Die Existenz der Islamischen Republik Iran widerspricht den geostrategischen Interessen der USA in der Region, vor allem den ökonomischen Interessen, unabhängig von den innenpolitischen Verhältnissen vor Ort. Washington würde sich bestens mit Teheran verstehen, wie auch unter der Herrschaft Reza Pahlavis, wenn sich Iran willfährig unter die ökonomischen Interessen der USA unterordnen würde, wie es beispielsweise Saudi-Arabien tat.

Hier wurde paktiert, obwohl die dort praktizierte Form des sunnitischen Islams, flankiert von Missionierung und Export des Wahhabismus und Salafismus, für den Weltfrieden weitaus gefährlicher sind, als es die doch begrenze Ausstrahlungskraft der Schia und des politischen Systems Irans sein könnten, zumal ein Großteil der dortigen Bevölkerung sich schon längst von dem ideologischen und religiösen Überbau des Systems - einer Mischung aus Theokratie und Parlamentarismus - verabschiedet hat.

„Öl könnt ihr auch von uns bekommen, auch ohne Salafisten“

Es ist daher völlig richtig anzunehmen, dass die Bilder von Menschenmassen auf den organisierten Veranstaltungen und Trauerfeiern im Iran nicht die Loyalität und Verbundenheit der Bevölkerung mit ihrem politischen System demonstrieren. Die Diskrepanz, ja die Kluft, zwischen Bevölkerung und Regierung bzw. den verschiedenen Machtzentren ist groß, woraus die Menschen gegenüber ausländischen Besuchern keinen Hehl machen.

Ich selbst konnte mich davon bei meinem Aufenthalt im Iran vor einigen Jahren – wie unzählige andere Besucher auch - überzeugen: „Weißt Du, 80 Prozent der Iraner sind gegen ihre Regierung eingestellt. Wir hätten gerne eine Alternative. Doch was in unseren Nachbarstaaten passierte und passiert, in Afghanistan, im Irak, von wo die Leute zu uns flüchten, obwohl diese Länder angeblich befreit wurden vom Westen, das schreckt uns ab!

Weshalb unterstützt Ihr Eure und unsere schlimmsten Feinde, die Saudis? Was habt Ihr davon? Öl könnt Ihr auch von uns bekommen, auch ohne Salafisten“, sagte mir damals ein junger Mann in Isfahan.

Nationalismus stärker als Religiosität

Diese Massenkundgebungen demonstrieren aber die Tatsache, dass der Nationalismus im Iran weitaus stärker verbreitet ist, als religiöse Gefühle, vor allem in Zeiten einer Bedrohung von außen. Als der irakische Diktator Saddam Hussein 1980 die Wirren in Folge der Revolution im Iran für seine Zwecke auszunutzen gedachte, durch den Einfall seiner Truppen in die Erdöl-Provinzen Irans im Südwesten an der Grenze zum Irak, wurde er mit der Tatsache konfrontiert, dass selbst erbitterte Gegner der Mullahs sich freiwillig an die Front meldeten, sogar inhaftierte Offiziere der kaiserlichen Armee.

Der irakische Diktator, der regelmäßig von den drei Plagen schwadronierte, die Allah hätte niemals hätte erschaffen dürfen, nämlich Perser, Juden und Fliegen, wurde mit der Verteidigungsbereitschaft der nicht arabischen Iraner konfrontiert, die seinen geplanten Angriffskrieg in einen Stellungskrieg auf eigenem Staatsgebiet verwandelten. Dies geschah obwohl der Irak damals massiv vom West- und Ostblock aufgerüstet wurde, während Iran nur auf wenige Verbündete zurückgreifen konnte, wie beispielsweise Syrien, was der heutigen Waffenbrüderschaft von Teheran und Damaskus zu Grunde liegt.

Das aus militärischer Angriffsperspektive extrem schwierige Terrain Irans sowie eine Bevölkerungszahl von über 80 Millionen Menschen, die zwar ihr politisches System leid sein mögen - ein Phänomen was ja nicht nur auf den Iran begrenzt sein soll - aber doch mehrheitlich glühende Patrioten sind, würde einen terrestrischen Vorstoß der US-Armee von vornherein zum Scheitern verurteilen.

Die Tatsache, dass Soleimanis Leichnam mit patriotischer Popmusik begrüßt wurde, mit einem Lied, das von einem Mann erzählt mit einem Löwenherz, welches Barmherzigkeit und Wut in sich vereint, unterstreicht die Tatsache, dass die Führung in Teheran mit hipper Musik versucht, bei jungen Menschen Emotionen zu erzeugen, diese für sich zu gewinnen und die Republik zu einen. Unter Chomeini, der sich weigerte neben einer iranischen Flagge fotografiert zu werden, wäre dieses noch undenkbar gewesen, ebenso wie poppige Musik auf Trauerveranstaltungen.

Trump beflügelt den iranischen Nationalismus

Die Tatsache, dass US-Präsident Trump Angriffe auf 52 Orte im Iran von hoher kultureller Bedeutung androhte, lässt sogar regimefeindlichen Iranern die Zornesröte ins Gesicht treiben. Trump gelingt dadurch das, was den Machthabern Irans nicht gelingen will: die Einigung der Massen - zumindest temporär -, worüber sich Revolutionsführer Chamenei nicht täuschen sollte.

„Was bedeutet das konkret für mich!?“

Die hiesige Berichterstattung über die Ereignisse im Iran ist ausbaufähig. Was die Vorgehensweise der USA angeht, so genügt ein Auszug aus einem Interview mit dem legendären US-Schriftsteller Gore Vidal, welches er im Januar 2001 in der FAZ veröffentlichte:
 
"Amerika wird seit fünfzig Jahren von Großkonzernen dominiert, deren Haupteinnahmequelle die Versorgung des Pentagons ist. Das Geld, das wir für Krieg ausgeben, für all die heißen, kalten und lauwarmen Kriege, die wir anzetteln, ist ein Nicht-Thema. Aber es gibt noch andere Themen, über die man hätte reden können: die Bürgerrechte, die Kluft zwischen Arm und Reich, die noch nie so groß war wie heute."

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