Nawalnys Telefonstreich

Das ist ja fantastisch, dass ein Mordopfer seinen Mörder anruft, denn in der Regel ist ein Mordopfer ja tot. Aber egal, lassen wir uns dadurch das Wunder nicht verderben, denn die Geschichte wird noch wunderlicher, Entschuldigung wunderbarer, denn der "Mörder" hat seine Tat gegenüber seinem Opfer gestanden. So einfach ist das, man ruft den Agenten des jeweiligen Geheimdienstes an, der gesteht seine Tat am Telefon, das Gute siegt über das Böse.

Das ZDF zitiert den nationalistischen Oppositionspolitiker mit folgenden Worten:

In einem Blog-Eintrag erklärte der Kreml-Kritiker, den FSB-Agenten Konstantin Kudrjawzew vergangene Woche unter falschem Namen angerufen zu haben, woraufhin dieser Details des Mordversuchs preisgegeben haben soll. Auf Youtube veröffentlichte Nawalny den Mitschnitt des mehr als 45-minütigen Telefonats.

Dieser Telefonstreich bringt also die Wahrheit ans Licht. Weiter liest man auf der Homepage des ZDFs:

Nawalny erklärte, er habe mit unterdrückter Nummer mehrere Angehörigen der Sicherheitsbehörden angerufen und sich als Assistent des Sekretärs des russischen Sicherheitsrats ausgegeben. Fast alle Angerufenen hätten demnach aufgelegt, außer einem, den Nawalny als den FSB-Agenten Kudrjawzew identifiziert haben will.

Zu flach für ein James Bond Drehbuch

Sicherlich, als Drehbuch für einen James Bond Film wäre das zu flach, aber als Weihnachtsmärchen geht die Geschichte dann doch durch. Vielleicht hat man in Mainz und andernorts diese Geschichte auch deshalb so unkritisch aufgegriffen, um den Medien-Konsumenten etwas zu bieten, so wie früher die Weihnachtsserien, die schon vor langer Zeit eingestellt wurden.

Dabei handelt es sich allerdings um einen schlechten Tausch, denn diese Weihnachtsserien verlangten vom Zuschauer noch ein Mindestmaß an Logik und Stringenz, auf die man im aktuellen Fall verzichtet.

Nawalny als demokratischer Superheld

Aber, das Drehbuch im Falle Nawalny wurde ja schon im Sommer vorbereitet, so dass man diesem folgt, oder folgen muss. Wir erinnern uns. Folgt man also dem westlichen Narrativ, dann hat der FSB - der russische Inlandsgeheimdienst - den nationalistischen Oppositionspolitiker Boris Nawalny zu vergiften versucht, sein Ziel aber nicht erreicht, um ihn dann nach Deutschland ausfliegen zu lassen, damit Moskau dort im grellen Licht der medialen Öffentlichkeit angeklagt wird und Nawalny eine perfekte Bühne zur Selbstinszenierung erhält.

Selbst die Kanzlerin eilte ja ans Krankenbett Nawalnys, hielt zwar nicht Händchen, fand aber tröstende Worte für diesen Politiker, der hierzulande - wäre er ein deutscher Politiker - als ultranationalistisch gelten würde, denn 2008 äußerte sich der „demokratische“ Hoffnungsträger gegen die finstere Autokratie Putins wie folgt:

Alle georgischen Bürger sollten doch aus Russland deportiert und "das Hauptquartier der Nagetiere" mit Marschflugkörpern zerstört werden.“

<link gesellschaft-und-politik beitrag wer-ist-eigentlich-alexej-nawalny _blank>Nawalnys Rhetorik ist übrigens voll von Tiervergleichen. Er schreibt in einem Blogeintrag:

"Die gesamte nordkaukasische Gesellschaft und ihre Eliten teilen den Wunsch, wie Vieh zu leben. Wir können nicht normal mit diesen Völkern koexistieren."

Schwamm drüber, weshalb sollte man auch inländische Sensibilitäten auf das Ausland übertragen, mit zweierlei Maß wird ja ansonsten auch gemessen, bei der Beurteilung von Menschenrechtsverletzungen zum Beispiel. Inzwischen hat der russische Geheimdienst Nawalnys "Aufklärung" als Fälschung gewertet.

„Was heißt das für mich konkret!?“

Folgt man der „Nawalny-Story“ so, wie sie der öffentlichen Meinung im Westen seit Monaten präsentiert wird, dann kann man die Dinge drehen und wenden wie man möchte, es bleibt nur eine Schlussfolgerung: um den russischen Geheimdienst kann es wirklich nicht gut bestellt sein. Weshalb wird dann aber den „Agenten Putins“ so eine Aufmerksamkeit geschenkt?

Eine gute Frage, sicherlich, aber die Beantwortung bleibt ähnlich unklar, wie manches in den ZDF-Weihnachtsserien, die ich als Kind gesehen habe, zum Beispiel Timm Thaler, der sein Lachen an einen bösen Baron verkauft, was ja auch keiner Logik entspricht - aber immerhin als Unterhaltung gekennzeichnet war.

Wenn man sich in die Position des kritischen Chronisten unseres Zeitalters begibt, dann zieht man zwangsläufig Schlüsse über den Zustand der westlichen Gesellschaften, über deren geistige Verfasstheit, oder um es mit den Worten Neil Postmans im Vorwort seines berühmten Buches "Wir amüsieren uns zu Tode" ausdrücken:

Orwell fürchtete jene, die uns Informationen vorenthalten. Huxley fürchtete jene, die uns mit Informationen so sehr überhäufen, dass wir uns vor ihnen nur in Passivität und Selbstbespiegelung retten können. Orwell befürchtete, dass die Wahrheit vor uns verheimlicht werden könnte. Huxley fürchtete, dass die Wahrheit in einem Meer von Belanglosigkeiten untergehen könnte.”

Neil Postman - Ein Forscher im Mediendschungel (NDR 1993) - YouTube

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