Zum Wochenabschluss steht ein am 26. Mai veröffentlichter Bericht des Internationalen Währungsfonds im Zentrum der heutigen Betrachtungen. Hierbei handelt es sich um das jüngste Staff Concluding Statement zu Einschätzungen der aktuell vorherrschenden Situation in den Vereinigten Staaten von Amerika.

Die Zinsen, nein, es reicht noch nicht…

Erwähnt sei, dass es sich bei diesen spezifischen Länderberichten um Zusammenfassungen und Schlussfolgerungen der durch den Internationalen Währungsfonds in bestimmten Zeitintervallen in die unterschiedlichsten Nationen unserer Erde entsandten Mitarbeiter handelt, die mit dem Ziel einhergehen, den jeweils neuesten Entwicklungen vor Ort auf den Grund gehen.

Hier der Link zum Originalbericht: https://www.imf.org/en/News/Articles/2023/05/26/united-states-of-america-staff-concluding-statement-of-the-2023-article-iv-mission

Es sind summa summarum recht interessante Erkenntnisse, zu denen der Internationale Währungsfonds angesichts seiner jüngsten Mission gelangt ist. In dem Bericht werden die positiven und negativen Entwicklungen vor Ort einleitend gegeneinander abgewogen.

Nach einigen einleitenden Absätzen wird es dann interessant. Denn es heißt, dass es Maßnahmen benötige, die zu einer Verschlechterung des Arbeitsmarktumfeldes in den USA beitragen, um das Ziel des Einschwenkens auf einen nachhaltig disinflationären Trend in der amerikanischen Wirtschaft zu erreichen.

Bislang, so der Internationale Währungsfonds, lässt sich eine solche Entwicklung anhand der zuletzt eingehenden Daten von den Arbeitsmärkten allerdings nicht ablesen. An dieser Stelle empfiehlt es sich, einmal einzuhaken, um diese Sichtweise mit den realen Gegebenheiten in Einklang zu bringen.

Arbeitsmarktberichte – Allein es fehlt der Glaube!

Bereits in einigen der letzten Ausführungen zu den USA wies ich darauf hin, dass die durch das Bureau of Labor Service allmonatlich vermeldeten Arbeitsmarktdaten inzwischen teils massiven Abwärtsrevisionen (in Bezug auf die letzten Monate) unterzogen wurden.

Übersetzt heißt das nichts anderes, als dass die Arbeitsmarktstatistik und die Anzahl der außerhalb der Landwirtschaft neu geschaffenen Stellen jeweils zu Monatsanfang in einem enormen Ausmaß aufgebläht und inflationiert werden (Stichwort: Headline Number und Arbeitslosenquote), um dann Wochen später, wenn niemand mehr hinschaut, einer signifikanten Abwärtsrevision unterzogen zu werden.

Bereits vor einigen Monaten zitierte ich aus den Berichten einer Reihe von regionalen Federal Reserve Banks, in denen eben jene „Anomalien“ ganz klar angesprochen und zum Ausdruck gebracht wurden. Fazit war, dass in den USA in einem der jüngsten Berichtszeiträume etwa eine Millionen weniger neue Stellen geschaffen worden sind als zuvor offiziell ausgewiesen.

Des Weiteren wird nachfolgend ein Blick auf einen Tweet der ehemaligen Kapitalmanagerin Genevieve Roch-Decter geworfen, in dem es zu diesem Thema wie folgt heißt:

Übersetzung: Das US-Arbeitsministerium hat gerade einen Bericht veröffentlicht, aus dem hervorgeht, dass die Stundenlöhne im vierten Quartal (2022) tatsächlich um 0,7 Prozent zurückgegangen sind. Zuvor wurde berichtet, dass die Stundenlöhne im selben Zeitraum um 4,9 Prozent kletterten. Die jetzt vorgenommene Abwärtsrevision erfolgt fünf Monate später.

Selbst einem Laien wird auffallen, dass zwischen einem berichteten Anstieg von 4,9 Prozent und einem tatsächlich erfolgten Rückgang der Stundenlöhne im vierten Quartal ein Graben klafft, der sich mit dem afrikanischen Rift Valley vergleichen lässt.

Noch schwerer wiegt, dass die Federal Reserve Bank einen Teil ihrer Zinsentscheidungen auf die allgemeine Entwicklung an den Arbeitsmärkten und den Entwicklungen im Bereich der bezahlten Stundenlöhne stützt.

Da die amerikanischen Arbeitsmärkte überhaupt nicht so „stark“ sind wie es anhand der offiziellen Arbeitsmarktberichte des Bureau of Labor Service den Eindruck erweckt, stellt sich automatisch die Frage, ob die Federal Reserve Bank ihren Leitzins zuletzt nicht tatsächlich zu aggressiv erhöht haben mag.

Sonderlich schmeichelhaft aus Sicht der politisch und geldpolitisch Verantwortlichen ist die aktuelle Situation auch deshalb nicht, weil die Inflation trotz eines deutlich schwächer als offiziell ausgewiesenen Arbeitsmarktes (inklusive Stundenlöhnen) sich nach wie vor auf hartnäckig hohen Niveaus hält.

Die Schäden werden enorm sein

Um auf den jüngsten Bericht des Internationalen Währungsfonds zurückzukommen, so gelangen die Verfasser zu dem Fazit, dass der Leitzins in den Vereinigten Staaten über einen ausgedehnten Zeitraum auf seinem aktuellen Niveau (5,25 bis 5,50 Prozent) wird verharren müssen, um die Inflation wieder auf den durch die Fed anvisierten Zielsatz von zwei Prozent zu drücken.

Wer die weiter oben getätigten Ausführungen mit einkalkuliert, wird sich in etwa vorstellen können, welche wirtschaftlichen Schäden die aktuellen Zinssätze in den USA verursachen. Nicht nur Regionalbanken, sondern auch kleine und mittelständische Unternehmen sowie eine zunehmende Anzahl der privaten Haushalte werden hierdurch schlichtweg an den finanziellen Rand befördert.

Und nun gesondert hervorgehoben. Der Internationale Währungsfonds gibt die Empfehlung ab, den Leitzins in den Vereinigten Staaten bis Ende des Jahres 2024 auf seinem aktuellen Niveau verharren zu lassen.

So viel dann auch zu den sich mittlerweile tagtäglich verändernden Zinserwartungen an den Finanzmärkten, an denen noch immer davon ausgegangen wird, dass die Federal Reserve Bank ihren Leitzins im zweiten Halbjahr des laufenden Jahres wieder zu senken beginnen wird.

Zugrundeliegende Daten stimmen von hinten bis vorne nicht

In dem Bericht des Internationalen Währungsfonds heißt es hierzu weiter, dass ein solches Modell den Pfad zu einem ausreichenden Rückgang der Konsumnachfrage ebnen würde. Gleichzeitig würde es auf diese Weise zu einer Ausbalancierung der Bedingungen an den amerikanischen Arbeitsmärkten sowie sinkenden Stundenlöhnen und einer rückläufigen Inflation kommen.

Die soeben zitierten Ausführungen hören sich fast danach an, als ob der Internationale Währungsfonds die amerikanische Wirtschaft in Schutt und Asche liegen sehen möchte. Hingewiesen sei hier nochmals darauf, dass von einem Anstieg der Stundenlöhne im vierten Quartal um 4,9 Prozent nur in der Fiktion der Biden-Administration die Rede sein kann.

Der Internationale Währungsfonds nimmt, wie sich zeigt, ebenso wie die Federal Reserve Bank, Bezug auf diese offiziell publizierten Fake-Daten, die dann Monate später auf eine massive Weise jeweils nach unten korrigiert werden.

Wenn die Stundenlöhne laut US-Arbeitsministeriums im vierten Quartal letzten Jahres tatsächlich um 0,7 Prozent gesunken sind, so verschreibt der Internationale Währungsfonds gerade eine Medizin, die den Patienten – und damit die amerikanische Wirtschaft – vollends in den Abgrund zu reißen droht.

Immerhin macht der IWF in seinem Bericht einschränkend darauf aufmerksam, dass dessen zum Einsatz kommendes Modell auf in der Vergangenheit gemachten Erfahrungen basiert, weshalb es sich hierbei um ein keineswegs perfektes Instrument handele, um sich in Bezug auf die aktuellen Gegebenheiten als hochgradig zuverlässiger Taktgeber zu erweisen.

Ankündigungen zu Massenentlassungen nehmen an Fahrt auf

Um ein wenig mehr Realitätssinn Einzug halten zu lassen, sei erwähnt, dass Unternehmen in den USA in den ersten fünf Monaten dieses Jahres 417.500 Mitarbeiterentlassungen bekannt gegeben haben.

Im Vergleich zur Vorjahresperiode handelt es sich aufgrund einer Vervierfachung um eine dramatische Beschleunigung im Bereich der Mitarbeiterentlassungen, wie es gestern in einem durch Bloomberg veröffentlichten Bericht unter Bezugnahme auf Daten des Unternehmens Challenger, Gray & Christmas hieß.

Wie dem auch sei, nichtsdestotrotz drängt der IWF darauf, dass die Zinsen in den Vereinigten Staaten über einen ausgedehnten Zeitraum auf den aktuell hohen Niveaus verharren sollten. Andererseits sollte die Kommunikation des Offenmarktausschusses der Federal Reserve Bank darauf ausgerichtet sein, nicht alles in Stein zu meißeln, sondern die weiteren Schritte in der Geldpolitik von den über die nächsten Wochen und Monate eingehenden Daten mit abhängig zu machen.

Ferner gelangt der IWF zu dem Fazit, dass es sich im Hinblick auf eine widerstandsfähige Wirtschaft und eine robuste Lage an den amerikanischen Arbeitsmärkten um eine positive Entwicklung handele.

Um an dieser Stelle einmal einzuhaken, wird zum einen vollkommen ignoriert, dass sich weder die amerikanische Wirtschaft noch die heimischen Arbeitsmärkte als so robust erweisen, wie es in den Annahmen des IWF zugrundegelegt wird.

Andererseits spricht der IWF in diesem Zusammenhang über „eine gute Entwicklung“, während zuvor darauf aufmerksam gemacht wurde, dass eine Abkühlung der Wirtschaft, eine Schwächung der Arbeitsmärkte und rückläufige Stundenlöhne Grundvoraussetzung dafür sein werden, um den Zug wieder auf das Gleis eines disinflationären Trends zu setzen.

In diesem Sinne führt die Fed also einen geldpolitischen Kampf gegen Kleinunternehmen, Mittelständler, Regionalbanken und die privaten Haushalte, um einerseits den allgemeinen Konsum zu drosseln wie auch die Kreditvergabe der Banken zu minimieren.

Zusätzlicher Liquiditätsentzug zeichnet sich ab – Zinsen sollen trotzdem weiter angehoben werden

Hinzu gesellt sich die Tatsache, dass nach der Einigung in Bezug auf eine Anhebung der Schuldenobergrenze in den nächsten Tagen und Wochen davon auszugehen ist, dass die Emissionsaktivitäten des US-Finanzministeriums im Staatsanleihebereich massiv zunehmen werden. Auf diese Weise wird den heimischen Finanzmärkten – neben dem sich fortsetzenden Abbau des Fed-Bondportfolios (QT) – zusätzlich Liquidität entzogen.

Doch all diese Entwicklungen scheinen aus Sicht des IWFs noch immer nicht auszureichen, wenn darauf hingewiesen wird, dass die Zinsen in den USA trotz ihrer aktuell erreichten Niveaus womöglich weiter angehoben werden müssen, um die Inflation in den USA unter Kontrolle zu bekommen und wieder in Richtung von zwei Prozent pro Jahr zu drosseln.

Mit einer der Gründe leite sich anhand der Tatsache ab, dass ein großer Anteil der sowohl im Unternehmenssektor wie auch unter Privathaushalten vergebenen Darlehen neben fixen Zinssätzen auch mit langen Laufzeiten versehen sei. Völlig außer Acht wird dabei die enorme Welle an Refinanzierungen gelassen, die innerhalb der nächsten drei Jahre auf die Akteure an den gewerblichen Immobilienmärkten zukommt.

Trotz allem gelangt der IWF zu dem Schluss, dass die aktuelle Lage unter Unternehmen und Privathaushalten zurzeit weniger zinssensitiv als in vergangenen Perioden, in denen die US-Geldpolitik verschärft worden ist, sei. Und aus eben jenem Umstand leiteten sich materielle Risiken ab, da die Federal Reserve Bank ihren Leitzins noch auf eine weit signifikantere Weise wird anheben müssen, um das eigens gesetzte Inflationsziel von 2 Prozent pro Jahr zu erreichen.

Wenn die höheren Zinsen mit einem gewissen Zeitverzug erst einmal in der Wirtschaft angekommen sein werden, sei mit dem Einsetzen einer Rezession in den Vereinigten Staaten (wahrscheinlich im Jahr 2024) z rechnen.

Auch an dieser Stelle soll kurz eingehakt werden, um darauf hinzuweisen, dass einschlägige Wirtschaft- und Konjunkturindikatoren schon zum aktuellen Zeitpunkt auf eine Rezession in der amerikanischen Wirtschaft schließen lassen, zumal die Lage an den Arbeitsmärkten, wie weiter oben skizziert, keineswegs so robust ist, wie im Bericht des IWF zugrundegelegt.

Wie dem auch sei, so warnt der IWF davor, dass eine Kombination aus noch höheren Zinsen in den USA, einem im Außenwert anziehenden US-Dollar sowie einem scharfen Rückgang der amerikanischen Wirtschaftsaktivitäten mit signifikanten Ansteckungseffekten im makro-finanziellen Bereich im Rest der Welt einhergehen würde.

Diese Zusammenfassung für CK*Wirtschaftsfacts von Roman Baudzus nimmt Bezug auf einen durch den Internationalen Währungsfonds in der vergangenen Woche publizierten Bericht zur Geldpolitik und der ökonomischen Entwicklung in den USA.


Dieser Bericht wird in der nächsten Woche fortgesetzt.

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