Ein neuer Bericht der Analysefirma Inchcape Shipping Services zeigt, dass dem globalen Handel, der sich bereits vor dem Ausbruch der globalen Coronavirus-Pandemie in einer technischen Rezession befunden hatte, keine Entwicklung nach Art eines klassischen „Vs“ beschieden sein wird.

Keine schlagartige Nachfrageerholung

Christopher Crookall, CCO bei Inchcape Shipping Services, teilte gegenüber Bloomberg mit, dass es mit Blick auf den globalen Handel zu einer bei Weitem langsamer verlaufenden Erholung als zuvor angenommen kommen wird. Hauptgrund hierfür sei die Tatsache, dass die weltweite Nachfrage sich nicht schlagartig erholen werde.

Diese Annahme scheint sich allein schon anhand der ungleichen Entwicklungen in aller Welt abzuleiten. Während momentan der Versuch unternommen wird, die Wirtschaften in Europa und den Vereinigten Staaten nach den staatlich verhängten Lockdowns sukzessive wieder zu öffnen, befinden sich andere Weltregionen noch immer in argen Problemen.

Hierzu gehören allen voran die großen BRICS-Länder Brasilien, Russland und Indien, in denen die Coronavirus-Infektionszahlen zurzeit förmlich explodieren. Auch in anderen Ländern des lateinamerikanischen Raums, darunter Mexiko, Peru, Chile und Ecuador lässt sich angesichts der von der Covid-Front eingehenden Daten alles andere als von einer Beruhigung der allgemeinen Lage sprechen.

Laut Crookall habe sich bislang noch nicht einmal die Situation auf der Angebotsseite auf dem asiatischen Kontinent normalisiert. Gleichzeitig zeichne sich ab, dass die Nachfrage in Europa und den Vereinigten Staaten keineswegs auf eine solch solide Art zurückkehren wird, wie es bisher angestellte Prognosen vorgesehen hätten.

Doch ohne eine deutlich anziehende Nachfrage im Westen werde es asiatischen Fabriken schwerfallen, wieder ihre vor dem Ausbruch der Coronavirus-Pandemie erreichten Niveaus in Produktion und Verkäufen zu erreichen.

Zehn Prozent Rückgang als best case

Die hieraus resultierende Folge? Die vielerorts erhoffte Trendwende im globalen Handel wird ausbleiben oder noch weit länger auf sich warten lassen als bislang prognostiziert. Bedenken Sie bitte, dass die optimistischste seitens Inchcape Shipping Services angestellte Prognose für das Jahr 2020 von einem Rückgang der Geschäftsaktivitäten im globalen Handel in Höhe von zehn Prozent im Jahresvergleich ausgeht.

Auch bei der Firma Arrow Shipbroking wird bestenfalls von einem Rückgang des globalen Handelsvolumens in Höhe von zehn bis zwölf Prozent auf Jahresbasis ausgegangen. Betroffen sei insbesondere die Containerschifffahrt, deren Aktivitäten nach einem massiven Einbruch der Konsumnachfrage in den westlichen Ländern deutlich zurückgegangen seien.

Große Containerschiffe als Rohöllager – Was sagt uns das?

Große Containerschiffe hatten zumindest Glück im Unglück, nachdem ihre Verladebäuche über die vergangenen Wochen und Monate verstärkt zur Lagerung von Rohöl umfunktioniert worden sind.

Allein an dieser Entwicklung lässt sich ermessen, wie stark die weltweite Energienachfrage im Zuge der anhaltenden Pandemie eingebrochen ist. In Asien ließ sich über die vergangenen Wochen eine Verbesserung auf der Nachfrageseite beobachten, während die Wirtschaften in Europa und den USA nur schleppend wieder in Gang kommen.

Überkapazitäten und hohe Arbeitslosigkeit lasten auf vielen Bereichen

Zum Problem werden vor allem die extremen Überkapazitäten in vielerlei Bereichen, allen voran im Fahrzeug- und Energiesektor, die auf den Preisen lasten. Hinzu gesellen sich massiv in die Höhe kletternde Arbeitslosenquoten in den westlichen Ländern, unter denen die USA für den Moment mit Abstand den Spitzenreiter bilden.

Sowohl bei Inchcape Shipping Services als auch bei Arrow Shipbroking wird davor gewarnt, dass die stark wachsende Arbeitslosigkeit, wie auch die Furcht davor, die Konsumnachfrage in den westlichen Nationen noch über einen längeren Zeitraum belasten dürfte. Asiatische Hersteller werden ihre Produktion an diese Entwicklung anpassen müssen.

Management von A.P. Moller-Maersk sieht ein U

In dasselbe Horn stieß im Mai auch die weltweit größte Containerschifffahrtsgesellschaft A.P. Moller-Maersk, die vor einem anhaltend rückläufigen Welthandel im laufenden Jahr warnte. In diesem Zuge goss das Management von A.P. Moller-Maersk einen Eimer Wasser über die Häupter all jener, die im laufenden Jahr von einer V-förmigen Wirtschaftserholung ausgehen.

Vielmehr müsse aus aktueller Sicht – und so wenig sich der weitere Verlauf der Coronavirus-Pandemie abschätzen ließe – mit einer U-förmigen Wirtschaftserholung gerechnet werden. In einer im Mai veröffentlichten Presseerklärung hieß es hierzu im Wortlaut wie folgt: 

Auf das zweite Quartal 2020 blickend, bleibt die Aussagekraft über den weiteren Verlauf der Wirtschaftsaktivitäten aufgrund der anhaltenden Covid-19-Pandemie gering. Wir unterstützen unsere Kunden dabei, ihre Lieferketten aufrechterhalten zu können. Doch im Angesicht der nach wie vor signifikant beeinträchtigten Weltnachfrage rechnen wir damit, dass sich das globale Handelsvolumen im zweiten Quartal in allen Bereichen um bis zu zwanzig bis 25 Prozent als rückläufig erweisen wird.“

Die Welthandelsorganisation (WTO) veröffentlichte Ende Mai ihren jüngsten, globalen Güterhandelsindex, der auf eine schmerzhafte Schrumpfung des Welthandels bis über das zweite Quartal 2020 hinaus schließen lässt (siehe obige Abbildung).

„Was heißt das für mich konkret!?“

Was in den aktuellen Prognosen, so sie denn überhaupt noch sinnvoll angestellt werden können, noch in keiner Weise Berücksichtigung findet ist die Möglichkeit, dass es in einigen Wochen – oder spätestens nach dem Sommer – zum Ausbruch einer neuen Infektionswelle in den westlichen Industriestaaten kommen könnte. Falls dem so wäre, würden Regierungen ihre heimischen Wirtschaften dann ein weiteres Mal komplett herunterfahren und abriegeln? Oder würden Fabriken und Geschäfte weiterhin geöffnet bleiben?

Wenn die optimistischsten Prognosen schon von einem Einbruch des globalen Handels in 2020 von zehn bis zwölf Prozent auf Jahresbasis ausgehen, wie würde es erst aussehen – auch schon einmal mit Blick auf das Jahr 2021 – falls eine Zweitinfektionswelle über Europa und die USA hinwegziehen würde?

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