Dirk Müller ist seit vielen Jahren das Gesicht der Börse. Kompetent und charismatisch versteht er es, das Börsenlatein so zu übersetzen, dass es auch Normalsterbliche begreifen. Er nimmt kein Blatt vor den Mund und spricht Klartext. Für den NATURSCHECK beantwortet er regelmäßig Fragen unserer Leser zu den Themen Politik, Wirtschaft und Finanzen.

Lieber Herr Müller, ich hatte mir für unser heutiges Interview zahlreiche Frage aufgeschrieben, da kam der Vorabdruck Ihres neuen Buches bei uns an. Es erscheint ja zeitgleich mit dem neuen NATURSCHECK, also am 27.8.2018. Alleine schon der Titel verheißt nichts Gutes. Können Sie uns die Essenz Ihres neuen Buches mitteilen?

Dirk Müller: (lacht) Gut ist immer relativ. Das Buch ist im Wesentlichen ein Gesamtbild dessen, wie ich die Welt einschätze und die jetzige Situation sehe. Dabei kann ich nicht überall in die Tiefe gehen, sondern versuche die einzelnen Puzzlesteine zu beschreiben und zusammenzusetzen, damit für den Leser ein großes Bild entsteht. Meist sieht man ja nur Facetten des Ganzen und kann es oft nicht in den Gesamtzusammenhang bringen. Das Buch beschäftigt sich deshalb vor allem mit den Ursachen der heutigen Situation.

Und diese Ursachensuche gipfelt immer in der Frage: Wer lenkt hier eigentlich das große Geschehen? Wer trifft die Entscheidungen? Sind das wirklich wir, der Souverän, der Bürger, der in Abstimmung und gemeinsamer Diskussion die Welt gestaltet, oder sind es ganz andere Einflussnehmende? Und so kommt man durch wissenschaftliche Analyse zu der Erkenntnis, dass unser Demokratieverständnis nicht der Wirklichkeit entspricht, sondern dass wir in einer Scheindemokratie leben, einer Plutokratie, in der wenige Eliten bestimmen, was in der Welt passiert.

Es ist jedoch nicht mein Anliegen, diese plutokratischen Machtstrukturen pauschal zu verurteilen. Denn auch innerhalb dieser Strukturen gibt es Strömungen, die ein großes Interesse daran haben, die Menschheit nach vorne zu bringen und zum Guten zu führen. Diese Entwicklung möchte man allerdings nicht dem Bürger überlassen, weil man überzeugt ist, dass man es besser weiß.

Dann gibt es aber auch noch Strömungen, die nur ihren eigenen Vorteil, ihren eigenen Profit und einen immer größeren Machtanteil anstreben und denen die Menschheit ziemlich egal ist. Beide Strömungen eint jedoch das Interesse, die Welt und die Gesellschaft zusammenzuführen, damit diese gemeinsam in die Zukunft geht und irgendwann einmal das Weltall erobert und andere Sterne besiedelt.

Das passt ja zu der Meldung gestern (12.8.), dass die USA beschlossen haben, eine Art „Sternenflotte“ zu entwickeln, die den Weltraum beherrschen soll. In Anbetracht der gigantischen Ausmaße des Universums und der vielen Probleme, die wir derzeit auf unserem schönen, aber kleinen Planeten Erde haben, klingt das  für mich – ganz ehrlich gesagt – alles ziemlich kindisch …

Dirk Müller: (lacht) In den USA ist man ja längst gedanklich dabei, Sterne zu erobern und Kolonien auf anderen Planeten zu errichten. Aber während wir über solche „kosmischen Ziele“ lachen, lachen die über „Banalitäten“ wie nationale Grenzen, Kriege auf der Erde oder religiöse Auseinandersetzungen. Für die Futuristen sind die Gegenwartsprobleme Steinzeit. Die sagen dann, wir sollten uns längst als geeinte Menschheit ins Universum aufmachen und neue Welten erobern.

Mr. Spock lässt grüßen?

Dirk Müller: (lacht) Für Menschen, die in universellen Dimensionen denken, für die müssen unsere menschlichen Entwicklungen sehr viel schneller gehen. Daher erleben wir auch derzeit eine künstliche Beschleunigung der Dinge an allen Ecken und Enden.

Sie haben ja bereits mehrfach Finanzkrisen korrekt vorausgesagt, doch die politischen Entscheidungsträger haben nicht darauf gehört. Warum soll und warum wird das diesmal anders sein?

Dirk Müller: Es wird nicht anders sein. Wir sind derzeit nicht in der Lage, diese großen Zusammenhänge und Machtstrukturen zu verändern. Seit Jahrhunderten haben das Könige, militärische Strategen, Visionäre und Philosophen versucht, und alle sind kläglich gescheitert. Diese Machtstrukturen sind heute verfestigter als jemals zuvor.
 
Man hat die scheindemokratischen Kontrollmechanismen, die ein Gleichgewicht zwischen den Interessen der Gesellschaft und denen der Plutokraten herstellen sollten, weitestgehend geschliffen. Wir sehen, dass heute viele Medienhäuser in den Händen sehr weniger, reicher Familien und Konzerne sind, die dann eine sehr große Einflussnahme auf diese Medien haben. Das heißt nicht, dass jeder Journalist nun automatisch ferngesteuert wird, aber es findet eine sehr starke Nutzung der Medien für die eigenen Zwecke statt, von PR über „Thinktanks“ usw. So wird die öffentliche Meinung beeinflusst. 90 % der amerikanischen Medienlandschaft gehört heute fünf Konzernen.

Die Einflussnahme beginnt aber nicht erst beim Schreiben der Artikel, sondern schon bei der Entscheidung: Wen stelle ich in meinem Medienunternehmen überhaupt ein? Wo rekrutiere ich meinen Nachwuchs? Vor einigen Wochen hatte ich eine Diskussion mit einem hochrangigen Journalisten eines großen deutschen Mediums, und der bestätigte mir, dass auch er feststellt, dass nur noch Journalisten eingestellt werden, die Mitglied der Atlantik-Brücke sind. (Siehe Wikipedia: Die Atlantik-Brücke e. V. wurde 1952 als private, überparteiliche und gemeinnützige Organisation mit dem Ziel gegründet, eine wirtschafts-, finanz-, bildungs- und militärpolitische Brücke zwischen den Vereinigten Staaten und Deutschland zu schlagen.)

Wenn ich nur noch Journalisten einstelle, die aus diesen Kaderschmieden kommen, denen muss ich gar nicht sagen, was sie schreiben sollen. Die haben automatisch schon diese Sicht: der Amerikaner ist gut, und der Russe ist böse.

Was die vorausgesagte Finanzkrise angeht: Ja, wir laufen auf einen Sturm oder auf ein Erdbeben zu, und niemand kann im Detail voraussagen, wann es losgeht. Aber im Moment sind es viele Seismographen, die ausschlagen. Über einige Themen haben wir beide ja schon mehrfach diskutiert, und Sie haben auch bereits in früheren NATURSCHECK-Ausgaben darüber geschrieben:

In China sehen wir die größte Blase der Weltwirtschaftsgeschichte. Und die Amerikaner haben ein großes Interesse daran, das chinesische Kartenhaus zum Einsturz zu bringen, denn sie wollen ja ihre Führungsrolle in der Welt behaupten. Und genau in einer Phase, in der Chinas Wirtschaft sich abschwächt, erhöhen die Amerikaner die Zinsen und fahren auch noch einen aggressivsten Handelskrieg gegen China, den ich mir im Vorfeld so nie vorgestellt hätte. Damit zieht man China endgültig den Stecker.

Schauen Sie sich den chinesischen Aktienindex in Shanghai an, der von 5400 Punkten im Sommer 2015 auf aktuell 2900 Punkte eingebrochen ist. Seit Anfang dieses Jahres ist der Index um 25 % eingebrochen. Und wir sehen auch, welche Auswirkungen dieser Handelskrieg auf die Türkei hat. Alle Zeichen stehen auf Sturm …

In Ihrem Buch deuten Sie an, dass uns die größte Völkerwanderung aller Zeiten bevorsteht. Jede Woche wächst die afrikanische Bevölkerung um eine Millionen Menschen an, die meist keine Zukunftsperspektive haben. Millionen von Menschen stehen in den Startlöchern und warten nur darauf, dass der Startschuss fällt. Kann man hier noch regulierend eingreifen, oder werden wir zwangsläufig überrollt?

Dirk Müller: Mein Eindruck ist, dass wir hier kaum noch etwas tun können. Und ich habe auch nicht das Gefühl, dass man hier ernsthaft entgegenwirkt. Man möchte es nur in Bahnen lenken. Wie ich anfangs schon gesagt habe, gibt es ja schon seit Jahrzehnten den Plan, die globale Gesellschaft zusammenzuführen und alle nationalen und religiösen Grenzen aufzuheben. Damit soll auch verhindert werden, dass es zukünftig noch zu großen, transnationalen Kriegen kommt.

Aber diese beschleunigte „Zwangszusammenführung" wird natürlich über Jahrzehnte zu extremen Konflikten führen, über die wir ja heute jeden Tag in den Medien lesen und in den Foren und untereinander diskutieren. Aber das sind Konflikte, die vor Ort ausgeführt werden und eben nicht mit Massenvernichtungswaffen – und die nicht zu Millionen Toten führen.

Dieser Prozess wird über viele Jahrzehnte andauern, aber irgendwann wird man sich daran gewöhnt haben. Die Kinder, die in den nächsten Jahrzehnten geboren werden und in dieser Welt aufwachsen, werden es nicht anders kennen, als in einer durchmischten Gesellschaft zu leben. Derzeit haben wir also Anpassungsschwierigkeiten an eine Entwicklung, die nicht aufzuhalten ist.

Und während die einen sich Sorgen machen, beklatschen andere diese Entwicklung. Ich gehe ja in meinem Buch mehrfach auf dieses Thema ein. Und im Gegensatz zu vielen, die darin eine geplante Zerstörung Europas oder Deutschlands sehen, sehe ich darin den Wunsch einer bestimmten Elite, die gesamte Menschheit zu verändern und in eine neue Zukunft zu führen. Das muss man nicht mitgehen. Aber diese Ziele waren schon in den 20er-Jahren des letzten Jahrhunderts von den Gründungsvätern der europäischen Union so vorgedacht.

Neben dem Thema „neue Menschheit“ haben wir ja auch die bekannte „Schere zwischen Arm und Reich“ schon mehrfach erörtert. Kürzlich ging durch die Medien, dass es 62 Familien gibt, die in etwa 50 % des Weltvermögens besitzen. Auch in Deutschland besitzen 45 Familien mehr als die ärmere Hälfte der Bevölkerung zusammen. Wäre es nicht an der Zeit, diese Superreichen zu enteignen und das Vermögen dem Gemeinwohl zuzuführen, oder ist so etwas unvorstellbar?

Dirk Müller: Es wäre sicher dringend geboten, hier völlig andere Strukturen zu schaffen. Aber wie ich vorhin schon sagte: Diese Machtstrukturen, diese Netzwerke haben sich so etabliert und sind so geschützt, dass es kaum möglich sein wird, dies zu verändern.

Während früher noch eine relativ unabhängige Medienlandschaft immer wieder über Machtmissbrauch und Skandale berichtet hat und ein Mob mobilisiert wurde, der bestimmte Entscheidungen verhindert hat, ist dies heute weitestgehend ausgeschaltet. Zum einen durch eine unkritische Medienlandschaft, die alles „dem Markt“ unterwirft. Und zum anderen durch eine jahrzehntelang eingeimpfte Denkschule, dass der freie Markt alles reguliert.

Und wenn es dann zu einer Krise kommt, wie wir alle befürchten, wird die Umverteilung wieder von unten nach oben sein, und die bekannte Situation wird sich noch weiter zuspitzen. Wer derzeit über ein großes Vermögen verfügt, der wird nicht freiwillig sagen: ich gebe dieses nun her und stelle es der Gesellschaft zu Verfügung. Im Gegenteil!

Und wenn man das Thema Revolution anspricht: Ich bin kein großer Freund von Revolutionen. Denn die sind meist sehr blutig, fordern viele Opfer und bedeuten für hunderttausende Menschen den Tod. Und in der Regel verändern sie langfristig auch wenig. Schauen Sie sich die Russische Revolution an in ihrem Wahnsinn. Die hat letztlich auch keine großen Änderungen gebracht. Es gibt immer noch die Oligarchen und die wenigen Superreichen - und viele Arme.

Was wir aber tun können und wozu ich auch in meinem Buch aufrufe: Das wichtigste Werkzeug der Plutokraten, das Volk zu beherrschen, ist immer „teile sie und beherrsche sie“.

Also sollten wir alles vermeiden, was uns auseinanderbringt. Das fängt im Kleinen an und geht quer durch unser Leben. Wir sollten aufhören, in Parteien und in Rechts, Links und Halblinks zu denken. Ständig wird uns gesagt: du darfst mit den Rechten nicht reden, du darfst mit den Linken nicht reden, und so weiter. Die Konsequenz ist, dass wir in einem ständigen Konflikt miteinander sind und übersehen, dass wir als Gesellschaft eigentlich dieselben Themen haben. Themen, die wir benennen müssten, um sie gegen die plutokratischen Eliten durchzusetzen, die bestimmen, was passiert.

So lange es denen gelingt, uns so gegeneinander aufzuhetzen, dass es gar nicht zu einem konstruktiven Dialog kommt, so lange sprechen wir als Gesellschaft nicht mit einer Stimme. Daher sollte jeder Einzelne von uns alles tun, um mit seinen Mitmenschen in Dialog zu treten und einander zuzuhören. Auch denen, deren Ansicht wir vielleicht nicht teilen. Wir müssen eine neue Diskussionskultur etablieren und wieder miteinander sprechen. 

Dazu fällt mir das Beispiel von zwei Bekannten ein. Kürzlich hat in Heilbronn eine AfD-Politikerin eine Rede gehalten. Die eine Bekannte wollte sich – nachdem die Medien sich ja auf die AfD eingeschossen haben – selbst ein Bild machen und hat der Dame zugehört. Und sie war überrascht, wie stichhaltig die Argumente waren. Ein anderer Bekannter ging ebenfalls hin, aber statt zuzuhören, griff er lieber zur Trillerpfeife … Er war also überzeugt, dass es schon genügt, AfD-Politiker zu sein, um „das Böse“ zu repräsentieren. So laufen ja heute viele „Dialoge“ ab. Man hört nur denen zu, die die eigene Meinung vertreten.

Dirk Müller: Genau so ist es. So wird die Gesellschaft gespalten, und der wahre Ansprechpartner wird dabei völlig übersehen. Und die mit der Trillerpfeife sind im Grunde die größten Feinde der Demokratie.

Nun noch einige Frage, die unsere Leser an Sie richten. Der neue kalte Krieg nimmt ja immer groteskere Züge an. In den Medien werden jede Woche andere Behauptungen aufgestellt, wie etwa, dass russische Hacker die US-Wahlen beeinflusst hätten. Die USA haben doch das Internet quasi erfunden, und alle großen US-Internetplattformen arbeiten eng mit der NSA zusammen. Ist hier ein russischer Hacker als Wahlkampfmanipulator überhaupt vorstellbar?

Dirk Müller: Das ist lächerlich! Wenn Sie schauen, mit welchen unvorstellbaren Milliardensummen die amerikanischen Eliten den Wahlkampf finanzieren. Gerade heute kam ja auf NTV ein Bericht: „Aufstand der Milliardäre – diese Männer könnten Trump stürzen!“ Hier werden von den Superreichen alle möglichen Netzwerke genutzt, um die Wahl zu manipulieren und zu beeinflussen. Das hat längst nichts mehr mit demokratischen Entscheidungen zu tun. Wenn Sie dann schauen, über welche bescheidenen Summen russische Hacker verfügen und man dann behauptet, die entscheiden die US-Wahl, dann ist das einfach nur lächerlich.

Dann hatten wir ja vorher schon den globalen Handelskrieg angesprochen. Donald Trump hat ja gerade die Einfuhrzölle für türkischen Stahl auf 50 % erhöht, und die türkische Lira ist seitdem im freien Fall. Erdogan habe danach angeblich mit Putin telefoniert. Ein Leser fragt: Was ist von solchen Meldungen zu halten? Und werden die deutschen Türkei-Touristen künftig mit Rubel bezahlen?

Dirk Müller: Erdogan steht auf der Liste derer, die der amerikanischen Geostrategie im Wege stehen. So wie man China den Stecker zieht, zieht man auch der Türkei den Stecker. Dass das Kollateralschäden bei den europäischen Banken bringt, bei den italienischen Banken, bei den spanischen Banken, die mit über 80 Milliarden an türkischen Banken beteiligt sind, das juckt die Amerikaner herzlich wenig.

Im Moment geht es nicht um das Thema Wirtschaft, sondern komplett um Geostrategie. Sowohl, was im Iran passiert, als auch, was in der Türkei passiert oder in China.

Hier noch eine weitere Leserfrage: Als erstes Land der Erde hat Irland beschlossen, sich aus der Finanzierung fossiler Energien zurückzuziehen. Sollten andere Länder dem Beispiel von Irland folgen, und was hat das für Auswirkungen auf die bekannten Ölspekulationen an den Börsen?

Dirk Müller: Das Thema Öl ist durch. Die Welt hat entschieden, sich vom Erdöl zu verabschieden. Auch das war eine geostrategische Entscheidung. Was allerdings noch über Jahrzehnte eine Rolle spielen wird, ist das Erdgas. Das wird weiterhin dominant sein und wird sogar noch intensiviert, denn am Gas verdient man in den nächsten Jahren noch hunderte von Milliarden.

Die Erneuerbaren werden eine immer größere Rolle spielen. Darum wird man auch in Europa in den nächsten Jahren sehr stark in Richtung Wasserstoff und Brennstoffzelle gehen. Das läuft etwas unter dem Radar im Moment. Aber die großen Gasförderer wie Shell oder die Autoindustrie haben ein großes Interesse daran, dass nicht allein mit Elektro gefahren wird, sondern dass man Brennstoffzellen mit Wasserstoff betreibt – und dieser Wasserstoff wird am Ende im Wesentlichen aus Erdgas produziert. Und darauf setzen eine ganze Reihe wichtiger „Spieler“, und daher wird es auch in diese Richtung gehen.

Wie immer zum Schluss ein visionärer Ausblick in die Zukunft. Ihr Buch zeigt ja neben den bekannten Missständen auch Chancen auf. Worauf müssen die Menschen achten, die derzeit ihr Geld möglichst sicher anlegen wollen? Und wo sollten sie es anlegen?

Dirk Müller: Ich befürchte, dass wir in näherer Zukunft sehr starke Verwerfungen an den Finanzmärkten bekommen - auch in der Wirtschaft – und dass es deutlich heftiger wird als 2008. Und dass es möglicherweise auch etwas länger geht, und nicht nur ein halbes Jahr. Ich gehe von einigen Jahren aus, bis sich das System wieder erholt. Wir erwarten über 50 % Kursrückgang an den Börsen. Das ist eigentlich nicht dramatisch. 50 % haben wir schon 2008 gehabt, 70 % waren es im Jahr 2000. Wir werden aber große Verwerfungen bekommen.

Wie soll man vorgehen? Ich kann nur sagen, wie ich es mit meinem eigenen Fond mache – und das soll sicher keine Werbetour sein. Aber für mich ist das der Königsweg. Ich bin weiter in den besten Unternehmen investiert, denn auch nach einer solchen Negativentwicklung wird die Welt sich weiterdrehen. Durch eine solche Bereinigungsphase wird vieles umverteilt, und man muss eben schauen, ob man in einer solchen Phase zu denen gehört, die verlieren, oder zu denen, die gut durchkommen oder sogar eine Grundlage für zukünftige Investitionen schaffen können.

Denn wer gut durchkommt, der ist auch in der Lage, dann denen in seinem Umfeld zu helfen, denen das nicht gelungen ist. Wer selbst nicht vorsorgt, kann auch anderen nicht helfen.

Aber was auch immer kommt, die Welt dreht sich danach weiter. Wir können den technischen Fortschritt nicht aufhalten. Die selbstfahrenden Autos werden kommen, die Elektromotoren und der Wasserstoffantrieb werden kommen, wir werden in der medizinischen Entwicklung große Fortschritte machen, die Elektronik wird sich dramatisch weiterentwickeln – mit allen Vor- und Nachteilen, die damit verbunden sind.

Nach einer großen Krise werden wir einen jahrzehntelangen Aufschwung erleben. Darauf kann man sich auch freuen. Aber man muss vorher auf die richtigen Karten setzen, und das sind die Unternehmen, die heute solide und schuldenfrei arbeiten. Und die großen Vermögen, die heute die Welt beherrschen, wurden in den Krisen der Vergangenheit geschaffen. Wer die Welt zum Guten verändern will, der kann also solche Krisen auch nutzen. Jede Medaille hat zwei Seiten.

Lieber Herr Müller, ganz herzlichen Dank für das interessante und offene Gespräch. Und wir freuen uns schon auf das nächste Mal!

Das Interview führte: Michael Hoppe

Der Text erscheint in der Zeitschrift „Naturscheck“.

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