Im gestrigen Bericht wurde auf einige aktuelle Entwicklungen in der Volksrepublik China am Rande bereits eingegangen. Immerhin sieht sich nun auch die Millionenmetropole Shanghai – neben einer Reihe von anderen Städten und Regionen – abermals unter den Bedingungen eines Covid bedingten Lockdowns.

Diese Situation wird sich angesichts eines ohnehin bereits sehr angeschlagenen Zustands der globalen Lieferketten wohl nochmals zusätzlich negativ auf den internationalen Handel und den Strom von Gütern und Produkten in Richtung der westlichen Industrieländer auswirken.

China erwarb in letzten zweieinhalb Jahren Rohstoffe wie ein Weltmeister

Als interessant erweist sich aus diesem Blickwinkel die Tatsache, dass die Volksrepublik China ihre nationalen Vorräte an Rohstoffen aller Art seit Sommer 2020 massiv ausgeweitet hat.

Aus einer kürzlich publizierten Mitteilung von JPMorgan ging hervor, dass die Volksrepublik China seit dem Jahr 2019 damit begonnen haben soll, enorme Vorräte an Rohstoffen aller Art aufzubauen. Diese Situation habe dazu geführt, dass sich in chinesischen Lagerhäusern zum aktuellen Zeitpunkt achtzig Prozent aller weltweit verfügbaren Kupfervorräte stapelten.

Gleichzeitig sähe sich in chinesischen Silos ein Anteil von 70 Prozent an allen globalen Getreidevorräten, ein Anteil von 51 Prozent an allen Weizenvorräten sowie ein Anteil von 46 Prozent an allen Sojabohnenvorräten gelagert. Auch die vorgehaltenen Maisvorräte erweisen sich in keinem anderen Land der Welt zurzeit höher als in China.

Der Anteil an den weltweit gelagerten Rohölreserven belaufe sich demnach auf einen Anteil von siebzig Prozent. Im Aluminiumsektor entfalle ein Anteil von 20 Prozent in Relation zum Gesamtmarkt auf das Reich der Mitte. Es handelt sich hierbei gewiss um gewaltige Zahlen.

Zinserhöhungen bleiben noch immer Mangelware

Beobachter und Kommentatoren an den globalen Finanzmärkten führen zumindest einen Teil der weltweit anziehenden Inflation auf dieses Phänomen zurück, wenn einschränkend jedoch auch erwähnt werden muss, dass westliche Zentralbanken bis vor Kurzem trotz einer deutlich anziehenden Inflationsentwicklung mit ihrem Fuß nach wie vor auf dem geldpolitischen Gaspedal gestanden haben.

Zinserhöhungen in der Eurozone = Fehlanzeige, während die Federal Reserve Bank in den USA den Ereignissen unter Berücksichtigung des jüngsten Zinsschritts um 25 Basispunkte (bei einer offiziell ausgewiesenen Inflation in den USA in Höhe von 7,9 Prozent) hinterherläuft. Angemerkt sei, dass Schattenstatistiken die Inflation in den Vereinigten Staaten eher bei einem Wert von aktuell fünfzehn Prozent verorten.

Anders als in den westlichen Industriestaaten scheint die Pekinger Führung eine deutliche Verknappung an den Lebensmittel- und Rohstoffmärkten bereits im Jahr 2019 vorausgesehen zu haben, um daraufhin die eigenen Lagerfazilitäten bis zum Bersten zu füllen.

Lockdowns und wetterbedingte Ernteausfälle – Ein unheilvoller Mix

Wie sich aus aktuellem Blickwinkel zeigt, haben Covid bedingte Lockdowns rund um den Globus erwartungsgemäß zu einer enormen Überstrapazierung der globalen Lieferketten beigetragen, während widrige Wetterbedingungen in einigen der weltweit wichtigsten Anbauregionen die dortigen Ernten beeinträchtigt haben.

In manchen Teilen der Vereinigten Staaten lässt sich heutzutage schon fast von ähnlichen Bedingungen wie in jener Dust-Bowl-Ära in den 1930er Jahren in den Zeiten der großen Depression sprechen.

Selbstverständlich hat der Kriegsausbruch in der Ukraine vor einem Monat einen zusätzlichen Beitrag dazu geleistet, die globalen Lieferketten weiter zu fragmentieren, was in der Folge wiederum zur Ausbildung neuer Allzeithochs im Bereich der globalen Lebensmittelpreise beigetragen hat.

Schwellenländer sehen sich vor Versorgungsprobleme gestellt, Knappheit in Industrieländern

Insbesondere in den Schwellen- und Entwicklungsländern verdichten sich mittlerweile die Hinweise auf eine Entstehung von potenziell ernsthaften Lebensmittelknappheit. Immerhin entfällt auf die Russische Föderation und die Ukraine ein gemeinsamer Anteil in Höhe von rund dreißig Prozent an der globalen Produktion von Weizen.

In den Bereichen Getreide und Hafer entfällt auf beide Nationen ein kumulierter Exportanteil in Höhe von fünfzehn respektive dreißig Prozent. Ferner gingen die Düngemittelpreise im Verlauf der letzten Wochen förmlich durch die Decke, weil die beiden weltweit größten Hersteller – Russland und Weißrussland – ihre Exporte in diesem Bereich zeitlich ausgesetzt haben.

Nicht nur die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, sondern auch viele Länder auf dem asiatischen und afrikanischen Kontinent sehen sich aufgrund der aktuellen Geschehnisse vor eine gefährliche Situation gestellt.

Schließlich erwies sich die Ukraine vor dem Ausbruch des Krieges als größter Exporteur von Getreide und Weizen an afrikanische und asiatische Nationen und als zweitgrößter Lieferant der Europäischen Union in diesem Bereich.

Dass in den meisten deutschen Supermärkten zurzeit kaum noch Sonnenblumenöl erhältlich ist, hat ebenfalls seinen guten Grund. Immerhin erweist sich die Ukraine mit einem Anteil von knapp fünfzig Prozent als weltweit größter Produzent in diesem Bereich. Seit dem Ausbruch des Krieges sind die Exporte des Landes allerdings nahezu zum Erliegen gekommen.

Auch Basisprodukte wie Nudeln und Mehl scheinen in deutschen Supermärkten knapp oder bereits rationiert zu werden. In der vergangenen Woche warnte das World Food Programme (WFP) der Vereinten Nationen vor einer sich potenziell ausweitenden Hungerkatastrophe rund um den Globus.

Machtinteressen haben Vorfahrt vor Wohlergehen der Bevölkerungen

Vor dem Wochenende bediente sich auch US-Präsident Joe Biden einer ähnlichen Warnung. Danach müsse aufgrund der aktuellen Entwicklungen mit Lebensmittelknappheit gerechnet werden. Diese Situation sei real.

Allein aus diesem Blickwinkel stellt sich die Frage, weswegen die Vereinigten Staaten nicht alles Erdenkliche unternehmen, um den militärischen Konflikt in der Ukraine mittels eigenen diplomatischen Bemühungen zu entschärfen?

Hiervon lässt sich weit und breit nichts erkennen. Vielmehr scheint Washington hingegen ein größeres Interesse daran zu hegen, noch beständig mehr Öl ins Feuer dieses Konfliktes zu gießen (Stichwort: Geldtransfers, Waffenlieferungen und Sanktionen).

Fast erweckt es den Eindruck, als ob eine Hinnahme des potenziellen Ablebens von zig Millionen von Menschen aufgrund von Hungerkrisen aus Sicht der herrschenden Klasse der zu zahlende Preis sein mag, welchen der anhaltende Krieg in der Ukraine, die westlichen Sanktionen samt den russischen Kontersanktionen erfordern, so bitter es auch sein mag.

Dass machtpolitische Interessen wenig bis überhaupt keine Rücksicht auf die Bedürfnisse von Zivilbevölkerungen nehmen, ist aus der Geschichte hinlänglich bekannt. Schließlich urteilte bereits Friedrich Nietzsche, dass Staaten die kältesten aller kalten Ungeheuer seien. Hieran hat sich bis heute augenscheinlich nichts geändert.

Während Joe Biden und das Weiße Haus in diesen Tagen nicht müde werden darauf hinzuweisen, dass Lebensmittel- und Rohstoffknappheit ein zu zahlender Preis seien, um Wladimir Putin zu besiegen, fragen sich wahrscheinlich gerade viele Menschen auf der ganzen Welt, weshalb sie für etwas bestraft werden, womit sie überhaupt nichts zu tun haben?!

Trotz hoher Lagervorräte scheint die Versorgungssicherheit in China auf lange Sicht nicht gewährleistet

Erschwerend gesellt sich der Umstand hinzu, dass aus Perspektive der Volksrepublik China trotz der extrem hohen Lebensmittel- und Rohstoffvorräte des Landes in den nächsten Jahren eine Menge an Versorgungsproblemen entstehen könnten.

Denn Tang Renjian, der chinesische Agrar- und Landwirtschaftsminister, warnte bereits im vergangenen Jahr davor, dass die zu beobachtenden Rekordüberschwemmungen in weiten Teilen Chinas zu Problemen in der heimischen Agrar- und Lebensmittelproduktion führen werden.

Danach blicke die Volksrepublik China weitreichenden Problemen aufgrund der Rekordfluten im Herbst letzten Jahres bezüglich der heimischen Lebensmittelproduktion ins Auge. Sowohl viele Landwirte als auch Agrartechniker hätten gegenüber der Pekinger Regierung mitgeteilt, dass die Agraranbaubedingungen im laufenden Jahr zu den schlimmsten in der Historie des Landes zu werden drohten.

Schon zum aktuellen Zeitpunkt weisen sich mehrende Anzeichen darauf hin, dass sich auf globaler Ebene ein neuer Agrar- und Lebensmittelprotektionismus Bahn zu brechen droht. In diesem Zusammenhang hatte auch Ungarn zuletzt mitgeteilt, eigene Agrarexporte bis auf Weiteres auszusetzen.

Solchen Entscheidungen liegen augenscheinlich wachsende Bedenken in Bezug auf die Stabilität und Versorgungssicherheit an den eigenen Agrar- und Lebensmittelmärkten zugrunde.

Eine sich selbst nährende Spirale

Auch dieser Faktor dürfte einen großen Anteil in Bezug auf die anhaltenden Preisteuerungen im Lebensmittelsektor auf sich vereinen. Gleichzeitig werden auf diese Weise an anderer Stelle Knappheit erzeugt, was die Agrar- und Lebensmittelpreise wiederum zu befeuern droht.

Mitte März hatte die Food and Agriculture Organization (FAO) der Vereinten Nationen mitgeteilt, dass die Lebensmittelpreise von den aktuell rekordhohen Niveaus noch einmal um bis zu zwanzig Prozent steigen könnten.

Verantwortlich hierfür sei hauptsächlich eine absehbare Verschlechterung im Bereich der Agraraktivitäten in der Ukraine, wodurch sich die Instabilität an den Lebensmittelmärkten noch einmal zu vergrößern drohe, wie es in einer jüngsten Erklärung des Generaldirektors der Organisation FAO, Qu Dongyu, hieß.

Schon vor einiger Zeit hatte die Russische Föderation zudem bekanntgegeben, Ausfuhren von Weizen und anderen Agrarprodukten temporär einschränken zu wollen. Auch der Export von Düngemitteln wurde durch die Kreml-Regierung gegenüber „feindlich gesinnten Staaten“ bis auf weiteres ausgesetzt.

Angesichts der kurz bevorstehenden Aussaatsaison in den westlichen Industrieländern erweisen sich derartige Entwicklungen gewiss nicht als sonderlich vorteilhaft, weil die diesjährigen Ernten dadurch ebenfalls (vielleicht deutlich) niedriger als im vergangenen Jahr ausfallen dürften.

Diese Zusammenfassung von Roman Baudzus für CK*Wirtschaftsfacts nimmt Bezug auf einen Bericht des World Food Programme (WFP) sowie einen Bericht auf der Seite von Bloomberg.

„Was heißt das für mich konkret!?“ (Roman Baudzus)

Abschließend sei nochmals darauf aufmerksam gemacht, dass es dringende Versuche zu einer Deeskalation des Konfliktes in der Ukraine benötigen würde, wovon sich momentan weit und breit allerdings nichts erkennen lässt.

Im Gegenteil wird auf allen Ebenen eskaliert, um die jeweils eigenen machtpolitischen Interessen durchzusetzen. Aus Sicht der Russischen Föderation bedeutet das, den Krieg in der Ukraine so lange fortzuführen, bis dem Gegner die eigenen Bedingungen einer Kapitulation diktiert werden können.

Mit Blick auf die USA und den Westen drängt sich Beobachtern mehr und mehr der Eindruck auf, als würde die Ukraine als eine Art Rammbock benutzt werden, um die eigenen machtpolitischen Interessen gegenüber der Russischen Föderation mit allen erdenklichen Mitteln durchzusetzen.

Umso länger diese Situation anhalten und von Sanktionen sowie Kontersanktionen geprägt sein wird, muss damit gerechnet werden, dass sich die allgemeine Versorgungslage und die Leistungsfähigkeit des internationalen Logistiksektors weiter verschlechtern werden.

Nachdem die Kreml-Regierung in der vergangenen Woche bekanntgegeben hatte, eigene Gaslieferungen gegenüber „feindlich gesinnten Nationen“ fortan nur noch auf Basis des Rubels abrechnen zu wollen, erfolgte gestern seitens der G7-Nationen eine gemeinsam kommunizierte Absage, um weiter auf Bezahlungen auf Basis des US-Dollars oder des Euros zu pochen, selbst wenn dies ein Zudrehen des Gashahns durch die Russische Föderation zur Folge haben sollte.

Sich hierbei auf „die Rechtmäßigkeit und Achtung von zugrundeliegenden Vertragsbedingungen“ zu berufen, klingt angesichts eines zuvor erfolgten Einfrierens von gut 600 Milliarden Euro an russischen Währungsreserven im Ausland dann doch sehr fad und unausgewogen.

Wie dem auch sei, Versuche einer Deeskalation würden gewiss anders aussehen. Wiederholt sei darauf hingewiesen, dass die hieraus resultierende Zeche die Bürger und Menschen rund um den Globus zu zahlen haben werden. So traurig es auch anmutet.

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