So wurde der federführende Zinssatz (der einwöchige Repo-Zinssatz) um 200 Basispunkte (oder zwei Prozentpunkte) von 15 auf 17 Prozent angehoben, während die Konsensschätzung eine Zinserhöhung um maximal 150 Basispunkte (oder 1,5 Prozentpunkte) vorgesehen hatte. Selbstverständlich öffnete die Entscheidung Tür und Tor für anhaltende Diskussionen.

  

  

Einerseits wurde die Entscheidung der türkischen Zentralbank begrüßt, darauf hinweisend, sich dem mittlerweile in Richtung von fünf Prozent in Relation zum BIP entgegenstrebenden Leistungsbilanzdefizit mittels zusätzlicher Zinserhöhungen entgegenzustemmen, in dem Versuch, den Inflationsdruck in der Heimat wieder besser in den Griff zu bekommen.

Andererseits würgen die Zinsentscheidungen der türkischen Zentralbank die heimische Wirtschaft ab, die ohnehin bereits stark unter ausbleibenden Touristen, Lockdowns, einer anhaltenden Gesundheitskrise und einem hoch verschuldeten Unternehmenssektor leidet.

Neben dem einwöchigen Repo-Zinssatz gab die türkische Zentralbank am vergangenen Donnerstag ebenfalls eine Anhebung des Zinssatzes für Übernachtkredite von 16,5 % auf 18,5 % bekannt. Auch in zwei weiteren Bereichen wurden die Zinssätze um jeweils zwei Prozentpunkte angehoben.

Staatspräsident Erdogan und dessen Berater scheinen in der Zwischenzeit kein Gehör mehr unter den Vertretern der Zentralbank zu finden, nachdem es im Monat November bereits zu einer Zinserhöhung von fünf Prozentpunkten gekommen war, um die Talfahrt der türkischen Lira zu stoppen und die ausufernde Inflation unter Kontrolle zu bekommen.

In der zur neuerlichen Leitzinsanhebung der türkischen Zentralbank veröffentlichten Presseerklärung heißt es unter anderem, dass die Zinsentscheidung insbesondere aus dem Blickwinkel der aktuellen Inflationsentwicklung im Land getroffen worden sei.

Es sei der Notenbank angesichts der getroffenen Entscheidung in erster Linie um eine Eliminierung von Inflationsrisiken, eine Senkung der allgemeinen Inflationserwartungen wie auch die Hoffnung auf eine baldige Wiederbelebung des Disinflationsprozesses gegangen.

Dass die türkische Zentralbank ihren federführenden Leitzinssatz noch ein wenig stärker angehoben hat als unter den Marktteilnehmern im Vorfeld der Entscheidung erwartet, deute unter Bezugnahme auf Analysten darauf hin, dass die Notenbank nicht nur die deutlich zu hohe Inflationsentwicklung adressiere, sondern auch eine Stabilisierung der Lira anstrebe.

Ein Blick auf die Inflationsentwicklung zeigt, dass der türkischen Notenbank kaum etwas anderes übrig zu bleiben scheint als die Zinsen in der Heimat weiter anzuheben, auch wenn es der Regierung von Staatspräsident Erdogan und der türkischen Wirtschaft Schmerzen bereiten wird.

Inflationsdaten für den Monat November zeigten, dass die Preisteuerungen in vielerlei Bereichen teils deutlich höher ausfielen als zuvor angenommen. Einer der Hauptgründe hierfür scheint die an den internationalen Devisenmärkten stark unter Druck stehende Lira zu sein, deren Abwertung vor allem die Preise für Importgüter treibt.

Gleichzeitig kehren die Zinserhöhungen in der Türkei einen Trend um, unter dem die Lira über die letzten Jahre international betrachtet zu einer der bevorzugten Carry-Trade-Währungen aufstieg. Ferner zeigten sich die türkischen Geldhalter und Sparer auch im Monat Dezember nicht dazu bereit, ihre in ausländischen Währungen (wie in US-Dollar oder in Euro gehaltene Ersparnisse) wieder verstärkt in die heimische Währung umzutauschen.

Ganz im Gegenteil legten die auf Basis von ausländischen Währungen gehaltenen Konten bei heimischen Banken im Monat Dezember weiter zu. Seitens der türkischen Zentralbank hieß es ferner, dass die Verschärfung der Kreditbedingungen an den heimischen Märkten solange aufrechterhalten werde, bis einschlägige Indikatoren auf einen permanenten Fall der Inflation in der Heimat hinweisen würden.

  

  

Weitere Zinsanhebungen ließen sich laut Analysten daher keineswegs ausschließen, um wieder Vertrauen in die Stabilität der türkischen Lira zurückzugewinnen und für allgemeine Preisstabilität an den heimischen Märkten zu sorgen. In einer ersten Reaktion schien die getroffene Zinsentscheidung der türkischen Lira gutgetan und Auftrieb gegenüber dem US-Dollar verliehen zu haben.

„Was heißt das für mich konkret!?“

Die Entwicklungen in der Türkei könnten aus Perspektive des Rests der Welt als Blaupause dienen. Wie ein Stein im Außenwert fallende Währungen lassen sich – insbesondere aus Sicht von Schwellenländern – nur solange hinnehmen, bis dies irgendwann einfach nicht mehr möglich sein wird. Auch die westlichen Industrieländer werden – ähnlich wie in den 1970iger Jahren – eine solche Erfahrung machen, falls die Inflation zu galoppieren beginnen sollte.

Mit einem Unterschied: Damals ließen sich die Zinsen, wie in den Vereinigten Staaten, noch auf bis zu zwanzig Prozent anheben. Heutzutage würde die Wirtschaft und viele Unternehmen unter deren astronomischen Schuldenbergen sang- und klanglos zusammenbrechen, falls die Zinsen auch nur auf überschaubare Weise anziehen sollten. In der Türkei werden sich solche Dinge über die kommenden Monate unter aller Voraussicht beobachten lassen. Es gilt also, dort in den nächsten Wochen und Monaten einmal ein wenig genauer hinzuschauen.

Beitrag senden

Drucken mit Kommentaren?



href="javascript:print();"