Am europäischen Energiemarkt kostete die Kilowattstunde Strom in der Spitze unlängst mehr als 70 Cent. Inklusive Steuern und Abgaben käme bei diesem Niveau für die Endabnehmer ein Preis von rund 1,40 Euro heraus. Langfristige Lieferverträge bieten zwar einen gewissen Puffer. Dieser dürfte jedoch überschätzt werden, stellt sich doch die Frage, wie groß der belastbare Anteil dieser Verträge am Gesamtvolumen vor dem Hintergrund von Sanktionen und reduzierten Lieferungen noch ist. Auf dem aktuellen Niveau dürften Absicherungsgeschäfte kaum mehr umsetzbar sein.

Die 34 Milliarden Euro Einnahmen aus der Gasumlage, die zum größten Teil an das Unternehmen Uniper und die von Deutschland verstaatlichte Gazprom Germania gehen dürften, vermitteln einen ersten Eindruck von den kommenden finanziellen Belastungen. Das ist eine Menge Geld, angesichts des Anstiegs des Gaspreises seit Herbst 2021 und des insgesamt benötigten Volumens ist die Summe jedoch überschaubar. Wie so oft versagt bei vielen das Zahlengefühl bei Werten, die über eine Million hinausgehen. Zur Illustration daher eine kleine Beispielrechnung: Deutschland verbraucht jährlich rund 1000 Mrd. Kilowattstunden Gas. Bei einem Gaspreis von 6 Cent pro kWh kostet der Spaß 60 Mrd. Euro. Beim aktuellen Gaspreis von 30 Cent liegt der Wert bei 300 Mrd. Euro. Denjenigen Teil der resultierenden Differenz von 240 Mrd. Euro, der nicht von langfristigen Lieferverträgen gedeckt ist, muss jemand schultern. Wie groß die Belastung am Ende sein wird lässt sich mangels öffentlich zugänglicher Daten nicht sagen. Ein gewisses Gefühl für die bereits jetzt erreichte Dimension des Problems sollte sich jedoch einstellen.

Selbst wenn steuerfinanzierte Rettungstaten den einen oder anderen Versorger dauerhaft stabilisieren sollten, was alles andere als sicher ist, werden die Auswirkungen des Preisanstiegs auf den Konsum bereits nach wenigen Monaten beachtlich sein. Auch diese 300 Milliarden lassen sich nur einmal ausgegeben. Übrigens haben wir um niemanden zu verschrecken bisher mit den Börsenpreisen gerechnet. Die Arbeitspreise, also das was Sie als Kunden auf der Rechnung finden, würden bei anhaltend so hohen Werten noch deutlich höher liegen. Da wir anders als manch offensichtlich fachlich überforderter Buchautor durchaus nicht nur ein Problem bei der Gasversorgung, sondern ein mindestens ebenso drängendes bei der Stromversorgung und der Netzwerkstabilität ausmachen, gesellen sich zu den oben genannten Zahlen noch etliche Milliarden für die Stromversorgung hinzu. Angesichts der insgesamt auf die Bürger zukommenden zusätzlichen Kosten dürfte sich der in diesem Jahr vielerorts zu beobachtende Urlaubsrausch im kommenden Jahr wohl nicht wiederholen.

Was würde es bedeuten, wenn die Preise längerfristig auf dem heutigen Niveau verharrten? Angesichts der enormen Preisspitzen ist dies zwar kein Basisszenario, dennoch kann es nie schaden, sich auch die Auswirkungen extremer Verwerfungen zu vergegenwärtigen. Wir betrachten daher die aktuellen Marktpreise und addieren die entsprechenden Abgaben und Steuern. Als Grundlage dient uns der klassische Vier-Personen-Haushalt mit einem Stromverbrauch von 4.000 kWh und einem Gasbedarf von 18.000 kWh. Basierend auf dem aktuellen Handelspreis für Strom, der von seinem Spitzenwert ein paar Cent nachgegeben hat, ergäbe sich ein Arbeitspreis von etwa 1,25 Euro pro kWh. Beim Gas sind es rund 55 Cent kWh. Insgesamt müsste unser Musterhaushalt jährlich rund 5000 Euro für Strom und 9900 Euro für Gas bezahlen. Da fällt das Päckchen Butter für drei Euro kaum mehr ins Gewicht, aber wir haben ja auch nur ein Gasproblem und kein Butterproblem. Die dargestellten Belastungen wären für viele nicht zu stemmen. Es handelt sich auf Grund des Ausmaßes auch keinesfalls um ein Problem derjenigen Haushalte, die sich finanziell ohnehin geradeso über Wasser halten können. Die Auswirkungen einer solchen Entwicklung würden bis weit in die Mittelschicht hineinreichen. Die Diskussion ob und in welcher Höhe eine Mehrwertsteuer auf die Gasumlage anfällt ist in etwa so wichtig wie die Frage nach der Farbe des Busses, von dem man gerade überfahren wird.

Wer nun nach dem Staat kräht, der diese Last nun „abfedern“ solle, der sei an das Wesen des Staates erinnert. Der Staat kann nur Geld umverteilen oder sich welches leihen. Damit ist er ein abstrakter Hoffnungsträger, der aber lediglich als Wohltäter auftritt, indem er verbirgt, wo genau das verteilte Geld wirklich herkommt. Wenn es mal wieder heißt „von den Reichen“, dann ist dies in der Regel mit „von denen, die arbeiten“ treffend übersetzt.

Zur Einordnung der oben genannten Summen: Die gesamten Steuereinnahmen von Bund, Ländern und Gemeinden beliefen sich in 2021 auf 833,2 Milliarden Euro. 38,2 Milliarden davon wurden direkt an die EU abgeführt. Interessant für alle Menschen, die nun von den Krisenverursachern dazu aufgefordert werden, Waschlappen benutzend ihrem Wohlstand beim Verdampfen zuzusehen, sind unter anderem die Einnahmen aus der Energiesteuer. Mit 37,1 Milliarden kostete sie die Bürger bereits im vergangenen Jahr mehr als die Grunderwerbsteuer und erreichte bereits mehr als 60 % des Anteils der Gewerbesteuer. Diese Summen und deren Steigerungsraten im Zeitverlauf sind erklecklich. Noch schneller aber als beim Einnehmen sind die Damen und Herren beim Ausgeben der Mittel. In Zeiten aber, in denen das „Geld drucken“ der Notenbank nicht mehr Teil einer vermeintlichen Lösung, sondern eindeutig Teil des Problems ist, stellt auch das Einspannen der EZB keinen bequemen finanziellen Ausweg mehr dar. Dieses Problem muss - wie viele andere der letzten Jahre - nun strukturell gelöst werden.

Ein erster Schritt in die richtige Richtung wäre die Nennung des größten Kostentreibers, des Staates selbst. Der Marktpreis für Strom etwa machte zuletzt mit 44 % weniger als die Hälfte des beim Verbraucher ankommenden Arbeitspreises aus. Der überwiegende Teil besteht aus Netzentgelten (25 %) sowie Steuern und Abgaben (31 %), die sich aus einem bunten Zoo einzelner Posten konstituieren. Zur Umsatzsteuer gesellen sich die Stromsteuer (mittlerweile zur Quersubventionierung der sicheren Rente genutzt), die KWK-Umlage zur Förderung der Stromerzeugung aus Kraft-Wärme-Kopplung, die §19-NEV-Umlage zur Subventionierung der geringeren Netzentgelte für Industrieunternehmen sowie die Offshore-Haftungsumlage zur Deckung von spezifischen Schadensersatzforderungen bei Ausfällen oder Anbindungsproblemen von Offshore-Windanlagen und die Konzessionsabgabe der Kommunen für den Bau und Betrieb von Leitungen. Bis vor kurzem kam noch die mittlerweile gestrichene EEG-Umlage zur „Förderung erneuerbarer Energien“ dazu. Wer von Entlastung nicht nur sprechen möchte, der findet hier eine Menge Streichposten.

Wie diese „Entlastung“ funktioniert, lässt sich auf den Seiten der Bundesregierung nachlesen. Dort heißt es:

Der Bund erstattet [den Übertragungsnetzbetreibern] künftig die Einnahmeausfälle aus dem Sondervermögen „Energie- und Klimafonds“ (EKF) und finanziert daraus die Förderung erneuerbarer Energien. Durch die Absenkung der EEG-Umlage auf null zum 1. Juli 2022 wird der EKF zukünftig mit rund 6,6 Milliarden Euro belastet.“

Die Belastung der Bürger fällt also mitnichten weg, sie fällt nur anderswo an. Danke für nichts.

Im Juni schrieben wir:

Nur sehr stark fallende und dann niedrig bleibende Preise würden die Situation deutlich verbessern. Da derzeit das politische Interesse an einer Lösung des Problems gering zu sein scheint, bleibt es bei zunehmend armseligeren Versuchen, den Bürgern die Erotik des Verzichts durch ideologische Kampfparolen nahezubringen. Einer günstigen Entwicklung steht somit weiterhin ein Mangel an Vernunft im Wege.“

An dieser Situationsbeschreibung hat sich nichts geändert. Wo im Koordinatensystem mit den Achsen Blödheit und Absicht mögen die Bürger das Vorgehen der Verantwortlichen einordnen, wenn die Realität per Abrechnung in den Briefkasten flattert? Viele Selbständige, die auf nicht lebensnotwendige Konsumausgaben der Bürger angewiesen sind, werden ohne rasche politische Kursänderung nach ohnehin schon üblen Jahren bald vermutlich ihr Geschäft verlieren. Aber es ist ja wie immer für die „gute Sache“.

„Was heißt das für mich konkret!?“

Das mediale Getöse um eine Gasumlage oder die Mehrwertsteuer auf diese lenkt vom Ausmaß des wirklichen Problems ab. Wie so vieles ist auch die Gasumlage ebenso fragwürdig wie handwerklich schlecht gemacht. Das wirkliche Problem sind aber die realen Kosten, die sich vor der Industrie und den Bürgern aufbauen. Diese sind um ein Mehrfaches höher als dies viele ahnen. Und wenn es mal wieder heißt, dies alles sei ganz überraschend gekommen, und ohne Krieg wäre doch nichts passiert, dann sei ein Rückblick auf unseren Artikel aus dem September des vergangenen Jahres – „Erdgas wird knapp“ – empfohlen.

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