Geschäftsmodell und Absatzmärkte

Wie im letzten Beitrag geschrieben, folgen Aktienkurse auf lange Sicht stets der Gewinnentwicklung des zugrundeliegenden Unternehmens. Auf kurze Sicht hat jedoch das Sentiment die Macht über die Kurse, welche von Angst und Gier nach unten oder oben gezogen werden.

So sehr man diese Kurzsichtigkeit bejammern kann. Im Grunde stellt diese den idealen Nährboden für den Anlageerfolg von langfristig agierenden und kühl rechnenden Investoren dar.

Diese Kurzsichtigkeit bzw. ein komplett gecrashtes Anlegersentiment hat auch unseren heutigen Analysekandidaten ResMed zuletzt in die Knie gezwungen. Dazu später mehr.

ResMed ist ein Hersteller von medizinischem Equipment und den dazu passenden Softwarelösungen (u.a. Monitoring, Datenauswertung). Das Kernangebot umfasst mobile Beatmungsgeräte für zu Hause. Diese finden Anwendung bei Patienten mit Schlafapnoe, einer Krankheit, bei welcher die Atmung während des Schlafs regelmäßig kurzzeitig aussetzt.

Hierbei sorgen die sogenannten CPAP-Geräte über eine während des Schlafs angelegte Maske für einen Überdruck, wodurch die Atemwege offengehalten werden. Mit einer eigens entwickelten Unterkieferschiene ‚Narval‘ werden Patienten behandelt, die nicht mit den CPAP-Lösungen zurecht kommen.

Da die Krankheit einen regelrechten Rattenschwanz an weiteren Erkrankungen (Schlaganfälle, Herzerkrankungen, Depressionen) herbeiführen kann, hat die öffentliche Hand großes Interesse daran, die Lösungen von ResMed zu bezuschussen. Auch bei Patienten mit Raucherlungen und Asthma werden die Geräte verwendet.

Zwei Drittel des Umsatzes werden im heimischen US-Markt erzielt, der Rest entfällt auf internationale Märkte. Der Markt für Schlafapnoe-Geräte ist Berichten zufolge 4,2 Milliarden Dollar schwer. Falls dies korrekt ist, sollte ResMed den Großteil des Marktes beherrschen. Schützenhilfe gab es hier vom engsten Konkurrenten Philips, welcher sich nach wie vor mit Rückrufaktionen und Gerichtsprozessen in Zusammenhang mit offenbar fehlerhaften Geräten konfrontiert sieht.

Michael Farrell – seit 2000 bei ResMed - steht dem Unternehmen als CEO vor, Brett Sandercock – seit 1998 dabei - als Finanzvorstand.

 

 

Quelle: terminal.stock3.com

Der jüngste Abverkauf war brachial und die Aktie wirkt weiterhin wie ein fallendes Messer. Mit dynamischen Anstiegen gefolgt von korrektiven Rücksetzern kann uns die Aktie vom Gegenteil überzeugen. Bei Kursen über 167 Dollar würde sich das Bild aufhellen. Auf der Oberseite liegen bei 190 Dollar sowie im gelb eingefärbten Bereich des Kurs-Gaps zwischen 200 und 220 Dollar hartnäckige Widerstände.

Wird das Tief bei 136,50 USD unterschritten, droht ein Abverkauf in Richtung 110 Dollar.

 

Quelle: terminal.stock3.com

Die Aktie konnte sich am 61er Retracement fangen und im übergeordneten Bild ist der Aufwärtstrend weiterhin intakt. Dafür sollte die Aktie jedoch nicht mehr unter das Corona-Tief bei rund 109 Dollar rutschen.

 

Bewertung

Quelle: sentieo.com (interaktiver Chart)

Der alltägliche Börsenwahnsinn in Reinform. Bis Ende 2021 wurde die Aktie nach oben gekauft als gäbe es kein Morgen mehr. Der Kurs stieg schneller als die zugrundeliegenden Fundamentaldaten, was zu einer deutlichen Bewertungsausweitung geführt hat. Hierbei spricht man von einer sogenannten ‚multiple expansion‘.

Auf die Übertreibung zur Oberseite folgte wie so oft eine ebenso starke Übertreibung zur Unterseite. Denn den 17-prozentigen Abverkauf nach den Q4-Zahlen Anfang August mit den geringfügigen Umsatz- und Gewinnverfehlungen zu erklären, erscheint mir ambitioniert.

Die Aktie liegt dadurch inzwischen wieder unterhalb des langfristigen KGV-Schnitts. Anhand der realistischen Gewinnschätzungen für das Jahr 2024 würde sich das KGV auf 18,9 vergünstigen.

Neben der Bereinigung der zu hohen KGVs war ein weiterer Grund für die schwache Kursentwicklung die Angst vor einbrechenden Umsätzen durch den Siegeszug der Medikamente zur Gewichtsabnahme von Novo Nordisk und Elli Lilly.

Menschen mit Übergewicht haben ein höheres Risiko, an Schlafapnoe zu erkranken. Die vom Markt aufgestellte Logik lautet: Weniger Übergewichtige, weniger potenzielle Patienten für ResMed. In meinen Augen scheint diese Sorge zwar berechtigt, und man sollte die künftige Umsatzentwicklung im Auge behalten. Der dadurch ausgelöste Abverkauf scheint mir aber übertrieben. Denn viele Regierungen sowie Krankenkassen weigern sich, die teuren Behandlungskosten (teilweise 1.000 Dollar pro Monat) für die Abnehmspritzen zu übernehmen.

Die Dividenden werden kontinuierlich angehoben, die Ausschüttungsquote bietet Raum für überproportionale Steigerungen. Zu einem Dividendenchampion wird die Aktie dadurch zwar nicht, zum regelmäßigen Zubrot sagen wir aber natürlich nicht Nein

Bilanz und Verschuldung

Gefühlt kauft jeder US-Konzern, der halbwegs stabile Cashflows vorweist, eigene Aktien zurück. Nicht so bei ResMed. Und das ist auch gut so. Denn der Konzern behält seine Mittel lieber ein, um diese für Zukäufe zu nutzen, mit welchen man sein Geschäftsmodell breiter aufstellen kann.

So hat man sich zuletzt mit dem Kauf der deutschen MediFox Gmbh für eine knappe Milliarde Dollar software-technisch breiter aufgestellt. 2018 kaufte man MatrixCare für 750, 2016 Brightree für 800 Millionen Dollar – beide ebenfalls Software-Häuser, mithilfe derer man Software-Abo-Modelle vorantreibt.

Da man sich bei den Kaufpreisen nicht übernimmt, zeigt sich auch die Bilanz von ihrer besten Seite. Die Schulden hat man im Griff, der Eigenkapitalaufbau kommt sehr gut voran.

Profitabilität

Die Nettomarge schwankt in den letzten Jahren rund um die 20-Prozent-Marke. Für die Healthcare-Branche sind derart hohe Margen nicht untypisch. Der Markteintritt ist aufgrund strenger Regulierung schwierig, zeitaufwändig und kostenintensiv. Man denke hierbei an die erforderlichen Testphasen für neue Geräte, welche viel Geld kosten, jedoch nötig sind, um Regulierer zur Zulassung zu bewegen.

Wer dieses Unterfangen auf sich nimmt und Erfolg damit hat, kann dementsprechend hohe Preise für seine Gerätschaften verlangen.

Als uneingeschränkter Marktführer besitzt man zudem eine enorme Preissetzungsmacht. Das Management hat auch ganz klar unterstrichen, dass man auch künftig eine selbstbewusste Preispolitik fahren wird, sogar nach einer Rückkehr von Philips.

 

Die freie Cashflow-Marge war zuletzt rückläufig. Der Grund dafür liegt in der deutlichen Lageraufstockung. Vor allem, da man aus Angst vor anhaltenden Lieferengpässen Basiskomponenten wie Chips gehamstert hat. Die Lieferketten haben sich inzwischen jedoch wieder entspannt, wodurch dieser Effekt nun abklingen sollte. Die FCF-Marge sollte also wieder zu alter Stärke finden.

 

Die hohe Profitabilität münzt sich in beeindruckende Kapitalrenditen um. So liegt die Eigenkapitalrendite bei rund 22 Prozent. Das beweist, dass das Unternehmen sehr effizient mit dem zur Verfügung stehenden Kapital wirtschaftet. Nachhaltig hohe Kapitalrenditen sind einer der wichtigsten Faktoren für langfristige Outperformer-Aktien.

Wachstum

Wie an der Schnur gezogen zieht das Wachstum an. Ab 2021 legte das Unternehmen noch einmal eine Schippe drauf. Das lag aber vor allem am Ausrutscher beim Konkurrenten Philips. Eine Rückkehr von Philips in den Markt könnte bevorstehen. Allerdings ist es ungewiss, ob das Unternehmen jemals wieder an die alten Marktanteile anknüpfen können wird.

An und für sich wächst der Markt pro Jahr im mittleren bis hohen einstelligen Bereich. Unterstützend wirkt hier der demografische Trend. Damit ist mehr als genug Potenzial vorhanden, damit ResMed auch künftig weiterhin stabil wachsen kann.

Pro Gerät verdient man rund 1.000 Dollar. Dieses stellt jedoch nur die Basis für weitere Umsätze dar. Denn die für die Geräte nötigen Atemmasken müssen aus Hygienegründen drei- bis viermal pro Jahr ausgetauscht werden. Das macht noch einmal durchschnittlich rund 80 Dollar pro Maske, welche zum Umsatzwachstum beitragen. Das sorgt bei ResMed für zusätzliches Wachstum.

Eigenen Angaben zufolge hätten 1,6 Mrd Menschen weltweit Bedarf nach einem Beatmungsgerät von ResMed, davon 936 Millionen Patienten mit Schlafapnoe, 380 Millionen mit einer Raucherlunge sowie 330 Millionen Asthmatiker. Da von den 936 Millionen Apnoe-Patienten anscheinend 80 Prozent gar nicht diagnostiziert sein sollen, besteht also weiterhin großes Potenzial.

Die Erweiterung der Softwareangebote hilft zusätzlich beim Wachstum. Durch die so gesammelten Daten kann man zudem an seinen Lösungen feilen, was wiederum die Grundlage für neue Produkte und einen auch langfristig geschäftlichen Erfolg darstellt.

Konkurrenz

Der Hauptkonkurrent Philips hat sich selbst ins Abseits geschossen. Die noch verbliebenen Konkurrenten im Markt sind wesentlich kleiner als ResMed und besitzen nicht die Skalierungsvorteile der US-Amerikaner.

Risiken

Wie bereits bei Philips gesehen stellen Rückrufaktionen ein ernstzunehmendes Eventrisiko dar. Da ResMed mehr oder weniger ausschließlich von zwei Produkten (Geräte und Masken) abhängig ist, besteht hier ein großes Konzentrationsrisiko.

Porter’s Five Forces

Neue Konkurrenz ist nicht zu erwarten. Dafür sind die Marktanteile von ResMed einfach zu groß. Zudem müsste ein Neuling erst einmal eigene Gerätschaften einen langwierigen Genehmigungsprozess durchlaufen lassen.

Eine Rückkehr von Philips auf den Markt könnte perspektivisch auf das Wachstum bei ResMed drücken. Dies wird im Faktor Branche abgebildet.

Das Substitutionsrisiko entsteht durch das Risiko von fehlerhaften Produkten bzw. Rückholaktionen sowie Strafen durch Regulierungsbehörden.

Die Abnehmer haben keine Macht. Krankenversicherer setzen bewusst auf den größten Hersteller, da von diesen faire Preise sowie große Stückzahlen geboten werden können. Zudem beugen die Lösungen von ResMed wesentlich teureren Folgeerkrankungen vor.

Die Lieferantenkomponente wird mit einem Punkt versehen. ResMed war von den Lieferkettenproblemen direkt betroffen. So schnell werden sich diese zwar nicht wiederholen. Es hat sich aber gezeigt, dass das Unternehmen abhängig von Lieferanten bzw. einer robusten Logistik ist.

Der Abverkauf scheint übertrieben und sentiment-getrieben, die Aktie ist ein klarer Kauf. Das Thema der Eventrisiken darf bei stark spezialisierten Konzernen wie ResMed jedoch nicht unterschätzt werden. Bei der Depotgewichtung sollte dies berücksichtig werden.

 

Herzlichst

Ihr

Christof von Wenzl

 

Quellen: sentieo.com, www.resmed.com, terminal.stock3.com, www.fiercebiotech.com/medtech/fda-collects-another-6000-complaints-including-40-deaths-linked-philips-cpap-recall

Alle Kennzahlen wurden – sofern nicht anders erwähnt - auf Sicht der letzten vier verfügbaren Quartale berechnet.

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