Über einen Zeitraum von mehr als zwanzig Jahren waren amerikanische Unternehmen eifrig dabei, Produktionsfazilitäten in der Heimat zu schließen und viele der damit in Verbindung stehenden Arbeitsplätze nach Mexiko, in die Volksrepublik China oder andere Nationen auf dem asiatischen Kontinent auszulagern.

Einer der unschönen Nebeneffekte resultierte in beständig sinkenden Reallöhnen, die durch eine Aufnahme von beständig steigenden Schulden unter privaten Haushalten „wettgemacht“ wurden.

Onshoring lautet das neue Schlagwort

Dass zahlreiche Regionen in den USA, darunter der sogenannte Rust Belt, einen teilweise komplett verfallenen Eindruck erwecken, verwundert angesichts dieser Entwicklung kaum.

In der einstigen Autometropole Detroit hat der städtische Magistrat in der Zwischenzeit die Entscheidung getroffen, vor sich hin rostende Werke nebst total verfallenen Wohnhäusern in manchen Vororten – heute als Ghettos bezeichnet – zu renaturieren.

Und so sind nach einem Abriss samt Entsorgung des anfallenden Mülls inzwischen zahlreiche Parkgelände entstanden, die Detroit in manchen städtischen Bezirken zumindest wieder ein freundliches Antlitz verleihen.

Seit dem Ausbruch der Corona-Krise ist in den Vereinigten Staaten und anderen westlichen Industrienationen plötzlich wieder vermehrt von Onshoring, und somit einer Rückholung von Produktionskapazitäten, in die jeweiligen Heimatländer die Rede.

Die vergangenen drei Jahre haben schließlich jedem interessierten Beobachter aufgezeigt, dass die ökonomische Abhängigkeit des Westens von Ländern wie der Volksrepublik China oder Indien mittlerweile zu einer Gefahr für den Erhalt der nationalen Sicherheit avanciert sind.

Die wirtschaftlichen Abhängigkeiten sollen sich vermindern

Egal ob wichtige Teilelieferungen, Medikamente oder Halbleiter: Selbst nach der inzwischen erfolgten Wiedereröffnung der chinesischen Wirtschaft herrschen unter einer ganzen Reihe von wichtigen Produkten noch immer Knappheiten. Allen voran Medikamente sind mit am stärksten von dieser Situation betroffen.

Internationale Produktionswerkbänke wie das Reich der Mitte haben längst erkannt, dass sich bestehende Abhängigkeiten als Druckmittel zur Durchsetzung von politischen Zielen nutzen lassen.

Und so verwundert es auch kaum, dass der im Monat Mai unter amerikanischen Unternehmen verausgabte Betrag, der für einen Bau von Produktionswerken in der US-Heimat aufgewendet worden ist, im Vergleich mit dem Vorjahr um 73 Prozent auf rund 15,7 Milliarden US-Dollar gestiegen ist.

Gegenüber dem Jahr 2021 beläuft sich dieser Anstieg sogar auf 147 Prozent, wie das U.S. Census Bureau berichtete. Anders sah es trotz des durch Präsident Donald Trump in dessen Amtszeit ausgegebenen Slogans „Make America great again“ noch aus.

Denn zwischen den Jahren 2015 und 2020 stagnierten die Unternehmensausgaben für einen Bau von neuen Fabriken und Produktionsfazilitäten in der amerikanischen Heimat zwischen sechs und sieben Milliarden US-Dollar pro Monat.

Der Trend kehrt sich um

Seit dem Frühjahr des Jahres 2021 hat sich hieran etwas auf eine bedeutsame Weise geändert. Augenscheinlich hat das damals zu beobachtende Chaos im Bereich der globalen Lieferketten zu einem Umdenken unter einer zunehmenden Anzahl von Unternehmen in den USA geführt.

Es sind insbesondere jene Bereiche, die sich einstmals als Treiber von Auslagerungen ins überseeische Ausland erwiesen haben, die jetzt wiederum am stärksten in einen Aufbau von neuen Produktionsfazilitäten in der Heimat investieren.

Hierzu gehören allen voran der Computer- und Elektroniksektor. Der Trend zeigt mittlerweile glasklar in eine Richtung: nämlich steil aufwärts! Ins Bild passt, dass der US-Kongress zuletzt auch ein Gesetz verabschiedet hat, das Halbleiter- und Chipunternehmen finanzielle Anreize und staatliche Subventionen in Multimilliardenhöhe bieten wird, um die Produktion in diesem wichtigen Wirtschaftsbereich zukünftig wieder verstärkt in der Heimat anzusiedeln.

Auch die jüngsten Daten aus dem Konstruktionssektor (exklusive der privaten Häusermärkte) untermauern den zurzeit vorherrschenden Trend. Denn danach sind die Firmeninvestitionen im Konstruktionssektor im Monat Mai im Jahresvergleich um siebzehn Prozent auf ein neues Rekordhoch von 90 Milliarden US-Dollar gestiegen. Gegenüber dem Jahr 2021 beläuft sich der Anstieg auf 26 Prozent.

Es ist allerdings auch nicht alles Gold, was glänzt. Denn Finanzanalysten geben zu bedenken, dass die Kosten im Bau- und Konstruktionssektor aufgrund einer stark zulegenden Inflation deutlich gestiegen sind.

Auch wenn sich eine ganze Reihe von Wirtschafts- und Konjunkturdaten in den Vereinigten Staaten in den letzten Wochen teils signifikant verschlechtert haben, so überrascht es doch, dass andere Sektoren angesichts eines Leitzinses von mehr als fünf Prozent noch immer ein recht solides Wachstum aufweisen.

So sind zuletzt beispielsweise die Baubeginne im Mehrfamilienhaussektor auf ihr höchstes Niveau seit dem Jahr 1986 geklettert. Parallel hierzu ist der Anteil der Fabrikneubauten in Relation zu allen Konstruktionsaufträgen (exklusive der privaten Häusermärkte) von 8,9 Prozent im Mai 2021 auf 17,5 Prozent im Mai dieses Jahres geklettert.

Aus der nachfolgenden Grafik von wolfstreet.com, die Bezug auf Daten des U.S. Census Bureau nimmt, sind die in den vergangenen beiden Jahren gestiegenen Baukosten bereits heraus gerechnet worden. Nichtsdestotrotz lässt sich ein deutlich nach oben weisender Trend erkennen.

 

Der Bau von neuen Computer-, Elektronik- und Stromkraftwerken hat an dieser Entwicklung den größten Anteil, wie auch aus einer im Juni veröffentlichten Analyse des amerikanischen Finanzministeriums hervorgeht.

Anders sah die Situation im Verlauf der vergangenen drei Jahrzehnte aus. Der Anteil der neuen Fabrikbauten war in diesem Zeitraum in Relation zu den Gesamtbauaufträgen (ohne private Häusermärkte) teilweise verschwindend gering. Jetzt wächst dieser Anteil allerdings deutlich.

Die Inflation aus den realen Baukosten heraus gerechnet, geht aus der Analyse des US-Finanzministeriums hervor, dass sich die Konstruktionsausgaben im Bereich der neuen Fabrikbauten fast vervierfacht haben.

It´s the supply chains, stupid

Dieser Boom begann im Frühjahr des Jahres 2021 in Reaktion auf die massiven Probleme im Bereich der Lieferketten. Auf dem Höhepunkt der Corona-Krise stand dieser Bereich nicht nur vollkommen auf dem Kopf, sondern auch der gesamte Transportsektor, allen voran die wichtigsten Seehäfen des Landes, litt unter teils unbeschreiblichen Problemen.

In vielen wichtigen Wirtschaftsbereichen kam es damals zu weitläufigen Knappheiten und Engpässen, die bis heute – wie beispielsweise im Medikamentensektor – noch immer nicht abgenommen haben.

Der im August letzten Jahres durch den Washingtoner Kongress verabschiedete CHIPS Act sieht zahlreiche staatliche Subventionen für eine Wiederansiedlung von Computer-, Chip- und Elektronikfabriken in den Vereinigten Staaten vor.

Denn es ist im Verlauf der letzten beiden Jahre deutlich geworden, dass der Hableiter- und Chipsektor mit am stärksten unter Lieferschwierigkeiten und einer Unterbrechung der globalen Lieferketten zu leiden hatte. Doch ohne Chips geht in der heutigen Wirtschaft fast überhaupt nichts mehr.

Dies zeigte sich beispielsweise in der Automobilindustrie, in der zahlreiche Autoproduzenten ihre Werke über einen längeren Zeitraum schließen mussten, weil es an einem Nachschub an wichtigen Elektronikchips mangelte.

Der in den USA verabschiedete CHIPS Act scheint den Bau und die Wiederansiedlung von Produktionsfabriken in den Vereinigten Staaten zusätzlich zu beflügeln. Von Interesse ist, dass die USA in Bezug auf diese Entwicklung weltweit herausstechen.

Noch kein vergleichbarer Trend in anderen westlichen Industrieländern

Wie aus der Analyse des US-Finanzministeriums weiter hervorgeht, hinken andere führende Industrienationen dem aktuellen Trend in den Vereinigten Staaten teils deutlich hinterher. In Japan verharrt der Bau von neuen Fabriken noch immer unterhalb der vor dem Ausbruch der Corona-Krise erreichten Werte.

In Deutschland verharren diese Investitionen nun schon seit fast zehn Jahren auf einem konstanten Niveau, während das Schlagwort einer sich abzeichnenden De-Industrialisierung mittlerweile auch im Mainstream des Landes für Schlagzeilen sorgt.

Sowohl in Großbritannien als auch in Australien sind die realen Bauinvestitionen im Bereich der Fabrikneubauten im Jahr 2022 im Vergleich mit dem Vorjahr zwar um vierzig Prozent gestiegen.

Nichtsdestotrotz hat sich seit dem letzten Jahr in beiden Nationen im Anschluss nicht mehr allzu viel getan, während sich die Investitionen in den USA im selben Zeitraum verdoppelt haben.

Abschließend wird zur besseren Veranschaulichung noch einmal eine Grafik von wolfstreet.com, die Bezug auf Daten der Federal Reserve Bank nimmt, bemüht.

Wie aus dieser Grafik hervorgeht, ist der reale Ausstoß im produzierenden Gewerbe der USA – und somit unter Herausrechnung der Inflation – über den Verlauf der vergangenen siebzehn Jahre nahezu unverändert gewesen.

Anhand dieser Grafik lässt sich ablesen, wie stark der Hang unter amerikanischen Konzernen und Unternehmen zu Produktionsauslagerungen nach Übersee in diesem Zeitraum gewesen ist. In den Jahren 2020, 2021 und 2022 hat sich die Globalisierung von Wertschöpfungs- und Lieferketten für viele dieser Player gerächt.

Diese Zusammenfassung für CK*Wirtschaftsfacts von Roman Baudzus nimmt unter anderem Bezug auf einen Berichtvon Wolf Richter auf der Seite wolfstreet.com.

„Was heißt das für mich konkret!?“ (Roman Baudzus)

Konkret heißt das, dass die Inflation aktuell nicht mehr nur ein Problem ist, das sich mittels höherer Zinsen durch die Federal Reserve Bank bekämpfen lässt. On- oder Reshoring von Produktionskapazitäten wird mit einer höheren Inflation einhergehen, da die Arbeitskosten und sonstigen Abgaben in der Heimat deutlich höher sind als auf dem asiatischen Kontinent.

Einem solchen Trend könnte einzig mittels einer vollumfänglichen Roboterisierung und Automatisierung dieser neuen Produktionsfazilitäten entgegengewirkt werden. Da das Thema der Künstlichen Intelligenz nunmehr in aller Munde ist, bleibt abzuwarten, inwieweit dieser momentan stark gehypte Sektor zukünftig wird liefern können…

Von Interesse ist, dass die USA in Bezug auf die genannte Entwicklung weltweit herausstechen – wie lange wird es diesmal dauern, bis Europa respektive Deutschland zumindest versucht, hinterher zu eifern? Und kann dies dann überhaupt noch gelingen?

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