Russland könnte 100 Millionen Dosen in die EU liefern

Die EMA prüft zur Stunde einen Antrag auf Zulassung von „Sputnik V“ in der EU. In Kürze werden in Russland Expertinnen und Experten der EMA zur Begutachtung der Produktion und Lagerung des Impfstoffs erwartet. Der russische Pharmakonzern R-Pharm plant das Vakzin ab diesem Sommer im bayrischen Illertissen zu produzieren.

Der für den „Sputnik V“-Vertrieb verantwortliche russische Direktinvestmentfonds RDIF (Russian Direct Investment Fund) geht allerdings von keiner raschen EMA-Zulassung aus. RDIF-Chef Kirill Dmitriev sprach zuletzt von einer Zulassung „voraussichtlich nach Juni“. Dann könne man aber „innerhalb von drei, vier Monaten etwa 100 Millionen Dosen für 50 Millionen Menschen in der EU liefern“.

In Russland wurde „Sputnik V“ letzten Sommer noch vor Abschluss der klinischen Studien zugelassen. Nach Angaben Moskaus ist der Impfstoff mittlerweile in über 50 Ländern weltweit zugelassen – darunter auch im EU-Mitgliedsland Ungarn.

Zuckerbrot statt Peitsche gegenüber Moskau

In Deutschland ist „Sputnik V“ ein Politikum, besonders seit aus den deutschen Bundesländern Forderungen laut wurden, im Kampf gegen die Coronavirus-Pandemie auch in Deutschland auf „Sputnik V“ zu setzen, was die Kanzlerin unter Druck setzte.

Dank der geopolitischen Fehlgriffe der EU ist das Verhältnis zu Russland aufs Äußerste angespannt, befindet sich auf einem Tiefpunkt. Bisher agierten Berlin und Brüssel nach der Devise, Moskau pfui, Washington hui. Seitdem aber die Solidarität mit dem transatlantischen Bruderland USA keine Früchte trägt, sind Brüssel und Berlin gezwungen gegenüber Russland Zuckerbrote anzubieten, statt die übliche Peitsche zu schwingen.

Harsche Töne aus Paris

Umso verwunderlicher erscheint es in diesem Szenario, dass ausgerechnet Paris, wo in der Vergangenheit doch zumindest geopolitische Einschätzungen erstellt und verkündet wurden, die weit über dem Niveau des in Brüssel und Berlin produzierten Mülls lagen, jetzt einen harschen Kurs verkündet. Außenminister Jean-Yves Le Drian sagte dem Radiosender France Info, es handle sich

eher um ein Mittel der Propaganda und der aggressiven Diplomatie als um eines der Solidarität und der Gesundheitshilfe“.

Neben Russland nutze auch China seinen Impfstoff von Sinopharm, um „politischen Einfluss“ auszuüben. Le Drian behauptete ferner, Moskau und Peking böten ihre Vakzine offensiv im Ausland an, etwa in afrikanischen Staaten wie Tunesien und dem Senegal.

Die Nennung dieser beiden Staaten, die in Paris aufgrund der kolonialen Vergangenheit zur Einflusssphäre Frankreichs gezählt werden, scheint zu erklären, weshalb sich die französische Regierung auf den Schlips getreten fühlt

China und Russland betreiben eine Politik der Beeinflussung über ihre Vakzine, bevor sie ihre eigene Bevölkerung geimpft haben“, bemängelte der französische Außenminister. Zuvor hatte auch EU-Ratspräsident Charles Michel Moskau und Peking vorgeworfen, ihre Coronavirus-Impfstoffe „für Propagandazwecke“ einzusetzen.

Deutsche Regierung unter Druck

In Berlin ist man um Beschwichtigung bemüht, was auch an den innenpolitischen Zerfallsprozessen liegen mag, beispielsweise dem Niedergang der Union in den Umfragen, am Vorabend der Bundestagswahl. Regierungssprecher Steffen Seibert erklärte, dass die Haltung der Bundesregierung zu „Sputnik V“ unverändert sei.

Man habe sich zuletzt bei der EU-Kommission zwar für eine gemeinsame europäische Bestellung von „Sputnik V“ eingesetzt. Dafür sei vorausgesetzt, dass die EMA-Zulassung zustande kommt, wie ein Sprecher des Gesundheitsministeriums von Jens Spahn hinzufügte. „Sputnik V“ sei dann - so wie jeder andere Impfstoff auch - in Deutschland willkommen. 

Eine peinliche Situation, peinlich für die Strategen in Brüssel und Berlin. Nachdem man bei der Impfstoff-Versorgung gescheitert ist, blickt man jetzt hoffnungsvoll auf Moskau, obwohl man Russland mit Sanktionen überzieht und noch zu überziehen droht. Russlands Außenminister Lawrow ging sogar so weit, kürzlich die Beziehungen Moskaus zur EU als beendet zu erklären.

"Was bedeutet das konkret für mich!?"

In Moskau ließ man durchblicken, dass man der EU bei ihrem Impfstoff-Problem zu helfen bereit sei.

Moskau sei „absolut nicht einverstanden“, wenn behauptet werde, dass Russland und China die Coronavirus-Pandemie sowie die „Impfstoffproblematik“ als Mittel der Einflussnahme nutzten, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow und ergänzte, Russland und China suchten nicht nach „irgendeiner Art von Krieg“.

Diese moderaten Töne machen Hoffnung, dass die aktuelle Eiszeit einem Tauwetter weichen könnte, wenn, ja, wenn das Wörtchen "wenn" nicht wäre, in diesem Falle also, wenn man in Brüssel nicht wieder demnächst nach der Pfeife Washingtons tanzt, wo unter Präsident Joe Biden einen immer radikaleren Kurs gegen Russland propagiert wird. Zur Stunde erlebt die EU eine Art "Sputnikschock" im Impfstoff-Bereich.

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