Die Nachrichtenlage um das deutsche Traditionskonglomerat rissen zuletzt nicht ab. Immer wenn die Politik beginnt, sich in die Aktivitäten der Börsianer und den damit im Zusammenhang stehenden Ereignissen rund um Veränderungen im Unternehmen einzumischen, ist Vorsicht das Gebot der Stunde.

Vorsicht, weil zunächst Ungewissheit einkehrt und politische Einflussfaktoren nur schwerlich einen aussagekräftigen Platz im Bewertungsmodell finden. Vorsicht ist aber auch deshalb geboten, weil zittrige Hände, die aufgrund zunehmender Unsicherheit verkaufen, Opportunitäten für die Hartgesottenen schaffen können. Nicht wenige (Hedge-)Fondsmanager agieren genau so, graben dort Möglichkeiten aus, wo andere nur Gefahren sehen und versuchen von Interessen anderer zu profitieren.

Zunächst aber ein Blick zurück – Was war passiert?

Das Konglomerat, welches sein Geld mit dem klassischen Stahlgeschäft (20%), dem Bereich Fahrstühle und Rolltreppen (18%) aber mit auch darüber hinausgehenden technologischen Anwendungen und Industrielösungen (30%) sowie vor allem mit attraktiven wiederkehrenden Servicedienstleistungen (32%) verdient und sich dabei international aufstellt (Deutschland 29%, USA, 19%, China 7%), war in mehr als unruhige Fahrwasser geraten.

Unter anderem aufgrund von massiven Fehlinvestitionen und den dadurch entstandenen Finanzverbindlichkeiten wurden die Schulden erdrückend. Größenwahn war einmal mehr der Grund für diese Entwicklung. Ende 2017 hat der Essener Konzern bei einem Umsatz von 41,67 Mrd. EUR und einem Enterprise Value (EV) von 18,4 Mrd. EUR eine Verschuldung von über acht Mrd. Euro aufgewiesen. In den vergangenen zehn Jahren hat man nur zwei Jahre (2015 & 2016) gehabt, in denen der freie Cashflow leicht positiv war. Der Konzern verbrannte also zunehmend Geld.

So war es nicht verwunderlich, dass in der Schublade immer wieder Pläne lagen, wie man gerade das Stahlgeschäft vom lukrativeren Rest des Unternehmens trennen könne. Fusionen, Abspaltungen oder auch Verkäufe gehen daher seit 2015 durchs Land.

Nun jedoch hat man sich zu einer Fusion zu gleichen Teilen (50/50) mit der indischen Tata Steel Group entschieden. Endlich waren die Verhandlungen abgeschlossen und mit viel Unruhe durch Gewerkschaften, Medien und Politik will man eine Marktmacht in Europa aufbauen, die auch den Schwankungen des volatilen Stahlgeschäfts etwas entgegensetzen kann.

Arcelor und Mittal haben es 2006 ähnlich praktiziert und geben ein Beispiel. Nun müssen nur noch EU und Kartellbehörden alles durchwinken. 2019 könnte man starten und natürlich sind Kosteneinsparungen dann ganz oben auf der Liste. Ein Schelm wer Böses dabei denkt.

Diese Unruhen haben letztendlich auch dazu geführt, dass der ehemalige CEO Heinrich Hiesinger seinen Platz räumt. Man sieht also, welche Macht Investoren ausüben können, wenn sie nur genügend Aktien halten und mit den Plänen nicht einverstanden sind.

Zur Aktie

Den Aktienkurs haben diese Kapriolen nicht unbeeindruckt gelassen. Während der DAX in den vergangenen fünf Jahren jährlich um über 9,6% zulegte, schaffte ThyssenKrupp „lediglich“ 6,2% p.a. Auf Ein-Jahressicht, sprich in der heißen Phase der Fusion und den skizzierten Folgen, verlor ThyssenKrupp sogar 8,41%, während der DAX um 5,5% zulegte.

Hedgefondsmanager ist dabei

Einer der eingangs beschriebenen Profiteure ist Paul Singer. Der US-Hedgefondsmanager verfolgt einen, wie ich persönlich finde, spannenden wenngleich oftmals auch fragwürdigen Anlagestil. Sobald er eine Übernahme, Zerschlagung oder Abspaltung riecht, schlägt er zu und kauft massiv Aktien auf. Mit massiv sind hier Anteile von 5-10% gemeint, was im Rahmen einer klassischen Aktionärsstruktur bereits ein großer Batzen ist.

Bekannt ist der alternative Investor (alternativ aufgrund der Strategie und alternativen Renditekomponenten) auch wegen der aggressiven Vorgehensweise. Der Rücktritt Hiesingers kann zu einem Teil sicherlich auf Elliott zurückgeführt werden. Erst vor kurzem hat der Hedgefonds den Druck erneut erhöht und von viel Potential gesprochen, dass der Konzern einfach nicht ausschöpft. Ein direkter Affront gegen das Management.

Mit AQR Capital und Marshall Wace sind auch zwei bekannte Leerverkäufer in der Aktie aktiv. Es ist also durchaus wichtig zu wissen, dass man sich als Investor zwischen die Fronten einer Restrukturierung, Fusion, den Machtspielen von Management, Aufsichtsrat und Hedgefonds begibt. Für ruhige Nächte dürfte ein Investment daher nicht sorgen.

Bewertung – Die Summe aller Teile

Ein aktueller Aktienkurs von 22,18 EUR stellt im Rahmen der üblichen Bewertungskennzahlen ein fair bewertetes Unternehmen da. Das EV/EBITDA von TK liegt bei 5,8x, der Branchendurchschnitt bei 5,9x und der historische Durchschnitt (so wie die Börse TK in der Vergangenheit bewertet hat) bei nur 5,3x. Ein ähnliches Bild liefert das KGV, welches bei 12,7x liegt. Der Durchschnitt der Branche liegt hier bei 11,0x und der Historie bei 10,0x.

Eine Berechnung (so etwas werden wir hier in Zukunft ausführlicher darstellen), welche alle Einheiten für sich bewertet, ergibt einen derzeitigen fairen Preis von ca. 28 Euro. Damit wäre TK deutlich unterbewertet und genau dies ist der Anknüpfungspunkt auf den aktivistischen Investoren setzen.

Dabei nehmen diese jede Abteilung mit ihren individuellen Kennzahlen zu Umsatz, Rendite und Assets für sich und summieren diese dann am Ende. Dies ist auch der Grund, warum immer wieder auch das Wort Zerschlagung durch die Medien rumorte, wenngleich die „Heuschrecken“ dies leugnen.

Der Ausblick auf Umsatz und Rendite zeigt hingegen, dass Analysten weiterhin an das erfolgreiche Fortbestehen glauben:

Unterm Strich

Worauf müssen interessierte Anleger hier also achten? Es dürfte unruhig bleiben und die vielen Stakeholder über Gewerkschaften, Hedgefonds, Aufsichtsräte und auch die Politik wollen ein Wort mitreden. Abschließend sorgt die US-Administration rund um Handelszölle, bei denen auch Stahl im Fokus steht, für Unruhe. Ein fundamental geprägtes Investment, das einen ruhigen Schlaf garantiert, ist dies derzeit also nichts.

Fundamental sprechen einige Aspekte eine negative Sprache:

  • Der freie Cashflow wird negativ bleiben

  • In Q3 sollen neue Zielvorgaben gemacht werden. Dies zeigt Unruhe und Platz für Überraschungen

  • Die Bewertung des Kapitalmarktes erscheint fair, wenngleich eine eher unwahrscheinliche Zerschlagung einen höheren Preis rechtfertigen würde

  • Der Bereich Industrielösungen wird in Q3 ein negatives operatives Einkommen berichten. Grund dafür sind höhere Kosten. Grund hierfür sind wiederum vor allem Fehler im Projektmanagement, sprich vermeidbare Fehler.

  • Auch ein Marine-Projekt in der Türkei, eine Industrieanlage in Saudi-Arabien und eine Biogasanlage in Australien haben höhere Kosten verursacht als erwartet.

Aktuell bewegt sich die Aktie in einem Korridor zwischen 21 und 24 Euro. Bei 28 Euro könnte ein fairer Wert liegen, jedoch ist bekannt, dass der Kapitalmarkt selten Fairness und Rationalität, sondern oftmals Fantasie und Gerüchten folgt. Ich persönlich sehe Chancen, wenn endlich wieder Ruhe einkehrt.

Zudem hat vor allem der sehr präsente Hedgefonds Elliott ein Interesse an steigenden Kursen. Ruhe könnte dann wieder fundamental geprägte Anleger anlocken, bis dahin dürfte es aber noch etwas dauern. Man kann hier opportunistisch agieren, sollte die Story jedoch weiterhin eng beobachten und sich des Risikos bewusst sein. Für mich überwiegen derzeit und auf dem aktuellen Kursniveau die Chancen die Risiken, jedoch geht Rendite hier wie immer Hand in Hand mit den Gefahren.

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