US-Präsident Trump hielt vor wenigen Stunden seine “Rede zur Lage der Nation/State of the Nation.“ Es war seine erste Rede dieser Art, denn erst nach einem Jahr im Amt ist der Präsident dazu befugt sich im Rahmen dieser Rede zu äußern.

Interessant an Trumps Rede war nicht, was er gesagt hat -die üblichen von Spin-Doktoren erstellten Worthülsen und möglichst markig formulierten Textbausteine- nein, interessant war, was Trump nicht gesagt hat. Unmittelbar vor Trumps Rede zur Lage der Nation verhängten die USA eine Infosperre zur Lage in Afghanistan. 

Washington greift zum Mittel der Zensur

Die Lage in dem Land am Hindukusch hat sich aus der militärischen Perspektive des Pentagons derart verschlechtert, dass man in Washington zum Mittel der Zensur greift. Dieses geschieht zu einem Zeitpunkt, wo in der afghanischen Hauptstadt Kabul drei fürchterliche Terroranschläge stattfanden, die mehr als 100 Menschenleben forderten.

In diesem angeblich „sicheren Herkunftsland“,  wie es im Amtsdeutsch heißt, ist nicht einmal mehr das Regierungsviertel der Hauptstadt sicher. Unter Verschluss gehalten wird seitdem einer der aufschlussreichen Berichte zum Wiederaufbau in Afghanistan und dem Krieg gegen die Taliban, der vierteljährliche Bericht des Spezialinspekteurs zum Wiederaufbau in Afghanistan, kurz SIGAR. 

Nachdem SIGAR einen Maulkorb verhängt bekam, protestierte deren Vorsitzender John Sopko scharf. „Der Stand der Bezirkskontrolle sei einer der letzten öffentlich zugänglichen Indikatoren für den Erfolg -oder das Versagen- von Bemühungen gewesen, Afghanistan sicherer zu machen“, ließ Sopko verlautbaren.

So genau möchte es Donald Trump anscheinend dann doch nicht wissen. 16 Jahre nach Beginn des Feldzuges in Afghanistan sollen laut der zensierten Berichte bis zu 70% des Staatsgebietes mehr oder weniger unter Kontrolle der Taliban sein.

In einem Zeitraum, inzwischen dreimal so lang wie die US-Beteiligung am 2. Weltkrieg, stellt sich die Frage, wann wird man in Washington begreifen, dass Afghanistan, „landlocked“ und in sich selbst verkapselt, allenfalls ein Nebenkriegsschauplatz ist?

Wann wird man dort zu der Erkenntnis gelangen, dass die Tragödie von Nine Eleven kein afghanisches, sondern ein saudisches Unternehmen war, auch wenn Osama bin Laden sich zu diesem Zeitpunkt in irgendeiner Felshöhle des Hindukusch aufhielt? 

Trump agiert so hilflos wie seine Vorgänger

Der amtierende Präsident agiert diesbezüglich genauso hilflos wie seine Amtsvorgänger. Im August letzten Jahres präsentierte Trump seine Afghanistan-Strategie, die sich darauf beschränkte, mehr Truppen nach Afghanistan zu senden, ganz im Gegensatz zu seinen Versprechen im Wahlkampf.

Inzwischen spekulieren Experten im Umfeld des Weißen Hauses öffentlich darüber, ob Parallelen zwischen dem Krieg in Afghanistan und Vietnam existieren:Auch am Mekong -in Vietnam- hatte die Strategie des General Westmoreland zwischen den beiden unvereinbaren Alternativen der counter-insurgency geschwankt, zwischen ”search and destroy” und “clear and hold”.

Auch in Vietnam hatten sich die US-Strategen -ähnlich wie heute bezüglich Afghanistan- immer wieder der Illusion hingegeben, es sei möglich und unverzichtbar ”to win hearts and minds”, also die Herzen und Gemüter der einheimischen Bevölkerung zu gewinnen. Das war in Vietnam gründlich misslungen, und es ist auch schon längst in Afghanistan misslungen.

Afghanistan - Friedhof der Imperien

Den „Friedhof der Imperien“ nennt man Afghanistan schon seit den Tagen Alexanders des Großen. Afghanistan zu erobern ist leicht, es zu beherrschen ist unmöglich. Diese Weisheit hat der Westen seit 2002 konsequent ignoriert.

Bei ihren Expeditionen dürften den US-Soldaten die Vielzahl der zerstörten sowjetischen  Tanks im Norden Afghanistans aufgefallen sein. Es sind die ausgebrannten Überreste der Militärmaschinerie der Roten Armee, die sich 1989 aus Afghanistan -nach einem 10 jährigen blutigen Feldzug- zurückziehen musste.

2 Jahre später kam es dann ja zum Einsturz des Sowjetimperiums selbst.  Es ist nicht bekannt, ob Donald Trump über das nötige historische Wissen verfügt, die  Situation in Afghanistan zu erfassen.

Obama 2009: Krieg in Afghanistan kann nicht gewonnen werden

Schon 2009 erklärte sein Vorgänger Barak Obama, dass der Krieg in Afghanistan nicht gewonnen werden kann. Bei dieser Aussage handelte es sich um eine Sensation, wenn man will auch um das Eingeständnis einer militärischen Fehlentwicklung. Man sollte endlich zur Kenntnis nehmen, dass ein asymmetrischer Krieg mit einer konventionellen Kriegsstrategie, unabhängig vom Grad der militärischen und technologischen Überlegenheit, nicht gewonnen werden kann. Donald Trump ist von diesen Erkenntnissen noch weit entfernt. Verhandlungen mit den Taliban lehnt er bisher kategorisch ab. Dabei gäbe es hierfür ja ein historisches Vorbild.

Taliban einst Partner der USA

Auf Einladung des Konzerns Unocal reiste sogar eine Taliban- Delegation im November 1997 in die Vereinigten Staaten und Anfang Dezember eröffnete der Konzern an der Universität von Omaha, Nebraska, ein Ausbildungszentrum, in dem 137 Afghanen für den Bau von Pipelines ausgebildet wurden. 

Um Menschenrechte ging es damals nicht. Am 26. September 1996 eroberten die Taliban Kabul. Das kommunistische Staatsoberhaupt Nadschibullah, der sowjetische Stadthalter in Kabul, auch als Stalin von Afghanistan bekannt, fiel einer blutigen Abrechnung  zum Opfer. Wie ein Stück Vieh ließen ihn die Taliban durch die Straßen von Kabul schleifen.

Michael Bearden, Vertreter der CIA in Afghanistan während des Kriegs gegen die Sowjets gab die damalige Stimmung bei den Amerikanern wieder: "Diese Typen [die Taliban] waren nicht einmal die schlimmsten, etwas hitzige junge Leute, aber das war immer noch besser als der Bürgerkrieg. Sie kontrollierten das gesamte Gebiet zwischen Pakistan und den Erdgasfeldern Turkmenistans. Vielleicht war das doch eine ganz gute Idee, dachten wir, wenn wir eine Erdölpipeline durch Afghanistan bauen und das Gas und die Rohstoffe auf den neuen Markt befördern können. Alle wären zufrieden."

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