Wahrscheinlich sind Wetterkarten und Inzidenzkarten miteinander verwandt. Aus einem Grün wird erst Gelb und dann Rot. Reicht das nicht, kommt Dunkelrot, was schnell auch durch Layla, pardon, Lila, verdrängt wird. Dann wird es schwarz und später pink in unterschiedlich grellen Nuancen - bis zum atomblitzweiß. Was kommt danach, wenn die Aufmerksamkeit sinkt? Wir werden es noch erfahren.

Klick mich!

Heute geht es um Überschriften, um Effekte und Affekte - wie früher in den Barockopern. Die Musik hat sich geändert, nicht aber das Prinzip. Leute wollen unterhalten werden, mit Chaos, was ganz weit weg stattfindet, mit Helene Fischer, Todesanzeigen in der Zeitung oder Netflix. Wenn der eine 42 Grad meldet, titelt der Nächste 44 Grad. Daraus werden 46 Grad bis nahe an die Grenze der Absurdität. Der Kampf um den „Klick“ ist heute eine mediale olympische Disziplin. Und sie funktioniert. (Sie lesen ja immer noch!)

„Bild“ holt im Winter regelmäßig die Putin-Peitsche aus der Sprachkammer des Schreckens, wenn das Thermometer unter den Gefrierpunkt rutscht. „Russen-Walze“ wird auch gerne benutzt und irgendwas mit Monster zwischen Mega und Gaga. Im Moment aber malt man Wetterkarten rot bis violett mit schwarzem Grundton. Grün/orange wäre oldfäschend. Über 35 Grad wachsen der Wetterfee Hörner und Schweif. Mit dem Dreizack in der Hand präsentiert sie die Temperaturen des Horrors der nächsten Tage.

Heiß, heißer, Schlagzeile

Ja, es ist wärmer geworden und die Winter milder. Ornithologen beobachten Vögel in Gegenden, wo sie sonst nie umherflogen, wie beispielsweise die Bienenfresser in der Leipziger Gegend. Botaniker finden heute bestimmte Disteln weit oberhalb von Grenzen, die sie bislang gemieden haben. Phänologen beobachten die Blüte des Schneeglöckchens immer früher. In den letzten zehn Jahren ist es laut Deutschem Wetterdienst um zwei Grad wärmer geworden. Unsere Abgase allein können es nicht gewesen sein. Man sollte sich mit seiner Meinung zurückhalten, wenn man nichts davon versteht.

Das mit der lila Hitze hat aber auch Vorteile. So konnte ich gestern bei 40 Grad, und mir war schon ganz blümerant unterm Haar, die Buntwäsche auf den Balkon in den Schatten stellen und die 60-Grad-Wäsche direkt in die Sonne. Umrühren. Fertig. Das hat Strom gespart, wie meine Solardusche, die sich nach drei Stunden auf 60 Grad erhitzt hat. Mit der wollte ich im Garten geduscht, aber nicht gekocht werden. Mist!

Buddha sagt, dass wir alle Übende seien. So eine Solardusche ist ein nützliches Ding. Im Sommer duscht man damit, im Winter taugt so ein schwarzer Plastiksack mit 20 Litern Inhalt auch als Wärmflasche, wenn man sie warm bekommt. Ich habe mir auch sagen lassen, dass man eine 60 Grad heiße Solardusche auch in die Waschmaschine entleeren kann, sollte sie zum Duschen zu heiß sein. Das spart Strom fürs Aufheizen und damit umgerechnet 20 Cents pro Waschgang.

Geschäfte mit der Angst

Man kann es wirklich übertreiben mit der Angst. Doch sie gehört heute zu einem Teil des öffentlichen Spektakels, zum guten Ton beim Smalltalk und zur Beruhigungspille für ganz Erschreckte. Entsprechend boomen Videokanäle zur Vorsorge in gasarmen Wintermonaten. Dort gibt es mitunter nützlich Ideen und auch lustige Informationen. Videos sind sehr beliebt, in denen gezeigt wird, wie vier Teelichter eine ganze Wohnung heizen können. Echt? Der Energieerhaltungssatz (Watt?) ist völlig altmodisch wie auch Physik, Chemie und Biologie, die man heute ganz einfach als Schulfächer abwählen kann, wenn man in Mathematik einen guten Fensterplatz hat. Weg mit der Schwerkraft! Es lebe der Leichtsinn.

Kann man auch mit Holzkohle heizen? NEIN! Nur draußen! Ich bin gespannt, wie oft im kommenden Winter ohne Gas Feuerwehr und Notarzt ausrücken, wenn der Notstromgenerator in der Küche Überstunden macht, die Petroleumlampen die Fenster im Schlafzimmer schwärzen und im Wohnzimmer eine lustige Grillparty mit Bio-Holzkohle Seele und Hintern wärmt.

Was kommt als Nächstes? Wahrscheinlich ein Gewitter. Sicher ist das nicht. Wenn aber die Wetterfee bald in Schwarz sendet, es nach Pech und noch mehr Schwefel riecht, schalten die das Gerät aus. Vielleicht wird bald Rudi Carrells Lied „Wann wird’s mal wieder richtig Sommer“ verboten? Bei „Layla“ war das überraschend. Das macht zwar die Welt nicht besser, aber das Sommerloch ist gefühlt kleiner geworden. Ich gehe jetzt raus in den Garten und lege mir unter der Palme ein frisch gefangenes Gender*sternchen auf den Grill.

Beitrag senden

Drucken mit Kommentaren?



href="javascript:print();"