Es wurde in letzter Zeit häufig darauf verwiesen, dass deutsche Industriefirmen vermehrt dazu Bereitschaft zeigten, aufgrund von günstigeren Energiepreisen in die USA abzuwandern. Wie so oft empfiehlt es sich, die Dinge nicht aus einer zu oberflächlichen oder einseitigen Perspektive heraus zu betrachten.

Die Herausforderungen wachsen

Auch die Energiemärkte in den Vereinigten Staaten blicken laut Energieaufsichtsbehörden und Stromnetzkontrolleuren einer zunehmenden Anzahl von Herausforderungen entgegen. Insbesondere die Produktion von bezahlbarer Energie steht in diesem Zusammenhang im Fokus der Betrachtungen.

Interessant ist, dass die nordamerikanische Regulierer NERC Mitte Dezember einmal mehr vor wachsenden Risiken eines Stromnetzausfalls in den Vereinigten Staaten gewarnt hatte. Laut NERC könnten vor allem Winterstürme und zeitlich anhaltende Kälteperioden eine solche Situation (mit) auslösen.

Bereits zuvor hatte NERC Anfang November einen Bericht veröffentlicht, in dessen Kern eigene Einschätzungen zur nordamerikanischen Energieversorgungssicherheit im Winter 2023/2024 publik gemacht wurden.

Der oben verlinkte Bericht gelangte zum damaligen Zeitpunkt zu dem Fazit, dass ein Großteil der Vereinigten Staaten – vom Bundesstaat Texas bis hinauf zur kanadischen Grenze – nicht adäquat auf harte Winterbedingungen vorbereitet sei. Insbesondere die Energieinfrastruktur des Landes sieht sich hierdurch betroffen.

Kritisiert wurde zudem, dass sich das amerikanische Stromnetz aufgrund eines Mangels an Investitionen und Modernisierungsaktivitäten in einem schlechten Zustand befindet. Es sei aus diesem Grunde nicht verwunderlich, dass sich Stromausfälle im ganzen Land über die letzten Jahre gehäuft haben.

Nach abgegebenen Versprechungen folgen keine Taten

In dem Bericht von NERC heißt es weiter, dass Politiker und andere staatliche Regulierer hierauf zwar wiederholt das Versprechen abgegeben haben, die Probleme beheben zu wollen. Geschehen sei bis dato allerdings nicht genug bis hin zu überhaupt nichts.

In den Wintermonaten der vergangenen Jahre habe sich mehrfach beobachten lassen, wie hin und wieder mehr als zwanzig Prozent der Stromproduktionskapazitäten vom Netz genommen werden mussten, wenn Teile Nordamerikas, die solchen Bedingungen für gewöhnlich nicht ausgesetzt sind, unter eisigen Temperaturen zu leiden hatten.

Wenn es aufgrund von Infrastrukturproblemen zu einem Rückgang des Stromangebots komme, dauere es im Anschluss hierauf nicht lange, bis die Stromnachfrage deutlich zu steigen beginne, wie es in dem Bericht von NERC weiter heißt.

Extreme Wetterverhältnisse bereiten den Regulierern Kopfzerbrechen

Das amerikanische Stromnetz sieht sich traditionell in den Sommermonaten mit den größten Herausforderungen konfrontiert. Doch im Verlauf der letzten Jahre hat sich der Fokus mehr und mehr auf die Wintermonate verlagert.

Hierfür wird eine Reihe von Faktoren verantwortlich gemacht, angesichts derer insbesondere die sich stark verändernden Wetterbedingungen eine Hauptrolle zu spielen scheinen. Extreme Wetterverhältnisse tragen laut NERC dazu bei, die allgemeine Stromversorgungssicherheit in Nordamerika zu gefährden.

Über einen Zeitraum von mehreren Jahrzehnten habe stets die Aufrechterhaltung der Netzstabilität in den Sommermonaten im Zentrum aller Aktivitäten gestanden. Trotz allem mehrten sich die Warnungen vor Beginn des diesjährigen Sommers, wonach bis zu zwei Drittel des amerikanischen Stromnetzes in Hauptnachfragezeiten Blackouts drohen könnten.

Im Februar erteilte die Bundesenergieregulierungskommission (FERC) ihre Genehmigung zur Einführung von neuen Kaltwettersicherheitsstandards im Bereich von Stromgeneratoren. Ein wachsender Druck unter Teilen der Bevölkerung wird für diese Entwicklung wahrscheinlich mit verantwortlich gewesen sein.

Zuletzt kam es nämlich angesichts des Wintersturms Uri im Jahr 2021 zu schwerwiegenden Verwüstungen, Ausfällen der Energie- und Stromversorgung und knapp 250 Todesopfern im Bundesstaat Texas.

Eine durch FERC ins Auge gefasste Anpassung der Energieversorgungssicherheitsstandards an die sich verändernden Winterwetterbedingungen soll den Grundstein für den reibungslosen Weiterbetrieb der Energie- und Stromnetze auch in Extremwetterphasen legen.

Eine lokal auftretende Energieunterversorgung kann angesichts der Beschaffenheit des amerikanischen Stromnetzes auch schwerwiegende Auswirkungen auf andere Regionen des Landes nach sich ziehen.

In dem Bericht von NERC wurde ferner davor gewarnt, dass der Bundesstaat Texas in diesem Winter nochmals höheren Risiken im Hinblick auf die Stromversorgung ausgesetzt sei als im vergangenen Jahr.

Erst kürzlich hatten sich die Wähler des Bundesstaates mit großer Mehrheit zugunsten einer Expansion der Stromproduktion ausgesprochen. Seitens NERC hieß es zuvor, dass Texas nicht genügend neuen Strom ins lokale Netz einspeise, um die tendenziell deutlich steigende Stromnachfrage in den Wintermonaten zu befriedigen.

Allein schon aus diesem Grund müsse im laufenden Winter mit Engpässen, Knappheiten und partiellen Stromausfällen gerechnet werden. Darüber hinaus sei es unerlässlich, die Energie- und Strominfrastruktur möglichst bald an sich ändernde Wetterbedingungen anzupassen.

Den akuten Herausforderungen nicht gewachsen

Nicht nur der Bundesstaat Texas scheint den aktuellen Herausforderungen an den Energie- und Strommärkten nicht gewachsen zu sein. In dem Bericht von NERC wird ebenfalls auf zunehmende Probleme in einem regionalen Netzwerk aufmerksam gemacht, das sich über insgesamt fünfzehn Bundesstaaten von Arkansas bis hinauf nach Wyoming erstreckt.

Kaum über nennenswerte Stromreserven verfügend, wird dieses regionale Stromnetzwerk einen normal verlaufenden Winter ohne größere Probleme überstehen. Doch wehe, wenn es zum Einsetzen von Extremwetterbedingungen in Teilen der Region kommen sollte.

In einem solchen Fall könnte es laut NERC sofort zu Stromengpässen und der Ausrufung eines Notfalls kommen. Schlimmstenfalls drohten Millionen von Menschen in dieser Region von der Stromversorgung gekappt zu werden, was angesichts von vorherigen Erfahrungen in anderen Landesteilen zu einem Ausbruch von Chaos führen könnte.

Trotz eines beschleunigten Genehmigungsverfahrens sehen sich lokale Stromnetzbetreiber laut NERC momentan nicht dazu imstande, ihre Infrastruktur zu verbessern und auszuweiten, um neue Stromproduktionskapazitäten zu erschließen und ans Netz zu bringen.

Während die Stromnachfrage in den Wintermonaten in weiten Teilen der Vereinigten Staaten teils deutlich zunimmt, wächst im Gegensatz hierzu die Netzwerkversorgungssicherheit.

Bei NERC ist man deshalb schon vor geraumer Zeit zu dem Fazit gelangt, die aktuell im Energie- und Stromversorgungsbereich des Landes existierenden Probleme besser nicht auf die leichte Schulter zu nehmen.

Mahnende Stimmen weisen darauf hin, dass die allgemeine Situation sich in den vergangenen Monaten und Jahren nicht verbessert, sondern vielmehr verschlechtert hat. In manchen Stäben der regionalen Stromnetzbetreiber werden daher auch schwerwiegende Netzunterbrechungen keineswegs mehr ausgeschlossen.

Neben extremeren Wetterbedingungen und einer deutlich wachsenden Stromnachfrage zu bestimmten Zeiten wird hierfür auch eine wachsende Abhängigkeit von Erdgas verantwortlich gemacht.

Umweltbehörde EPA im Kreuzfeuer der Kritik

Dass ein Regulierer wie NERC das Unübersehbare offen an- und ausspricht mag sich als ein Fortschritt im Zusammenhang mit der anhaltenden Klimadiskussionen interpretieren lassen. Laut NERC leiteten sich die größten Risiken und Gefahren anhand eines potenziellen Ausfalls von Erdgas- oder Kohlekraftwerken in den Wintermonaten ab.

Seitens NERC wird davor gewarnt, dass es insbesondere eine mangelhafte Wartung von bestehenden Energiekraftwerken nebst zu geringen Investitionen in diesem Sektor seien, welche die Aufrechterhaltung der allgemeinen Energiestabilität gefährdeten.

Aus diesem Grund sollten lokale Netzbetreiber darauf vorbereitet sein, diese Akteure – falls notwendig – zur Verantwortung zu ziehen. Gleichzeitig ruft NERC die Abgeordneten im Washingtoner Kongress dazu auf, landesweit gültige Versorgungssicherheitsstandards zu verabschieden.

Insbesondere die heimische Gasindustrie wäre hiervon hauptsächlich betroffen. Interessant sind auch die jüngsten Warnungen der National Rural Electric Cooperative Association. Danach erweise sich die durch die amerikanische Umweltbehörde (EPA) ins Spiel gebrachte Verschärfung der Treibhausgasemissionen als Bedrohung für die allgemeine Netzstabilität.

Denn von diesen Vorschlägen sehen sich insbesondere durch Kohle, Erdgas und Erdöl befeuerte Kraftwerke im Land betroffen. Ein ohnehin bereits höchst schwankungsanfälliges Stromangebot drohe sich in weiten Teilen des Landes auf diese Weise sogar noch weiter zu vermindern.

Vielerorts werden die durch EPA neu ins Auge gefassten Bestimmungen aus diesem Grund als ungesetzlich, unrealistisch und als nicht erreichbar bezeichnet. Vielmehr drohe es im Land zu wachsenden Risiken und Gefahren im Hinblick auf Energieunterbrechungen zu kommen.

Insbesondere Unternehmen könnten sich die hieraus resultierenden Schwierigkeiten, Probleme und Herausforderungen finanziell oftmals nicht leisten. Ein rückläufiges Stromangebot wird die Strompreise bei tendenziell wachsender Nachfrage nicht nur für Unternehmen, sondern auch für die privaten Haushalte weiter verteuern.

Diese Zusammenfassung für CK*Wirtschaftsfacts von Roman Baudzus nimmt unter anderem Bezug auf einen Bericht auf der Seite der North American Electric Reliability Corporation (NERC).

„Was heißt das für mich konkret!?“ (Roman Baudzus)

Lange Rede, kurzer Sinn: Deutsche Industrieunternehmen sollten angesichts ihrer zunehmenden Abwanderungsgedanken aufpassen, nicht vom Regen in die Traufe zu gelangen.

Beitrag senden

Drucken mit Kommentaren?



href="javascript:print();"