Am 17.12. erschien an dieser Stelle mein Beitrag US-Sanktionen gegen Nordstream 2: Gegensanktionen gefordert! Wenige Tage später, am 20. Dezember, unterzeichnete der US-Präsident den „National Defense Authorization Act for Fiscal Year 2020“.

US-Senator Ted Cruz, der das Gesetz einbrachte, warnte die Schweizer Firma Allseas davor, die Arbeiten ihrer Verlege-Schiffe an Nord Stream 2 „auch nur für einen einzigen Tag“ nach Unterzeichnung des Gesetzes fortzuführen. Eine 30-tägige Übergangsfrist gilt nur, wenn Unternehmen überzeugend darstellen, dass sie ihre Arbeiten an dem Projekt abwickeln.

Schweizer ziehen ihr Verlegeschiff ab

Allseas stellte daraufhin die Arbeiten ihrer Schiffe zur Verlegung der Gasleitung ein. Das Unternehmen teilte in einer Pressemitteilung mit, es werde entsprechend den US-Sanktionsvorschriften innerhalb der Übergangsfrist die Arbeiten an dem Projekt abwickeln. Dazu erwarte es Hinweise der zuständigen US-Behörde.

Die Sanktionen richten sich gegen die Reedereien der Schiffe, mit denen Rohre für die Gas-Pipeline durch die Ostsee verlegt werden. Personen, die solche Schiffe zur Verfügung stellen, werden laut den US-Sanktionsbeschlüssen mit einer Einreisesperre belegt. Vermögenswerte der betroffenen Personen und Firmen in den USA werden beschlagnahmt, auch Schiffe in US-Hoheitsgewässern. Die betroffenen Unternehmen müssen ihre Geschäftstätigkeit in den USA aufgeben und werden von der Nutzung des US-Finanzsystems ausgeschlossen.

Nicht der erste Versuch der Amerikaner

Laut einem Artikel von Pierre Noël, Senior Fellow des Londoner „International Institute for Strategic Studies“ hätte US-Präsident Reagan schon Anfang der 80er Jahre versucht, den Bau einer Pipeline aus Sibirien nach Europa zu verhindern. Die USA befürchteten damals, dass eine Abhängigkeit Europas von russischen Erdgaslieferungen die Sowjetunion in die Lage versetzen könnte, Druck auf wichtige NATO-Mitglieder ausüben zu können.

Die ökonomischen Realitäten seien für die Vereinbarung von Erdgaslieferungen aus Russland entscheidend gewesen: Moskau benötigte harte Devisen und Europa brauchte Gas, um außerhalb des Verkehrsbereichs nicht teures Öl einsetzen zu müssen. So sei es gelungen, die gaswirtschaftlichen Beziehungen Europas mit Russland in der Zeit des „Kalten Krieges“ und danach aus der Politik herauszuhalten.

Erstaunte „Welt“

Die Welt berichtete am 26.12.2019 erstaunt in Putins mysteriöses Schiff – und Merkels Dilemma:

„(…) Nach den US-Sanktionen gegen Nord Stream 2 ist das Projekt in akuter Gefahr. Nun bringt Russland eine Lösung ins Spiel, die Deutschland in Zugzwang bringt. Das russische Wort „nachodka“ bedeutet so viel wie „Fundstück“. Nachodka ist aber auch der Name einer Hafenstadt in Russlands Fernem Osten. Von diesem Ort, manchem Russlandreisenden als Endpunkt der Transsibirischen Eisenbahn bekannt, wurde nun eine Entdeckung vermeldet, die auch Folgen für Deutschland haben dürfte.

Russlands Präsident Wladimir Putin eröffnete am Mittwochabend hochrangigen Geschäftsleuten, dass Russland ein Schiff besitze, um die umstrittene Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 fertigzustellen, wie die russische Wirtschaftszeitung „Kommersant“ am Donnerstag berichtete.

Der russische Staatskonzern Gazprom habe das Pipeline-Verlege-Schiff „Akademik Cherskiy“ bereits im Jahr 2016 gekauft. Diese „Akademik Cherskiy“ solle, so der russische Staatspräsident, nun in die Bresche springen. (…)“

Da das Schiff vom russischen Pazifik-Hafen in die Ostsee überführt und zusätzlich ausgerüstet werden muss, geht der russische Energieminister Nowak nun davon aus, dass Nord Stream 2 erst bis Ende 2020 fertiggestellt werden kann. „Bis Ende des Jahres 2020 wird Nord Stream 2 gestartet“, sagte er der TASS zufolge.

Präsident Putin und Bundeskanzlerin Merkel bekräftigten laut TASS in einem Telefongespräch am 29.12. ihre weitere Unterstützung für den Bau der Pipeline.

Sanktionen trotz Einigung mit der Ukraine

Die Sanktionen wurden von der US-Regierung beschlossen, obwohl am 20. Dezember Russland und die Ukraine grundsätzliche Vereinbarungen für einen neuen Vertrag für den Erdgastransit von russischem Gas durch die Ukraine bekanntgegeben hatten.

Die Mindest-Transitmenge soll im Jahr 2020 65 Milliarden Kubikmeter betragen und in den Jahren 2021 bis 2024 jeweils 40 Milliarden Kubikmeter. Somit wird Moskau Europa mindestens weitere fünf Jahre über seinen ehemaligen sowjetischen Nachbarn beliefern.

Gazprom erklärte sich bereit, entsprechend einem Urteil des Stockholmer Schiedsgerichtes an die ukrainische Gasgesellschaft Naftogaz 2,9 Milliarden US-Dollar zu zahlen. Am Freitag teilte Gazprom mit, dass die Zahlung sei erfolgt.

An den weiteren Verhandlungen zur Vereinbarung der endgültigen Verträge nahmen am 29. Dezember in Wien auch die Vorstandsvorsitzenden von Naftogaz und Gazprom teil.

TurkStream: Seit dem Morgengrauen des 01.01.2020 wird geliefert

Im Morgengrauen des Neujahrstages startete für Bulgarien die Lieferung von russischem Erdgas über die TurkStream-Pipeline, so berichtet Emerging Europe.

Die Energieministerin des Landes, Tememoujka Petkova erklärte, dass der Schritt Bulgarien mehrere Millionen Euro pro Jahr einsparen wird, da der Transit durch die Ukraine und Rumänien vermieden wird. Sie fügte hinzu, dass die neue Route zu einer Senkung der Gaspreise um etwa fünf Prozent führen würde.

Offizielle Einweihung mit Putin und Erdogan

TurkStream wird morgen, am 8. Januar 2020, bei einer Zeremonie in Istanbul offiziell eingeweiht, zu der sowohl der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan als auch sein russischer Amtskollege Wladimir Putin erwartet werden.

Bulgarien ist mit seinem jährlichen Gasverbrauch von rund drei Milliarden Kubikmetern fast vollständig von Russland abhängig. Das Land hat eine elf Kilometer lange Verbindung zwischen seinem nationalen Gasnetz und der TurkStream-Pipeline gebaut.

Während die umstrittene Nord Stream 2, welche russisches Gas über die Ostsee nach Deutschland bringen wird, weltweit im Mittelpunkt steht, hat Russland auch die beiden TurkStream-Pipelines mit einer Jahreskapazität von jeweils 15,75 Mrd. Kubikmetern gebaut.

Die erste Pipeline dient der Versorgung der Türkei, die zweite verläuft weiter, von Bulgarien aus nach Serbien und Ungarn. Von dort ist die Versorgung weiterer europäischer Länder möglich.

Gegenwärtig verschifft Russland Erdgas über die Trans-Balkan-Pipeline (TBP) durch die Ukraine, Rumänien und dann Bulgarien in die Türkei, nach Griechenland und Nord-Mazedonien.

Laut dem russischen Energieriese Gazprom beliefen sich die russischen Exporte in die Türkei über die TBP im Jahr 2018 auf 10,7 Mrd. m³, während Griechenland, Bulgarien, Rumänien und die Republik Nord-Mazedonien 3,3 Mrd. m³, 3,2 Mrd. m³, 1,5 Mrd. m³ bzw. 0,2 Mrd. m³ erhielten.

„Was bedeutet das konkret für mich!?“

Durch die Brille des politischen Beobachters betrachtet, ist die Verzögerung der Fertigstellung der Gasleitung ärgerlich. Die Energieversorgung ist jedoch tatsächlich nicht gefährdet. Die Überraschung unserer Leitmedien darüber, dass Russland ein eigenes Verlegeschiff hat, verwundert.

Weder Gazprom, noch Russland werden durch die Verzögerung wirklich getroffen. Auch deshalb, weil erst kurz vorher die Eröffnung der Gasversorgungsleitung nach China gefeiert wurde. Insofern sollte dieser Vorgang Investoren, die auch in russische Papiere diversifiziert haben, nicht weiter beeindrucken. Eurasien gedeiht. Ein neues Deutschland wird seinen Platz darin finden.

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