Lord Dahrendorfs Warnung

Lord Dahrendorf, einer der großen Repräsentanten des europäischen Liberalismus, im Sinne von Isaiah Berlin, fürchtete, dass durch Globalisierung und Turbo-Kapitalismus der Liberalismus ans Ende kommen könnte. Dahrendorf schrieb:

"Auf die einfachste Formel gebracht, haben die Länder der OECD-Welt einen Punkt erreicht, an dem die wirtschaftlichen Chancen ihrer Bürger sie vor perverse Entscheidungen stellen. Um auf wachsenden Weltmärkten konkurrenzfähig zu bleiben, müssen sie Maßnahmen ergreifen, die den Zusammenhalt ihrer Bürgergesellschaften möglicherweise unwiderruflich zerstören."

Ferner sah Dahrendorf den Aufstieg eines neuen Kollektivismus und intoleranter Kräfte voraus.

Dieser Tage wurde die Öffentlichkeit Zeuge davon - wieder einmal muss man betonen, denn das was geschah, passiert inzwischen in aller Regelmäßigkeit - wie eine satirische Aktion von Künstlern aus der Schauspielbranche und der Unterhaltungsindustrie, zu einem Aufschrei der Empörung führte, bisweilen sogar zu der Forderung nach Auftrittsverboten für die betroffenen Künstler.

Der von Dahrendorf befürchtete neue Kollektivismus und die intoleranten Kräfte empören sich in der Art von bibelfesten Betschwestern und Blogwarten, welche die Moral angeblich hochhalten, die Tugend und Ethik zugleich.

Um nicht missverstanden zu werden. Wer polemisiert und provoziert, muss mitGegenreaktionen rechnen, im Idealfall mit einer leidenschaftlichen Debatte, mit einem lebhaften Austausch von Argumenten, keine Frage.

Wer aber danach strebt, unliebsame Meinungen zu verdammen, damit zu verbieten, zwar nicht durch staatliche Sanktionen bisher, sondern durch die Aktivierung der Schere im Kopf, hat weder etwas von Meinungsvielfalt - bis vor Kurzem ein Aushängeschild der bürgerlichen repräsentativen Demokratie -, noch von künstlerischer Freiheit verstanden, obwohl diese Akteure behaupten, die Demokratie zu vertreten oder gar zu verteidigen.  

Die Aktion #allesdichtmachen von mehr als 50 Schauspielerinnen und Schauspielern sorgt für anschwellende Hysterie. In Youtube-Videos kritisierten die Akteure die Corona-Schutzmaßnahmen und bekommen dabei viel Applaus. Mit dabei sind bzw. waren bekannte Schauspielgrößen wie etwa Ulrike Folkerts, Ulrich Tukur und Heike Makatsch, die sich, wie auch andere Teilnehmer inzwischen, für die Aktion entschuldigt haben, was auch einiges über die Reife der betreffenden Akteure sagen lässt.

Das meistgesehene Statement der Aktion stammt jedoch von dem bekannten „Tatort“-Schauspieler Jan Josef Liefers. In seinem Beitrag polemisiert er gegen die Nähe von Presse und Regierung in der Berichterstattung. 

Die geschürte Angst vor dem Beifall von der falschen Seite

Man kann die Aktion geschmacklos finden, oder genial, oder diese einfach ignorieren. Weshalb wird aber darauf hingewiesen, dass auch sogenannte Querdenker, Rechte und AfD Beifall spendeten, oder teilweise zustimmen? Die AfD stimmt auch der NATO-Mitgliedschaft zu, ohne das die Bundesregierung die NATO-Mitgliedschaft hinterfragt. Vegetarisches Essen liegt im Trend, obwohl Hitler Vegetarier war.

Die Angst vor dem „Beifall von der falschen Seite“ ist nicht nur überflüssig. Sie ist ein Charakteristikum totalitären Denkens. Was dem Gegner nutzt, muss unterbleiben: Worauf dieser Satz hinausläuft, das wird an seiner Umkehrung klar: Was der eigenen Seite nutzt, geschieht. Die Struktur beider Sätze ist totalitär."

äußerte Hans Magnus Enzensberger 1983.

Der in den Fokus der Kritik geratene Schauspieler Jan Josef Liefers vertritt weiter seine Meinung, nämlich, dass gerade Künstler sich satirischer Elemente bedienen dürfen und müssen. Es ist in diesem Zusammenhang lobenswert, dass Armin Laschet hier eine Bresche schlug, für die Meinungsfreiheit.

Herr Liefers hatte auf jeden Fall im November 1989 Mut bewiesen, im Rahmen seiner Rede auf dem Alexanderplatz, mehr als so manche amtierenden Politiker und Politikerinnen in höchsten Ämtern.

Artikel 5 des Grundgesetzes

Wie erwähnt, Meinungsfreiheit bedeutet nicht, dass man jede Meinung teilt, sondern dass man sie akzeptiert, aushält und erträgt. Wer daran arbeitet, die Meinungsfreiheit einzuschränken, nach Berufsverboten schreit, bewegt sich also nicht auf dem Boden des Grundgesetzes.

Artikel 5 Grundgesetz

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt. 

„Was heißt das konkret für mich!?“

Wir leben in einem Zeitalter der abnehmenden Meinungsfreiheit. Sicherlich, Kritiker und Polemiker werden nicht deportiert, oder weggesperrt. Aber auch Berufsverbote, bzw. die Forderung danach, sind ein massiver Eingriff, flankiert mit der Drohung der Existenzvernichtung. Der SPD-Politiker Garrelt Duin forderte sogar, die zuständigen Gremien müssten „die Zusammenarbeit auch aus Solidarität mit denen, die wirklich unter Corona und den Folgen leiden, schnellstens beenden“. 

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