Im heutigen Bericht soll ein Blick auf das Innenleben der Kryptowährungsmärkte samt der in diesem Marktsegment bestehenden Querverbindungen und Abhängigkeiten geworfen werden. In diesem Kontext ist es unerlässlich, die führende Rolle von Tether ein wenig eingehender zu analysieren.

Denn allgemeinhin wird davon ausgegangen, dass Tether-Münzen durch die verschiedensten Akteure dazu genutzt und zum Einsatz gebracht werden, um eine große Mehrheit der bislang umlaufenden Bitcoins zu erwerben.

Mancherorts heißt es, dass der Ankauf von bis zu zwei Dritteln der umlaufenden Bitcoins bis dato auf einem Einsatz von Tether-Münzen basierte. Im Fall von Tether handelt es sich nach allgemeiner Auffassung um eine sogenannte Stablecoin, deren Emissionen jeweils exakt 1:1 durch US-Dollarreserven gedeckt seien.

Sind Tether-Einheiten tatsächlich vollumfänglich durch US-Dollars gedeckt?

Das in Hongkong ansässige Unternehmen Tether, das seit der faktischen Machtübernahme der Volksrepublik China in Hongkong unter die chinesische Jurisdiktion fällt, beruft sich nach wie vor darauf, dass jede emittierte Tether-Münze durch jeweils einen US-Dollar gedeckt und abgesichert sei.

Doch stimmt das auch tatsächlich? Wer Bezug auf offizielle Strafermittlungen durch die Generalstaatsanwaltschaft von New York gegen Tether und Bitfinex nimmt, wird zu einer anderen Auffassung gelangen. Ende Februar hatte die Generalstaatsanwaltschaft von New York eine Presseerklärung veröffentlicht, in welcher es auszugsweise (in der Folge übersetzt auf Deutsch) wie folgt hieß:

Im Fall von Tether berief sich die Emissionsfirma darauf, dass sich jede der emittierten Stablecoins in einem Verhältnis von 1:1 durch entsprechende US-Dollar-Reserven gedeckt sähe. Wie dem auch sei, offizielle Strafermittlungen des Büros der Generalstaatsanwaltschaft (OAG) gingen mit der Erkenntnis einher, dass iFinex – der Betreiber von Bitfinex – und die Firma Tether falsche Erklärungen bezüglich einer Deckung der eigens emittierten “Tether” Stablecoins veröffentlicht haben.

Gleichzeitig sind falsche Erklärungen im Hinblick auf die Bewegung und den Austausch von Hunderten Millionen US-Dollars zwischen den beiden Unternehmen veröffentlicht worden, die allein dem Zweck dienten, die Wahrheit über massive Verluste von Bitfinex zu verschleiern.

„Bitfinex und Tether haben auf jeweils rücksichtslose und ungesetzliche Weise finanzielle Verluste verschleiert, um die eigenen Geschäftsaktivitäten aufrechtzuerhalten und deren eigene Interessen zu schützen“, wie Generalstaatsanwältin Letitia James erklärte. „Tethers Behauptung, wonach dessen virtuelle Währung vollumfänglich zu jedem Zeitpunkt durch US-Dollars gedeckt sei, erwies sich als eine Lüge.“

Die Strafermittlungen des OAG gingen ferner mit der Erkenntnis einher, dass Tether spätestens seit Mitte des Jahres 2017 weltweit über keinen Zugang zum Bankensystem verfügte, weshalb das Unternehmen in manchen Zeiträumen überhaupt keine Reserven vorhielt, um umlaufende Tether-Einheiten durch entsprechende Reserven in einem Verhältnis von 1:1 in Relation zum US-Dollar zu decken.

Diese Erkenntnisse stehen im direkten Gegensatz zu den durch Tether getätigten Erklärungen. Unter Berücksichtigung von sich hartnäckig haltenden Spekulationen über die Frage, ob das Unternehmen tatsächlich ein ausreichendes Maß an finanziellen Reserven halte oder nicht, veröffentlichte Tether in 2017 eine Ankündigung zu einer eigens initiierten ‘Verifikation’ der eigenen Cash-Reserven.

Diese Maßnahme wurde durch das Unternehmen als „ein durch unsere Seite in dem Bemühen um Vertrauen durchgeführte Anstrengung“ bezeichnet, „um eine vorläufige Analyse zu den eigens gehaltenen Cash-Reserven zu präsentieren“. Tatsache ist allerdings, dass diese Cash-Reserven, die jede umlaufende Tether-Einheit decken sollen, erst an jenem Morgen auf dem Bankkonto von Tether verbucht wurden, als es zur Veröffentlichung der durch die Firma angekündigten ‘Verifikation’ gekommen war.

Die Dinge scheinen noch bei Weitem tiefer zu gehen…

Es erweckt den Eindruck, als ob diese Erkenntnisse der Generalstaatsanwaltschaft von New York erst der Beginn der Geschichte im Hinblick auf Bitfinex, Tether, Bitcoin und den Rest des Kryptowährungsuniversums sein könnten. Es könnte nämlich durchaus der Fall sein, dass diese Zusammenhänge noch weit tiefer gehen, und hier bislang nur an der Oberfläche gekratzt worden ist.

In dem in der vergangenen Woche veröffentlichten Bericht Blickt China seinem eigenen Bear-Stearns-Moment ins Auge? wurde bereits darauf hingewiesen, dass es in einem Folgebericht zu einer Analyse von möglichen Verbindungen zwischen China Evergrande und verschiedenen Kryptowährungen wie Tether oder Bitcoin kommen würde. Dieser Bericht wird heute präsentiert.

Hält Tether Schulden von China Evergrande & Co. in Milliardenhöhe?

Der sich abzeichnende Zusammenbruch von China Evergrande könnte nämlich mit sehr weitläufigen Auswirkungen und Implikationen auf/aus Sicht der Kryptowährungsmärkte einhergehen. Eine ganze Reihe von Analysten ist der Auffassung, dass Tether, der Anbieter der „Stablecoin“, die – wie Fiat-Währungen – aus dem Nichts geschaffen werden, mehrere zehn Milliarden US-Dollars in China Evergrande investiert haben könnte.

Inzwischen hat unter anderem die Ratingagentur Fitch, wie zuletzt berichtet, ganz offiziell Zahlungsausfälle im Bereich der durch den Projektentwickler China Evergrande emittierten Auslandsbonds festgestellt.

Übersetzt bedeutet dies, dass potenzielle Anlagen und Investitionen der Firma Tether in China Evergrande, Kaisa Group oder eine Reihe von anderen chinesischen Projektentwicklern, die nun ebenfalls unter einen massiven Abgabedruck geraten sind, faktisch wertlos zu werden drohen.

Die sich hieraus ableitende Folge könnte lauten, ob Tether nicht mehr länger auf ausreichende Weise über Vermögenswerte verfügt, um die eigens emittierten „Stablecoins“ entsprechend durch US-Dollars zu decken.

Möglicher Run auf Tether?

Käme es unter den Nutzern von Tether zu einem sich beschleunigenden Ausstieg, so würde es in diesem Zuge automatisch zur Forderung nach US-Dollar-Kompensationen kommen, denen Tether womöglich nicht mehr nachkommen könnte.

Ein potenzieller Run auf Tether wäre die Folge, der schlimmstenfalls einen Kollaps von Tether nach sich ziehen könnte. Erschwerend gesellt sich die Tatsache hinzu, dass Tether es nach wie vor vehement ablehnt, sich einem externen Finanzaudit zu unterziehen.

Eine zunehmende Anzahl an Beobachtern geht mittlerweile davon aus, dass Tether schlicht und einfach neue Einheiten emittiert, ohne diese entsprechend durch US-Dollars zu decken. Letzten Endes wäre Tether in diesem Fall nicht viel mehr als eine digitale Fiat-Währung.

Tether und die Bitcoin-Connection

Abermals sei an dieser Stelle erwähnt, dass bis zu zwei Drittel aller umlaufenden Bitcoins mittels Tether-Einheiten gekauft werden. Ein wenig weiter gedacht wäre ferner also davon auszugehen, dass die aktuelle Marktkapitalisierung von Bitcoin mittels einer Erzeugung von digitalen Gelderzeugungsoperationen massiv inflationiert worden wäre.

Bitcoin selbst befindet sich in diesem Zusammenhang zwar nicht im Auge dieses Sturms, doch sei zumindest erwähnt, dass sich die aktuelle Marktbewertung von Bitcoin auf eine massive Weise mittels anderen Digitalwährungseinheiten, die im Kauf und Verkauf von Bitcoin gehandelt werden können, manipulieren lässt.

Es stellt sich aus diesem Blickwinkel die Frage, ob es in absehbarer Zeit nicht vielleicht zum Platzen einer enormen Blase an diesen Märkten kommen könnte, in deren Zuge die Halter von privaten Digitalwährungen ähnlich dumm aus der Wäsche schauen würden wie Bond- und Anleihehalter von China Evergrande & Co.

Hingewiesen sei darauf, dass eingefleischte Krypto-Anhänger ins Feld führen werden, dass es keine solche Risiken gäbe, und dass beispielsweise Bitcoin auf mindestens eine Million US-Dollar pro Einheit werde steigen müssen.

Warum lehnt Tether ein externes Finanzaudit ab?

Auch im Hinblick auf Tether zeichneten sich danach keinerlei Probleme ab, ganz einfach deshalb, da (noch immer) auf die offiziellen Aussagen des Unternehmens gesetzt und vertraut wird. Es sei in diesem Kontext die Frage erlaubt, weswegen Tether es dann nach wie vor mit Vehemenz ablehnt, sich einem externen und professionellen Finanzaudit zu unterziehen?!

Hat nicht die Generalstaatsanwaltschaft des Bundesstaates New York zu Beginn dieses Jahres mitgeteilt, dass es sich im Fall von Tether um eine kriminelle Vereinigung handele?!

Ähnlich wie damals zu Zeiten des Neuen Marktes oder dem Platzen der Internet- und Techblase wird es unter eingefleischten Anlegern einmal mehr zu einem Hinnehmen von massiven Verlusten kommen müssen, da sowohl Gier als auch Herdendrang abermals die Überhand gewonnen zu haben scheinen.

Drittparteien-Risiken im Krypto-Bereich scheinen enorm zu sein

Es lässt sich aus aktueller Sicht davon ausgehend, dass viele Anleger in diesem Bereich sich in keiner Weise auch nur annähernd über die immensen Drittparteien-Risiken, die in diesem Bereich schlummern, bewusst zu sein scheinen.

Ähnlich wie das damalige Platzen der Blase des Neuen Marktes oder im Bereich der Internet- und Technologieaktien eine ganze Generation von Anlegern aus deren Illusionen in die harte Welt der Realität gestoßen hatte, könnte es aus heutiger Sicht einmal mehr zu möglicherweise katastrophalen Verlusten unter Anlegern und Spekulanten in einem Bereich kommen, der als „heilige Kuh“ wahrgenommen und verehrt wird.

Aus eigener Erfahrung sei angemerkt, dass sich die ersten Türen auf dem Weg zu herben Verlusten stets dann öffnen, wenn Anleger sich in irgendwelche Vermögenswerte oder Titel „verlieben“, um davon – egal, was auch geschehen mag – nicht mehr loslassen zu wollen.

Neue Sammelklage gegen Tether in New York eingereicht

Um abschließend noch einmal auf Tether und damit verbundene Aktivitäten einzugehen und zurückzukommen, sei erwähnt, dass es mittlerweile zur Einreichung einer neuen Klage gegen Tether gekommen ist.

Und zwar handelt es sich hierbei um eine Sammelklage gegen den weltweit führenden Emittenten von „Stablecoins“. Die Kläger werfen Tether vor, sich „ungesetzlicher und unehrlicher Praktiken“ bedient zu haben.

Aus der am Bezirksgericht des südlichen Distrikts von New York eingereichten Sammelklage geht überdies hervor, dass Tether in „amoralische, unethische, unterdrückerische und völlig skrupellose Geschäftspraktiken“ verstrickt sein soll.

Einmal mehr heißt es seitens der federführenden Kläger Matthew Anderson und Shawn Dolika, dass das Unternehmen Tether sich im Hinblick auf eine vollumfängliche Deckung der eigenes emittierten Digitalwährungseinheiten durch US-Dollars einer blanken Lüge bediene.

Zumindest reagiert Tether diesmal auf die Ereignisse…

Anders als unter Berücksichtigung der anderen beiden Gerichts- und Ermittlungsfälle im laufenden Jahr ging von Tether angesichts der neuen Klage eine schnelle Reaktion aus. In einer Erklärung bezeichnete Tether die eingereichte Sammelklage als einen schamlosen Versuch, sich auf schnelle Weise am Eigentum von anderen zu bereichern.

Seitens Tethers werde es dieses Mal nicht einmal zur Zahlung und Kompensation von auch nur einem Satoshi kommen. Im Fall eines Satoshis handelt es sich übrigens um die kleinste gestückelte Einheit eines Bitcoins. Aktuell verfügt ein Satoshi über einen Gegenwert von rund 0,000478 US-Dollar.

Laut Tether werde das Unternehmen auf „aggressive Weise“ gegen die durch die Kläger vorgebrachten Vorwürfe vorgehen, um die federführenden Einreichenden der Klage, Matthew Anderson und Shawn Dolika, darüber hinaus auf eine Entschädigung zu verklagen.

Wir erinnern uns daran, dass die New Yorker Generalstaatsanwältin Letitia James im Februar dieses Jahres die Anordnung gegenüber Tether und der Kryptobörse Bitfinex erteilt hatte, den gesamten Handel zu unterbrechen und eine Strafe in Höhe von 18,5 Millionen US-Dollar zu bezahlen.

…wenn da nicht die CFTC wäre…

Hierauf war es dann im Oktober zur Anordnung einer Strafzahlung in Höhe von 41 Millionen US-Dollar gegenüber Tether und 1,5 Millionen US-Dollar gegenüber Bitfinex durch die Commodity Futures Trading Commission (CFTC) gekommen. Auf welcher Basis wurden die Strafzahlungen durch die CFTC angeordnet?

Nun, die CFTC war nach eingehenden Untersuchungen zu der Erkenntnis gelangt, dass Tether auf eigenen Konten nur solange eine ausreichende Menge an Fiat-Währungsreserven zur Deckung der eigens emittierten Digitalmünzeinheiten vorgehalten habe, um diese Einheiten gerade einmal über einen Zeitraum von weniger als einem Quartal (in einer Gesamtperiode von sechsundzwanzig Monaten zwischen den Jahren 2016 und 2018) auf entsprechende Weise zu besichern.

Als interessant erweist es sich in diesem Zusammenhang, dass der Vorstandsvorsitzende der Digitalkreditplattform Celsius, Alex Mashinsky, nach Anordnung der durch die CFTC angeordneten Strafzahlung gegen Tether und Bitfinex in einem Interview gegenüber der Financial Times erklärt hat, dass Tether hin und wieder emittierte Einheiten seiner angeblich vollumfänglich an den US-Dollar gebundenen Stablecoins für einen Erhalt von Darlehen hinterlege, um hiermit Kryptowährungen wie Bitcoin und Ethereum zu erwerben.

Nach einer Begleichung dieser aufgenommen Darlehen würden die hierfür emittierten Einheiten zerstört, um einerseits den allgemeinen Umlauf und andererseits das Angebot der Digitalwährungseinheiten auf diese Weise nicht zu inflationieren.

Um ein wenig Wind aus den permanent um Tether kursierenden Spekulationen zu nehmen, hatte Tether im August einen bei der Firma Moore Cayman in Auftrag gegebenen Bericht veröffentlicht, aus dem hervorging, dass ungefähr die Hälfte der Fiat-Reserven von Tether bis zu diesem Zeitpunkt in Form von Geldmarktpapieren und anderweitig veranlagten Beträgen gehalten worden sind.

Deutlich wurde in diesem Zuge allerdings auch, dass nur ein Anteil von rund zehn Prozent dieser Reserven in Form von Cash und Bankeinlagen gehalten wurde, was den bis dato veröffentlichten Angaben des Unternehmens zu einer vollumfänglichen Deckung der umlaufenden Tether-Einheiten durch entsprechende US-Dollar-Reserven entgegenstand.

Diese Zusammenfassung für CK*Wirtschaftsfacts von Roman Baudzus basiert auf offiziell veröffentlichten Dokumenten der Generalstaatsanwaltschaft von New York (HIER), der Commodity Futures Trading Commission (HIER) sowie einer neu eingereichten Sammelklage gegen Tether am Bezirksgericht des südlichen Distrikts von New York (HIER), die durch Roman Baudzus inhaltlich und thematisch erweitert wurde.

„Was heißt das für mich konkret!?“ (Roman Baudzus)

Es empfiehlt sich bei aller Euphorie um die Krypto- und Digitalwährungsmärkte und deren Zukunftsaussichten ein gesundes Maß an Vorsicht walten zu lassen. Angesichts der aktuellen Entwicklungen sollten Ersparnisse auch nicht in Gänze in nur ein Körbchen gelegt werden, heißt Diversifikation von lebenslangen Ersparnissen und Vermögen ist Trumpf an einem Gesamtmarkt, dessen Intransparenz noch so manches Ponzi- und Betrugssystem zum Vorschein bringen könnte, was vor allem dann der Fall sein dürfte, wenn es – ähnlich wie zu Zeiten der Finanzkrise und den damals auffliegenden Betrügereien um Bernie Madoff & Co. – irgendwann zu einem einsetzenden Bärenmarkt kommen sollte.

Beitrag senden

Drucken mit Kommentaren?



href="javascript:print();"