Im gestrigen Bericht stand die Verschuldungssituation unter chinesischen Lokalregierungen im Zentrum der Berichterstattung. Ferner erweckt es den Eindruck, als ob der Abschwung an Chinas Immobilien- und Häusermärkten noch über die nächsten Jahre anhalten könnte.

An die gestrigen Ausführungen wird heute angeschlossen, um das riesige und intransparente Schattenbankensystem des Landes wie auch nicht offiziell ausgewiesene Staatsschulden mit ins Kalkül einzubeziehen.

An welchem Punkt befindet sich das Reich der Mitte?

Es stellt sich unter anderem die Frage, welche Risiken und Gefahren von diesem Sektor aus Sicht der Finanzstabilität in der Volksrepublik China ausgehen.

Diese Frage ist insofern wichtig, weil sich aus einer solchen Analyse – soweit verlässliche Daten verfügbar sind – ableiten lässt, wie hoch die „versteckten“ Schulden im Finanzsystem des Landes tatsächlich sein könnten.

Des Weiteren wird die über Jahre erfolgende Emission von sogenannten Chengtou-Anleihen – oder anders ausgedrückt Bauentwicklungsanleihen – ein wenig eingehender beleuchtet (was erst im nächsten Teil dieser Berichtsreihe der Fall sein wird). Wie sieht es zudem an Chinas Unternehmens- und Kommunalbondmärkten aus?

Wenn Ratingagenturen und verschiedene Analysehäuser, wie gestern berichtet, schon zum aktuellen Zeitpunkt vor einem sich weiter abschwächenden Wirtschaftswachstum in China warnen, so empfiehlt es sich, solche Betrachtungspunkte in die eigene Analyse einzubeziehen.

Wenn S&P Global Ratings vorangeht, um die chinesische Wachstumsprognose von ehedem 5,2 auf nur noch 4,8 Prozent für das laufende Jahr zu senken, so lässt dies gewiss aufhorchen.

Denn wenn nach der erfolgten Wiedereröffnung der chinesischen Ökonomie nach den drakonischen Covid-Lockdowns schon jetzt Sand im Wachstumsgetriebe ist, wie wird es dann erst im nächsten Jahr aussehen, wenn nach Deutschland womöglich auch weitere westliche Nationen – einschließlich der USA – offiziell in eine Rezession hineinrutschen werden?

China ist keine Insel – es bestehen enorme Abhängigkeiten

Schließlich ist das Reich der Mitte keine Insel, welche von den Entwicklungen im Rest der Weltwirtschaft abgeschottet ist. Vielmehr sieht sich China, wie auch jedes andere wichtige Industrie- und Schwellenland auf der Welt, in ein nach wie vor ziemlich enges Korsett aus wirtschaftlichen Verflechtungen verstrickt.

Diese wirtschaftlichen Verflechtungen, allen voran Produktionsprozesse und der Aufbau von globalen Liefer-, Transport- und Wertschöpfungsketten fand immerhin über einen Zeitraum der letzten vierzig Jahre statt.

Wer des Glaubens sein mag, dass sich diese Prozesse einfach im Nullkommanichts über Nacht oder innerhalb eines kurzen Zeitraums verändern oder gar rückgängig machen lassen, der dürfte im Verlauf der vergangenen drei Jahre eines Besseren belehrt worden sein.

Seit dem Ausbruch der Covid-Krise steht die Beschaffenheit der aktuellen Wertschöpfungs- und Lieferketten mehr und mehr im Zentrum der Kritik, weil insbesondere die Abhängigkeit der Vereinigten Staaten und weiten Teilen des Rests der Welt von den auf China und Indien fokussierten Produktions- und Dienstleistungsprozessen zutage getreten ist.

Wundern braucht sich hierüber niemand. Denn wer im Lauf von mehr als drei Jahrzehnten weite Teile seiner einst heimischen Produktion nach China und in andere Nationen auf dem asiatischen Kontinent ausgelagert hat, braucht sich heute nicht am Kopf zu kratzen, warum diese Länder nun über das Know-how verfügen, eigene Autos zu bauen, die sowohl in den USA als auch in Europa – wie im Elektrofahrzeugbereich – eine wachsende Anzahl von Käufern finden.

Die westliche Automobilindustrie ist nur ein Teilbereich, der aus Fernost eine wachsende Konkurrenz zuteilwird. Ähnlich sieht es in jener durch die westliche Politik zur Zukunft erklärten Herstellung von grün-alternativen Energieerzeugnissen aus. Hierzu zählen allen voran Solar und Wind. Diese Märkte werden durch China inzwischen dominiert.

Wenn Ärzteverbände und Krankenhäuser in Deutschland wiederholt davor warnen, dass es in bestimmten Medikamentenbereichen zu Knappheiten und Engpässen zu kommen droht, so liegt dies daran, dass die Produktion dieser Arzneien oder deren Inhaltsstoffe hauptsächlich in Indien oder in China stattfindet.

Heißt im Umkehrschluss wie folgt: Würden sich diese Länder im Ernstfall dazu entscheiden, westlichen Importeuren „den Saft abzudrehen“, würden diese immanent wichtigen Produkte nicht mehr im Westen ankommen.

Veränderungen auf der geopolitischen Landkarte

Gesund ist eine solche Abhängigkeit von einem oder zwei großen Lieferanten gewiss nicht. Ich habe diese Zusammenhänge hier einmal angesprochen, da es auch aus anderen Gründen, beispielsweise in Folge eines Finanzerdbebens in der Volksrepublik China, zu einer solchen Situation kommen könnte.

Des Weiteren zeichnen sich Verschiebungen und Veränderungen von Tragweite im Bereich der Geopolitik ab. Wie oft ist plötzlich wieder von neuen Blockbildungen auf der Welt in den Medien die Rede?

Hierbei handelt es sich um ein Thema, welches ich Ihnen seit einigen Jahren in Antizipation von unmittelbar bevorstehenden Veränderungen in diesem Bereich (Stichwort: BRICS und ein Mehr an Multipolarität) näher gebracht hatte.

Einmal mehr sei erwähnt, dass unser System vorwiegend durch Kartelle kontrolliert und zum eigenen Vorteil ausgenutzt wird. Doch schon vor dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine begann sich abzuzeichnen, dass, anders als in den Jahrzehnten nach dem deutschen Mauerfall, einzelne Kartellmitglieder wie Russland – auch gezwungenermaßen – zukünftig wieder ihrer eigenen Wege gehen würden.

Welche geopolitischen Veränderungen hiermit verbunden sind, lässt sich mittlerweile anhand unserer heutigen Situation beobachten. Ich gehe nicht davon aus, dass es hierzu noch eines weiteren Erklärungsbedarfs benötigt.

China hat einen weiten Weg hinter sich – und noch vor sich!

Was den kometenhaften Wirtschafts- und Entwicklungsaufstieg der Volksrepublik China im Zeitraum der vergangenen dreißig bis vierzig Jahre anbelangt, so ist dieser Tatbestand niemandem auf der Welt verborgen geblieben.

Ganz im Gegenteil begannen viele Akteure an den globalen Finanzmärkten dem durch China eingeschlagenen Weg ab einem gewissen Zeitpunkt zu huldigen. Das Reich der Mitte wurde für seine ökonomischen Erfolge bis über den grünen Klee gelobt.

Unerwähnt darf bei aller Kritik an der Kommunistischen Partei Chinas (CCP) nicht bleiben, dass kein Land in der Menschheitshistorie es jemals geschafft hat, in einem vergleichsweise kurzen Zeitraum Hunderte Millionen seiner Staatsbürger aus der absoluten Armut zu befreien, um Massen von Menschen einen Top-Down gesteuerten Wirtschaftsaufstieg zu ermöglichen.

Alles, was unter der Experimentierfreudigkeit des „großen Steuermannes“ Mao falsch zu laufen schien, darunter die unsägliche Kulturrevolution und der todbringende „Sprung nach vorn“, begann sich nach der Westöffnung des Landes und der Staffelübergabe an Deng Xiao Ping zumindest aus ökonomischer Sicht in die richtige Richtung zu bewegen.

Wer sich einstige Reiseberichterstattung eines Peter Scholl-Latour in Erinnerung ruft, wird dessen Beobachtungen und Schilderungen von vor Ort wahrscheinlich nicht vergessen haben.

Wenn sich zum damaligen Zeitpunkt vielerorts beobachten ließ, wie Bauern in Ermangelung eines eigenen Ochsen oder Pferdes die eigene Ehefrau oder die eigenen Kinder vor den Pflug spannten, wird sich an der Ost- und Südküste des Landes anhand von eigenen Beobachtungen darüber gewahr, welch hohen Technisierungsgrad die Land- und Agrarwirtschaft mittlerweile erreicht hat.

In einigen verlassenen Landstrichen und Provinzen mögen sich die Verhältnisse seit damals nicht wesentlich verändert haben. Dies mag auch damit zusammenhängen, da die Landflucht in Richtung von wirtschaftlich aufstrebenden Metropolen und deren Umland im Reich der Mitte über die letzten Jahre gewaltige Ausmaße angenommen hat.

Selbstverständlich hat China angesichts seiner schieren Masse von über 1,3 Milliarden Bürgern einen weiten Weg hinter sich gebracht – und noch vor sich, um auch die letzten rückständigen Winkel des Landes zu modernisieren. Nichtsdestotrotz überwiegt nach einem China-Besuch unter vielen Reisenden das „Wow-Gefühl“.

Wäre der Westen auch nur annähernd auf den Ansturm gefasst?

Abermals sei an dieser Stelle auf Peter Scholl-Latour verwiesen, wenn sich die Dinge um die zwar ökonomische Öffnung und Modernisierung des Landes bei einer trotzdem nach wie vor politisch vorherrschenden Gegebenheit eines kommunistischen Ein-Parteien-Systems, das im Westen (so O-Ton Baerbock) als „Diktatur“ bezeichnet wird, drehen.

Peter Scholl-Latour warf nach Gesprächen mit hochrangigen Regierungsvertretern Chinas einst einmal die Frage in den Raum, was denn geschehen würde, wenn zusätzlich zu einem mehr oder weniger freien Wirtschaftssystem auch eine politisch-gesellschaftliche Öffnung hin zu einem demokratisch-pluralistischen System Einzug hielte im Reich der Mitte.

Die Antwort lautete: „Wäre der Westen in diesem Fall auf Millionen von Chinesen, die sich sofort dorthin auf den Weg machen würden, auch nur annähernd vorbereitet?“

Deutlich wird anhand dieser nachvollziehbaren Gedankengänge, dass es nicht ausreicht, mit einem hohen Grad an Oberflächlichkeit, Vorurteilen und einem Mangel an Wissen auf das dort vorherrschende Polit-System, wie es beispielsweise auf die deutsche Außenministerin zutrifft, zu blicken.

Wenn der Verschuldungsschuh zu drücken beginnt

Die ökonomischen Erfolge der Volksrepublik China hätten sich ohne eine Flut an heimischen und ausländischen Investitionen nicht erreichen lassen. Es darf nicht außer Acht gelassen werden, dass ein guter Teil dieser benötigten Gelder in Form der Verschuldung aufgenommen wurde.

Bei Weitem nicht alle Gelder, die auf diese Weise aufgenommen wurden, sind im Verlauf der letzten Jahre auch in ökonomisch sinnvolle Projekte geflossen. Vielmehr sind die Chinesen für ihren Hang zum Glücksspiel und der Spekulation bekannt. Hierzu gehört unter anderem auch die ausgeuferte Spekulation an den heimischen Immobilienmärkten.

Auch verschwenderische Infrastruktur- und Straßenbauprojekte fallen hierunter. Dies lag vor allem an überambitionierten Lokalregierungen, die ihre selbst gesteckten Wachstumsziele in den vergangenen Jahrzehnten noch zu übertreffen suchten.

Dass ein Teil dieser Projekte mit enormen wirtschaftlichen Risiken verbunden ist, ist nicht erst seit heute bekannt. Ab einem gewissen Zeitpunkt wird sich auch der Verschuldungsgrad per se als ein Problem erweisen, völlig unabhängig von der Qualität der zugrundeliegenden Kredite.

Wie bereits im gestrigen Bericht angesprochen, sieht es in den USA keineswegs besser, sondern, was das rein Finanzielle anbetrifft, noch bei Weitem schlechter aus. Denn in den Vereinigten Staaten schüttet die Bundesregierung mittlerweile zuvor durch die Federal Reserve Bank elektronisch erzeugtes Geld mit der Gießkanne über Unternehmen und privaten Verbrauchern aus.

In diesem Zusammenhang ist stets von „Helikopter-Geld“ die Rede gewesen, das allein im Sinne einer Aufrechterhaltung des Konsums in die Wirtschaft gepumpt wird. Auf der anderen Seite stellen sich „Experten“ auf allen Kanälen tatsächlich die Frage, weswegen die Inflation in den USA außer Kontrolle zu geraten droht.

Selbst wer auf ein qualitativ hochwertiges Vermögensportfolio blickt, wird sich über den Umstand bewusst sein, vor einem möglicherweise einsetzenden Liquiditätsengpass nicht gefeit zu sein.

Angesichts eines Verschuldungsgrads von mehr als dreihundert Prozent in Relation zum Bruttoinlandsprodukt (Staat, Unternehmen und private Haushalte) wird deutlich, dass China seine schnell wachsende Verschuldung – nebst den hiermit verbundenen Auswirkungen – unter Kontrolle bekommen muss.

Immerhin hat sich die kumulierte Verschuldung in Relation zum Bruttoinlandsprodukt im Reich der Mitte in weniger als zwanzig Jahren mehr als verdoppelt. Im Frühjahr dieses Jahres taxierten Schätzungen die chinesische Gesamtverschuldung auf mehr als 150 Billionen Yuan (Renminbi) – oder zum damaligen Wechselkurs auf umgerechnet 23 Billionen US-Dollar!

Es herrscht keinerlei Transparenz vor

Einmal abgesehen von reißerischen Schlagzeilen in westlichen Medien, die ein aufziehendes Armageddon „in Xi Jinpings Wirtschaftsreich“ prognostizieren, entfällt wohl ein Anteil von gut sechzig Prozent in Relation zu diesem Verschuldungsniveau auf indirekte Staatsschulden, die nicht offiziell als Regierungsschulden ausgewiesen werden.

Kritisiert wird vielerorts seit langer Zeit, dass die verantwortlichen Behörden im Reich der Mitte keine ausreichende Transparenz in diesem Bereich walten lassen. Manche Daten sind schlichtweg auch nicht verfügbar.

Im Zentrum dieser Kritik stehen allen voran die chinesischen Lokalregierungen und deren zum Einsatz kommende Finanzierungsvehikel. Aktuelle Schätzungen schreiben diesen Vehikeln eine Verschuldung von sechzig Billionen Yuan (Renminbi) oder umgerechnet neun Billionen US-Dollar zu.

Einzelne Schätzungen weichen aufgrund einer unzureichenden Datenlage voneinander ab, um die Gesamtverschuldung dieser Finanzierungsvehikel auf zwischen sieben und zehn Billionen US-Dollar zu taxieren.

Wie dem letztendlich auch sei, so zeigt sich inzwischen, dass die mit diesen Schätzungen verbundene Unsicherheit sich seit einiger Zeit negativ auf die heimischen und ausländischen Bondmärkte, an denen sich diese staatlichen Finanzierungsvehikel refinanzieren, auswirkt.

Um diese zunehmende Unsicherheit zu adressieren, hat sich die Pekinger Staatsführungen diesen Bedenken angenommen, um mitzuteilen, den exakten Anteil an den nicht offiziell ausgewiesenen Staatsschulden öffentlich machen zu wollen.

Diese Zusammenfassung für CK*Wirtschaftsfacts von Roman Baudzus nimmt unter anderem Bezug auf einen Bericht auf der Seite bloomberg.com.



Dieser Bericht wird in einem dritten Teil fortgesetzt. Ein abschließendes Fazit wird am Ende dieser Berichtsreihe erfolgen.

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