Frankreichs Ex-Präsident Nicolas Sarkozy wurde wegen Bestechung und unerlaubter Einflussnahme zu einer Haftstrafe von drei Jahren verurteilt. Davon werden zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt, wie französische Medien aus dem Pariser Justizpalast am Montag berichteten. Sarkozy muss voraussichtlich nicht ins Gefängnis, da er die Strafe zu Hause unter elektronischer Überwachung abbüßen kann.

Das Gericht in Paris blieb mit seinem Urteilsspruch unter der Forderung der Staatsanwaltschaft, welche vier Jahre Haft, davon zwei auf Bewährung gefordert hatte. Die Anwälte Sarkozys hatten hingegen auf Freispruch plädiert. Dennoch gilt das Urteil als Zäsur, denn bisher wurde in der 1958 gegründeten Fünften Republik kein Staatsoberhaupt oder führender Politiker mit so einem harten Urteil belegt.

Worum geht es in der Anklage? 

Laut Anklage hatte der Ex-Präsident 2014 versucht, von dem Juristen Azibert Ermittlungsgeheimnisse zu erhalten. Hierin erkannte die Anklage eine Gefährdung der Unabhängigkeit der Justiz. Das Gericht sprach diesbezüglich von einer „besonderen Schwere“ der Taten, weil sie von einem früheren Staatschef begangen worden seien, wie die Justizbehörden verlautbaren ließen.

Der Konservative Sarkozy regierte von 2007 bis 2012 im Elysee-Palast. Er hatte die Vorwürfe Ende vergangenen Jahres vor Gericht zurückgewiesen. Bei zahlreichen Anhängern und Anhängerinnen der bürgerlichen Rechten gilt er bis heute als Führungsikone, obwohl er keine Ämter mehr hat. Für das ehemalige Staatsoberhaupt ist der juristische Spießrutenlauf damit nicht beendet.

Starb Gaddafi, weil er zu viel wusste?

Ab dem 17. März muss er sich wegen des Verdachts der illegalen Wahlkampffinanzierung im Jahre 2012 verantworten. Der Fall ist noch pikanter, da ermittelt wird, ob Sarkozy seinen siegreichen Präsidentschaftswahlkampf 2007 illegal durch Gelder des libyschen Machthaber Muammar al-Gaddafi mitfinanziert hatte. Womöglich zum Dank lud Sarkozy den schillernden Autokraten nach Paris ein, wo der Libyer Gäste in seinem Beduinenzelt empfing.

Im März dieses Jahres 2012 wurde der frühere französische Präsident Sarkozy in Polizeigewahrsam genommen. Die Medien in der französischen Hauptstadt berichteten damals, dass der Ex-Präsident zu Vorwürfen vernommen wurde, wonach seine Wahlkampagne 2007 illegal mit libyschen Geldern finanziert wurde.

Durch die Ermittlungen der Polizei geriet der geopolitische Hintergrund der Affäre wieder in den Vordergrund. Denn der Verdacht kam auf, dass der libysche Diktator 2011 sterben musste, weil in Paris niemand daran Interesse hatte, dass diese Verbindungen ins grelle Licht der Öffentlichkeit gelangten.

Sarkozys Blutspur ist lang

Noch heute, in der Retrospektive ist der abrupte Wandel in der Beziehung zwischen Sarkozy und Gaddafi erstaunlich und wirft Fragen auf. Kurze Zeit nach seinem Einzug in den Elysee-Palast schloss Sarkozy Handelsabkommen mit Libyen und empfing Gaddafi mit allen militärischen Ehren, andere Hauptstädte und Staatsoberhäupter der EU folgten unmittelbar. "Er ist nur wegen meiner finanziellen Unterstützung Präsident geworden", pflegte Gaddafi regelmäßig zu behaupten, wenn die Rede auf den damaligen französischen Präsidenten kam. Auch noch - oder gerade - kurz nach dem Beginn des Aufstandes in Libyen.

Die Begründung für die westliche Intervention in Libyen durch Sarkozy <link beitrag was-geschah-mit-gaddafis-vermoegen-die-libysche-legende-lebt _blank>war damals schon abenteuerlich genug:

Nach dem Ende der Gaddafi-Herrschaft, auf die unmittelbar das Auseinanderbrechen Libyens folgte, begann die hektische Suche nach den Milliarden, welche der Diktator im Laufe seiner Herrschaft angehäuft hatte. Ein Jahr später -2012- schien diese Suche schon an ihr Ende gekommen zu sein. Gerüchte über einen Goldschatz, welcher angeblich in der Wüste des nordafrikanischen Landes vergraben worden war, machten die Runde. Abdullah Senussi, einst der führende Spion von Gaddafis Gnaden entfachte diesen Goldrausch, durch von ihm lancierte Gerüchte. Bis heute konnte dieses arabische El Dorado aber nicht geortet werden. Ferner bot im gleichen Jahr ein ehemaliger Minister aus Gaddafis Regierung in Wien seine Hilfe bezüglich des Aufspürens des verschwundenen Vermögens an. Allerdings schwamm dieser Minister dann mit dem Kopf nach unten in der Donau, der Mord wurde bis heute nicht aufgeklärt. Auch Chefspion Senussi gab am Ende nicht preis, wo genau das angebliche Gold vergraben sei.“ 

Die Umstände, welche die brutale Abschlachtung Gaddafis begleiteten, flankiert von den zuvor florierenden Beziehungen die Tripolis mit den Metropolen der EU unterhielt, erinnern eher an eine Abrechnung im Mafia-Milieu, als an eine geopolitische Auseinandersetzung.

Es waren dramatische Worte, die Nicolas Sarkozy am 19. März 2011 wählte, als er sich per Fernsehansprache aus dem Elysée-Palast an das französische Volk wandte. Mit ernster Miene informierte der Präsident seine Landsleute darüber, dass sich Frankreich im Bürgerkrieg in Libyen engagieren werde - an der Spitze einer westlichen Militärkoalition. In Libyen ist eine friedliche Zivilbevölkerung in Lebensgefahr, die lediglich ihr Recht beansprucht, über ihr eigenes Schicksal zu entscheiden. Wir haben die Pflicht, auf ihren angsterfüllten Hilferuf zu reagieren." schrieb die Deutsche Welle damals. 

Ja, heute hört niemand mehr die angsterfüllten Hilferufe der Libyer, von denen sich viele nach der relativen politischen Stabilität und dem Wohlstand der Gaddafi-Ära zurücksehnen. Ebenso wenig wie im Irak ist in Libyen ein „Leuchtturm der Demokratie entstanden“, sondern ein zerbrochener Staat am südlichen Ufer des Mittelmeeres. Wie die damalige US-Außenministerin Hillary Clinton auf den Tod Gaddafis reagierte, lässt tief blicken. Das berühmte "veni, vidi, vici" Julius Caesars nachäffend, rief Hillary Clinton aus: "Wir kamen, wir sahen und er starb."

Gaddafis letzte Warnung

Gaddafi selbst, dem man nachträglich keinen Heiligenschein aufsetzen sollte, warnte in seinem letzten Interview:

Ihr sollt mich recht verstehen. Wenn ihr mich bedrängt und destabilisieren wollt, werdet ihr Verwirrung stiften, Bin Laden in die Hände spielen und bewaffnete Rebellenhaufen begünstigen. Folgendes wird sich ereignen: Ihr werdet von einer Immigrationswelle aus Afrika überschwemmt werden, die von Libyen aus nach Europa überschwappt. Es wird niemand mehr da sein, um sie aufzuhalten."

Als der libysche Diktator in einem Interview mit dem französischen Journal du Dimanche im Februar 2011 diese Worte tätigte, konnte er nicht ahnen, dass Osama bin Laden am 2. Mai 2011 von einer amerikanischen Sondereinheit auf pakistanischem Boden erschossen würde. Noch weniger war er sich wohl bewusst, dass er selbst im Oktober des gleichen Jahres als Flüchtling im eigenen Land ein grausames Ende finden würde.

Rund einen Monat später eröffneten französische Rafale-Kampfflugzeuge mit Luftangriffen auf Verbände des libyschen Machthabers Muammar al-Gaddafi die Schlacht. Die Gaddafi-Einheiten befanden sich auf dem Vormarsch Richtung Bengasi, dem Zentrum des libyschen Aufstandes, wurden aber durch die Luftschläge ihrer Schlagkraft beraubt.

Die Blutspur, welche Sarkozy durch seine militärischen Interventionen, aus welchen Motiven wird hoffentlich die französische Justiz klären, hinterlassen hat, ist lang. Nicht nur in Libyen, denn durch den Sturz Gaddafis wurde die <link beitrag post kramp-karrenbauers-afrika-feldzug _blank>Sahelzone in Brand gesetzt

BHL - der Stichwortgeber für Sarkozys Libyen-Abenteuer

Sarkozy ließ sich damals von dem französischen Mode-Philosophen Bernard Henri-Lévy inspirieren, einen Mode-Philosophen und Liebling der Pariser Bussi-Gesellschaft, welcher einst als eine Ikone der 68er Bewegung fungierte.

Lévy nahm später die Pseudo-Fortschrittlichkeit der linken Intelligenz ins Visier und entwickelte sich zum Fürsprecher einer rigorosen westlichen Menschenrechtsdoktrin. BHL, wie der Philosoph in Paris genannt wird, war der Stichwortgeber für Sarkozys Libyen-Abenteuer, da er zum Schutz seiner angeblichen Freunde in Bengasi ein Sturz Gaddafis notwendig wäre. Was die Beziehungen zwischen Sarkozy und Lévy angeht, kann man auf Wikipedia lesen

"1995 erbte Lévy von seinem Vater das Unternehmen Becob und wurde dessen Manager. In einem Bericht der kanadischen Regierung wurde Lévy unter anderem vorgeworfen, dass unter seiner Führung afrikanische Arbeiter im Unternehmen sklavenähnlich behandelt wurden. In Bedrängnis geriet er wegen Vorwürfen des Insiderhandels und einer drohenden Anklage wegen Steuerhinterziehung, die jedoch vom damaligen Finanzminister Nicolas Sarkozy abgebrochen wurde."

Lévy, der sich nach der Befreiung von Gaddafi nicht mehr nach Libyen traute, tummelt sich heute unter Anderem in der Ukraine

"Was bedeutet das konkret für mich!?"

Der Fall Sarkozy symbolisiert einen besonders schmutzigen Fall von Käuflichkeit und der Verquickung von materiellen Interessen in höchsten Staatsämtern des Westens, der wahrscheinlich kein Einzelfall ist. Es bleibt spannend, welche Erkenntnisse der Öffentlichkeit durch den beginnenden Prozess in Paris am 17. März zuteilwerden. 

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