner Perspektive also nur zu hoffen, dass Sri Lanka nicht den Auftakt für eine Kaskade von ähnlichen Meldungen und Ankündigungen an den internationalen Bond- und Staatsanleihemärkten bilden wird.

CDS-Märkte im Auge behalten!

Es empfiehlt sich aus diesem Grunde, die Entwicklungen an den Märkten für Credit-default Swaps (Ausfallversicherungen) recht genau im Auge zu behalten. Anzumerken bleibt zu der aktuellen Situation, der sich die Inselnation gerade ausgesetzt sieht, dass die Zentralbank noch über Reserven in Höhe von rund zwei Milliarden US-Dollar verfügt.

Allerdings würden allein im laufenden Jahr noch ausländische Zahlungsobligationen in Höhe von rund vier Milliarden US-Dollar (!) fällig. Um die galoppierende Inflation in Sri Lanka zu bekämpfen, hatte der neue Zentralbank-Chef Weerasinghe zuletzt die Zinsen angehoben.

Sollte der Internationale Währungsfonds eine mögliche Rolle in Sachen einer Finanz- und Schuldenrestrukturierung samt einer Darlehensvergabe spielen, so lässt sich damit rechnen, dass im Gegenzug und auf Basis von historischen Beobachtungen Austeritätsmaßnahmen seitens der Inselregierung eingefordert würden.

Dass solche Forderungen wohl kaum auf fruchtbaren Boden unter einer ohnehin finanziell stark strapazierten Lokalbevölkerung fallen würden, dürfte eine ausgemachte Sache sein. Wie zuvor erwähnt, ist es an vielen Orten des Landes bereits zu einem Ausbruch von sozialen Unruhen gekommen.

Diese Situation hat mit dazu beigetragen, dass sich die Inselregierung vollends mit dem Rücken zur Wand befindet. Anhand von Videos im Netz lässt sich unter anderem der ertönende Slogan unter zahlreichen Protestlern vernehmen, wonach man die verbreiteten und immerwährenden Lügen der Regierung satthabe.

Sri Lankas US-Dollar-Anleihen auf Rekordtiefs

Ein eklatanter Strommangel verschärft diese Situation und die wachsende Unzufriedenheit unter der Lokalbevölkerung naturgemäß. An den internationalen Bondmärkten sind die im Juli 2022 auslaufenden US-Dollar-Anleihen im gestrigen Handel darüber hinaus auf ein neues Rekordtief von 46 Cents pro US-Dollar gesunken.

An den Aktienmärkten des Landes sieht sich der Handel aufgrund einer Festivitätswoche und wiederkehrenden Stromausfällen indes ausgesetzt. An den internationalen Finanzmärkten wird mit einer Hinwendung der srilankischen Regierung in Richtung des Internationalen Währungsfonds gerechnet.

Gleichzeitig wird davon ausgegangen, dass eine solche Entwicklung das um sich greifende Chaos und die sozialen Konflikte auf der Insel nochmals zu verschärfen drohten. Manche Marktteilnehmer gehen indes von einer bevorstehenden Schuldenrestrukturierung aus, die dem vorherigen Beispiels Ecuadors nahekommen könnte.

Die Sozialunruhen haben sich in der laufenden Woche indes vielerorts fortgesetzt. In diesem Zuge fordern die Protestler insbesondere Staatspräsident Gotabaya Rajapaksa aufgrund von dessen Fehlmanagement der heimischen Finanzen zum sofortigen Rücktritt auf.

Diese Zusammenfassung für CK*Wirtschaftsfacts von Roman Baudzus nimmt Bezug auf veröffentlichte Berichte auf der Finanzseite Zerohedge (HIER, HIER und HIER).  

„Was heißt das für mich konkret!?“ (Roman Baudzus)

Selbst ein solcher Rücktritt würde nichts an der Tatsache ändern, dass finanziell schwache Nationen wohl nur das erste Glied im Hinblick auf eine Vielzahl an global aufkommenden Problemen in diesem zunehmend durch Preisteuerungen und Rohstoffengpässe bestimmten Umfeld bilden werden.

Deutlich wird, dass nahezu die gesamte Welt über die vergangenen beiden Jahrzehnte völlig über ihre finanziellen Verhältnisse gelebt hat, wofür ein schmerzhafter Preis zu bezahlen sein wird.

Interessant wird es ohnehin erst dann, wenn sich auch als „erstklassig“ eingestufte Schuldner wie die Vereinigten Staaten (O-Ton Jim Rogers: Dir größte Schuldnernation der Welthistorie) zu diesem Reigen an offensichtlich zahlungsunfähigen Nationen hinzugesellen werden.

Deutlich wird auch, das ein permanentes Anwerfen der elektronischen Gelddruckerpressen durch die Zentralbanken keine realen Produkte wie Rohöl, Gas, Energie, Metalle, Weizen und andere Rohstoffe schafft und wie aus dem Nichts aus dem Boden wachsen lässt.

Ganz im Gegenteil trifft diese erzeugte Geldflut in einem immer stärkeren Ausmaß auf eine beschränkte Anzahl an zur Verfügung stehenden Sachwerten und Rohstoffgütern. Vor allem die Gold- und Edelmetallmärkte sollten deshalb – und aufgrund von deren Monetärfunktion – aufmerksam beobachtet werden – und dies nicht nur auf Basis des US-Dollars, sondern auch auf Basis von anderen durch nichts gedeckten Papierwährungen wie dem Euro, dem Yen oder dem Yuan / Renminbi.

Der russische Rubel spielt in diesem Konzert nach dessen Gold-Bindung inzwischen eine Sonderrolle. Angemerkt sei abschließend, dass es zuletzt auch in dem südamerikanischen Land Peru zu ersten Inflationsunruhen gekommen ist. Weitere Schwellenländer dürften alsbald folgen.

 

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