Hätte diese Person auch noch behauptet, dass griechische Staatsanleihen aufgewertet und USA-Anleihen abgewertet werden, wären Angebote für einen Job als Stand-Up-Comedian nicht unwahrscheinlich gewesen.

Kein Ramsch-Niveau mehr

Durch die Aufwertung der griechischen Staatsanleihen durch die deutsche Ratingagentur Scope haben griechische Staatsanleihen kein Ramschniveau mehr. Es gilt als sicher, dass auch die großen Ratingagenturen folgen werden. Die Börse in Athen boomt wie seit 15 Jahren nicht mehr.

Vor dem Krieg in der Ukraine, 2021, wuchs die griechische Wirtschaft um acht Prozent, im ersten Kriegsjahr 2022 waren es sechs Prozent. Für das laufende Jahr wird ein Wachstum von mehr als zwei Prozent prognostiziert. Die Staatsschulden hatten 2020 den bedenklichen Wert von 200 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erreicht. Mit einem rekordverdächtigen Schuldenabbau wurde der Schuldenstand auf 171 Prozent gedrückt.

Bei den Staatsanleihen steht Hellas wegen der Pleite relativ gut da

Aufgrund der Umstrukturierung der griechischen Schulden in den letzten zwölf Jahren hat Griechenland im internationalen Vergleich eher einen geringen Bedarf an Refinanzierungskrediten. Das nationale Kreditprogramm für 2024 sieht die Ausgabe von Anleihen von weniger als sieben bis acht Milliarden Euro vor. Bis Ende 2024 sollen zudem die erst 2025 fälligen Raten der bilateralen Kredite von EU-Partnerstaaten aus dem Rettungsprogramm abbezahlt werden.

Aufgrund der begrenzten Refinanzierung, der Swaps – aus denen die Organisation für Staatsfinanzen aufgrund der Zinserhöhung nun Gewinne einstreicht – ist Griechenland nicht von „teurem Geld“ der EZB-Zinsrally betroffen. Der Kapitalbedarf für Zinsen im Staatshaushalt steht vergleichsweise stabil bei rund fünf Milliarden Euro. Das senkt den Schuldenstand weiter. Demnach könnte 2024 die Schuldenquote auf knapp 150 Prozent des BIP sinken und Griechenland wäre nicht mehr europäischer Schuldenmeister.

Das von der SYRIZA-Vorgängerregierung durch massive Steuererhöhungen geschaffene Liquiditätspolster bleibt mit rund 36 bis 37 Milliarden Euro auf einem hohen Niveau. Die vorzeitige Rückzahlung von Kreditraten aus dem Rettungsprogramm werden es bis Ende 2023 nicht unter 31 Milliarden Euro fallen lassen.

Griechenland gehört zu den Ländern mit der höchsten Liquiditätsquote im Verhältnis zu seinem Bruttoinlandsprodukt. Die Pleite hat die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass Griechenland in der aktuellen Krise besser dasteht als andere EU-Staaten.

Deutschland in der Rezession und Griechenland im Aufwind? Wie ist das möglich? Um es als Spoiler vorwegzunehmen, der Schlüssel liegt außer in der Staatspleite auch bei der Politik, konkreter, bei der Vermittlung des Gefühls wirtschaftlicher Sicherheit durch die Regierung.

Boomender Geschäftsklimaindex

Das IFO-Institut vermeldete am 25. Juli einen neuen Tiefstand des Geschäftsklimaindexes. Magere 87,3 Punkte stehen zu Buche. Eine Woche später vermeldete das analoge griechische Institut IOVE mit 111,1 Punkten einen neuen Rekordwert, der den bereits hohen Wert von 110,1 Punkten des Vormonats toppt.

Dabei verweist das Wirtschaftsinstitut in Griechenland auf die gleichen Probleme, die auch die deutsche Wirtschaft beschäftigen. Die Industrieproduktion ist krisenbedingt leicht rückläufig. „Gleichzeitig sollten importierte Krisen und Unruhen im wichtigsten europäischen Umfeld nicht ausgeschlossen werden, und es ist von entscheidender Bedeutung, dass das Land ihnen aus der bestmöglichen Position begegnet. Daher werden die von der neuen Regierung gesetzten Prioritäten eine entscheidende Rolle für die Richtung der Wirtschaft in den vier Jahren spielen“, heißt es.

Die Experten von IOVE befanden jedoch auch, dass „die negativen Prognosen der privaten Haushalte für die Wirtschaftslage im Land sowie die entsprechenden Prognosen für die eigene Wirtschaftslage“ deutlich zurückgingen, bemerkten jedoch, dass sich die Prognosen für die größeren Einkäufe und Sparabsichten abschwächten. Griechenland leidet ebenso wie Deutschland unter steigenden Energiepreisen und einer galoppierenden Inflation.

Ärmere Verbraucher – bessere Aussichten?

Besonders aufschlussreich für die Lage der griechischen Verbraucher ist ein Blick in eine Tabelle der zehn Staaten mit den höchsten Spritpreisen (Daten von Globalpetrolprices.com und Numbeo.com / Stand 7. August 2023).

Die griechischen Verbraucher können sich von ihrem Monatslohn nur knapp die Hälfte des Benzins leisten, dass sich Italiener kaufen könnten. Die Dänen könnten theoretisch fast viermal so viel Sprit einkaufen wie die Griechen. Warum also sollten die griechischen Verbraucher, deren Kaufkraft im europäischen Vergleich um einen Platz gesunken ist, positiv in die Zukunft blicken?

Sie bekommen von der konservativen und wirtschaftsliberalen Regierung vermittelt, dass man sich um sie bemüht. Die Bemühungen bestehen in Lippenbekenntnissen von Premier Kyriakos Mitsotakis, aber auch in Geldgaben. Es gibt „Market-Pass“ genannte Vouchers, mit denen die Hellenen über ihre Steuernummer Geld vom Staat für die gestiegenen Lebensmittelpreise erhalten können.

Die Antragstellung läuft über das elektronische Konto beim Finanzamt. „Fuel-Pass“ bringt geringe Rabatte beim Sprit. Der „Haushaltskorb“, eine konzertierte Aktion mit den großen Supermarktketten, garantiert im Vorfeld kalkulierbare Preise für den Einkauf des täglichen Bedarfs. Pünktlich zum Schulanfang gibt es einen „Schulkorb“, das heißt konkret, dass die Ladengeschäfte ein Paket für den gewöhnlich anfallenden Bedarf an Heften, Stiften, Taschen, Büchern usw. für die Schüler zusammenstellen und den Preis auf einer Vergleichsseite des Wirtschaftsministeriums angeben müssen.

Sowohl für den Haushaltskorb, als auch für den Schulkorb ist vorgesehen, dass es sich nicht ausschließlich um Hausprodukte der Handelsketten handeln soll, sondern dass auch Markenware im Korb sein muss.

Nüchtern betrachtet sind die Geldgaben des Staats überschaubar und keineswegs vergleichbar mit dem deutschen Bürgergeld oder Wohngeld. Letzteres gibt es neuerdings für einen besonders bedürftigen Personenkreis auch in Griechenland, wenngleich hier wieder erheblich geringere Summen im Spiel sind. Nur werden diese Gaben von der Regierung in Athen öffentlichkeitswirksam „verkauft“. Anders als die Ampel in Berlin, vermittelt das Kabinett Mitsotakis den Bürgern ein Gefühl der relativen wirtschaftlichen Planbarkeit. Es ist, als hätte Mitsotakis Ludwig Erhards Erfolgsrezept der „vertrauensbildenden Maßnahmen“ studiert und PR-mäßig und verzerrt in die moderne Zeit übertragen.

„Rhodos-Pass“ mit doppelter Wirkung

Nach den verheerenden Waldbränden auf Rhodos wurde in internationalen Medien das Produkt „Tourismus am Mittelmeer“ in Frage gestellt. Mitsotakis reagierte, wie bei Cashkurs vorhergesagt mit einem „Rhodos-Pass“ auf die Vertrauenskrise für Griechenlands Schwerindustrie.

Als die Meldung, dass der griechische Staat allen vom Feuer geschädigten Urlaubern eine Woche Urlaub auf Rhodos spendiert, die Runde machte, gab es in sozialen Netzwerken zunächst Staunen und Verwunderung. Viele dachten an einen verspäteten Aprilscherz oder vermuteten die Aktion von Trollfabriken. Doch Mitsotakis meint es ernst und hat scharf kalkuliert.

Er besänftigt die verärgerten Touristen und gibt gleichzeitig ein Signal an die Unternehmer der wichtigsten Erwerbsquelle des Landes. „Wir lassen Euch nicht allein“, lautet die Botschaft, die nicht nur auf Rhodos so verstanden wurde. Nur knapp zehn Tage nach den Bränden melden immer mehr Urlaubsstrände von Rhodos „zurück im Geschäftsbetrieb“.

Digitalisierung erfolgreich bewältigt

Schließlich wurde während der Pandemie die Zeit genutzt, um die Digitalisierung der staatlichen Bürokratie abzuschließen. Die Tatsache, dass kaum noch ein Bürger vor der früher gefürchteten Sisyphos-Aufgabe steht, selbst auf Ämtern zu erscheinen, um einen Antrag oder eine Bescheinigung zu erhalten, hat auch die „Psychologie der Wirtschaft“ beflügelt.

Streitthema Energiewende – fördern statt fordern

Schließlich verunsichert die Regierung in Athen beim Thema Energiewende weder Bürger noch Wirtschaft. Die erneuerbaren Energien werden im Eiltempo ausgebaut, alte Heizungen und energieintensive Elektrogeräte ersetzt und Wohnhäuser energetisch saniert.

Wie beim „Market Pass“ gibt es auch hier staatliche Zuschüsse, die mit dem Kriterium des zur Verfügung stehenden Einkommens an die Bürger verteilt werden. Der Wirtschaft werden außer Förderungen auch bürokratische Erleichterungen und Investitionsmöglichkeiten geboten. Für den erzkonservativen Mitsotakis ist die Energiewende schlicht eine Möglichkeit Wachstum zu genieren und er schafft es, diesen Eindruck auch an einen großen Teil der Wirtschaft und der Bürger zu vermitteln.

„Was heißt das konkret für mich!?“

Griechenland boomt, Deutschland rutscht in die Rezession. Im Text erfahren die Leser, welchen Anteil die Staatspleite am aktuellen hellenischen Boom hat und wieso Mitsotakis erheblich mehr Erfolg hat als die Ampel in Berlin. Welchen „Pass“ können wir wohl künftig erwarten?

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