Um an den gestern veröffentlichten Bericht anzuschließen, so wurde darin inhaltlich die Frage aufgeworfen, wie lange es dauern würde, bis es aufgrund von Ansteckungseffekten und eines einsetzenden Dominoeffektes zu weiteren Pleiten, Pech und Pannen im Krypto-Universum kommen könnte.

Die Antwort auf diese Frage ließ nicht lange auf sich warten, nachdem gestern der Krypto-Kreditgeber BlockFi einen Insolvenzantrag gestellt hat. Wie kaum anders zu erwarten, stößt der enorme Grad der (Kredit-)Vernetzung in dem gesamten Sektor nun augenscheinlich ein Dominosteinchen nach dem anderen an.

Tickende Zeitbomben

Analysten werden nicht müde davor zu warnen, dass weitere tickende Zeitbomben an diesen Märkten jederzeit hochgehen könnten, weshalb Anleger und Investoren im Krypto-Bereich dazu aufgerufen werden, einen hohen Grad der Vor- und Voraussicht walten zu lassen.

An dieser Stelle soll zeitlich noch einmal zurückgeblickt werden. So begab es sich Mitte Mai dieses Jahres,dass das Unternehmen Coinbase die Analystenerwartungen an sein damals erzieltes Quartalsergebnis verfehlt hatte.

Doch nicht nur das. Denn zusätzlich wurden Investoren und Anleger ganz plötzlich auf die Nutzungsbedingungen von Coinbase aufmerksam, in denen es in einem Paragraph wie folgt heißt:

Durch unser Unternehmen verwahrte Krypto-Vermögenswerte sind im Fall einer Insolvenz als Bestandteil der Konkursmasse zu betrachten. Sollte ein Konkurs eintreten, könnten alle Krypto-Vermögenswerte, die wir im Namen unserer Kunden verwahren, Gegenstand eines gerichtlichen Insolvenzverfahrens werden. Hiervon potenziell betroffene Kunden könnten als allgemein unbesicherte beziehungsweise nachrangige Gläubiger behandelt werden.“

In den sozialen Medien machte dieser Paragraph in den Nutzungsbedingungen von Coinbase damals auch ganz schnell die Runde. Vielerorts war das Erstaunen groß. Warum eigentlich?

Denn es stellt sich angesichts des FTX-Zusammenbruchs einmal mehr die Frage, ob es einen Unterschied macht, ob sich ein entsprechender Passus in den Nutzungsbedingungen einer Krypto-Börse nach einem möglichen Zusammenbruch findet und zur Anwendung kommt oder nicht.

Krypto-Börsen im Fokus

Welchen Unterschied hätte ein solcher Passus rückblickend in den Insolvenzfällen von Mt. Gox, Quadriga oder FTX gemacht? Die Gelder waren (sind) so oder so weg. Zumindest wird in den Nutzungsbedingungen von Coinbase ehrlich darauf hingewiesen, dass Anleger, die Kryptos durch eine Krypto-Börse verwahren lassen, ähnlich wie im Fall von Pleitebanken zu nichts anderem als Gläubigern dieser Einrichtungen nach einer Insolvenz degradiert werden.

Aufgrund der sich fortsetzenden Zusammenbruchwelle im Krypto-Sektor rufen aus diesem Grund selbst Insider dazu auf, kein oder möglichst nur wenig Kryptos mittels Krypto-Börsen zu halten oder durch diese verwahren zu lassen. Vielmehr sollte digitales Geld anderweitig deponiert werden.

Nochmals sei die Frage erlaubt, warum sich Krypto-Börsen in Bezug auf deren Nutzungs- und Geschäftsbedingungen von kommerziellen Geschäftsbanken unterscheiden sollten? Über die vergangenen Jahre wurde – insbesondere im Zuge der Griechenland- und Zypernkrise – häufig über sogenannte Bail-In-Gesetzgebungen berichtet.

Übersetzt bedeutet dies nichts anderes, als dass Sie wahrscheinlich in einem Land leben, das – ähnlich wie Zypern – über eine seit der letzten Dekade existierende Gesetzgebung, die die administrative Vorgehensweise im Fall des Zusammenbruchs eines Instituts oder mehrerer Institute regelt, verfügt.

Bail-Ins bedeuten demnach also nichts anderes, als dass Konteninhabern eines potenziellen Pleiteinstituts (ab einem bestimmten Einlagenbetrag) auf gesetzlich legale Weise Geld vom eigenen Konto konfisziert wird, um eine systemisch wichtige Pleitebank auf Kosten von allen Sparern und Konteninhabern „zu retten“ und zu restrukturieren.

Zypern im Jahr 2013

Wer sich an das Jahr 2013 erinnert, dem wird der auf Zypern vorexerzierte Banken-Bail-In wohl noch im Gedächtnis sein. Manche Krypto-Anhänger wiesen zum damaligen Zeitpunkt darauf hin, dass Bitcoin parallel zu diesem Ereignis erstmals den Sprung über die Marke von einhundert US-Dollar geschafft hatte.

In Zypern kam es damals zu einer Teilkonfiskation der Spar- und Konteneinlagen unter Pleitebanken, allen voran unter russischen Konteninhabern, um auf diese Weise das auf der Mittelmeerinsel kollabierte Bankensystem zu rekapitalisieren und wieder aufzurichten.

Im Frühjahr 2013 teilte der damalige Vorsitzende der Eurogruppe, Jeroen Dijsselbloem, mit, dass die Ereignisse auf Zypern als Vorlage für zukünftige Bankenrestrukturierungen auf dem europäischen Kontinent und in der Eurozone zu betrachten seien.

Nur kurz darauf wurde dieses Regime auch in Kanada unter der Regierung des damaligen Premierministers Stephen Harper implementiert. Stephen Harper erklärte damals, dass seine Regierung sich in Bezug auf systemisch wichtige Banken eines ähnlichen Bail-In-Regimes wie in Europa in der Budgetgesetzgebung bedienen würde. Viele andere Jurisdiktionen sind diesem Beispiel danach ebenfalls gefolgt.

Was vielen Menschen seit jenen Tagen vielleicht nicht mehr ganz bewusst zu sein scheint, ist die Tatsache, dass sie auf eine ebensolche Weise zur Kasse gebeten werden, wenn es in ihren Gefilden zum Kollaps einer systemisch wichtigen Bank – oder aufgrund eines Dominoeffekts von gleich mehreren Instituten – kommen sollte.

Wenn es auch gesetzlich eingezogene Obergrenzen gibt, bis zu denen keine Pfändung von Konteneinlagen möglich sein soll, so stellt sich die Frage, ob das im Fall der Fälle tatsächlich ausreichen wird, um eine potenziell umkippende Großbank zu rekapitalisieren und finanziell wieder auf soliden Grund zu stellen.

Konteninhaber werden im Insolvenzfall zu Gläubigern

Es sei nochmals darauf hingewiesen, dass Konteninhaber ihren Banken rechtlich einen Kredit gewähren, wenn sie ihre Gelder bei einem Institut deponieren und verwalten lassen. Die bei Banken deponierten Ersparnisse werden somit also im Insolvenzfall zu „Finanzobligationen“ des entsprechenden Instituts.

Sparer werden dann also zu Gläubigern, um nach einer Insolvenz darauf zu hoffen, zumindest einen Teil ihrer Ersparnisse aus der Konkursmasse zurückzuerhalten. Unterlagen die Bestimmungen zu Banken-Bail-Ins in Kanada anfänglich der Verpflichtung zu zeitlichen Verlängerungen, so hat die Regierungskoalition von Premierminister Justin Trudeau diese Vorgehensweise im Jahr 2018 permanent in das kanadische Gesetzeswerk geschrieben.

In Australien war es schon ein Jahr zuvor zu einer ebensolchen Entwicklung gekommen. Als interessant erweist sich die Tatsache, dass ähnliche Bestimmungen in den Vereinigten Staaten von Amerika bereits vor dem Bankenkollaps auf Zypern im Jahr 2013 Bestand hatten.

Gesetzliche Statuten dieser Art waren bereits Bestandteil der unter der Präsidentschaft von Barack Obama in Reaktion auf die globale Finanzkrise verabschiedeten Finanzmarktreform nach Dodd/Frank im Jahr 2010.

Eine verschärfte Bankenregulierung sollte den Ausbruch einer neuen Finanzmarktkrise in den USA so weit wie möglich ausschließen. Unter der Präsidentschaft von Donald Trump wurde dann eine ganze Reihe von Passagen dieses Gesetzeswerks entschärft und dereguliert, um die heimische Kreditvergabe und die breite Wirtschaft in den USA anzukurbeln.

Eine supranationale Vereinbarung

Aus heutiger Sicht handelt es sich unter Bezugnahme auf Bail-In-Bestimmungen eigentlich um nichts anderes als eine supranationale Vereinbarung, weil die größten Wirtschaftsräume unserer Erde sich dieses Rahmengesetzgebungswerk bezüglich eines zukünftigen Umgangs mit Pleitebanken zueigen gemacht haben.

Warum sollten die Dinge im Fall von Coinbase & Co. also anders liegen? Was Investoren und Anlegern im Krypto-Universum schon seit einiger Zeit auf schmerzhafte Weise bewusst wird, ist, dass Krypto-Börsen Pleite gehen können.

Anders als im Fall von kommerziellen Geschäftsbanken, die zumindest über Nothilfevehikel wie einen Einlagensicherungsfonds verfügen, schauten Krypto-Anleger in verschiedenen Insolvenzfällen – siehe zuletzt FTX – finanziell in die Röhre. Heißt, das Geld ist weg.

Anders als in der Vergangenheit im Fall von kommerziellen Geschäftsbanken eilt die Feuerwehr in Form von Staatsregierungen auch nicht mittels Bailouts zu Hilfe, um den durch einen Krypto-Bankrott Betroffenen ihre Einlagen zu garantieren und zu sichern.

Nur ein Tropfen auf den heißen Stein?

Nicht von ungefähr hat Binance-Chef Changpeng Zhao (CZ) zuletzt die Bildung eines Bailout-Fonds im Krypto-Sektor in Aussicht gestellt. Mittels eines solchen Bailout-Fonds sollen Krypto-Kreditgeber und andere Akteure stabilisiert werden, die, wie jetzt BlockFi, in die Mühlen der FTX-Insolvenz zu geraten drohen.

Ob ein mit einer Milliarde oder maximal zwei Milliarden US-Dollar ausgestatteter Bailout-Fonds wieder Vertrauen in den Krypto-Sektor zurückbringen kann, bleibt indes abzuwarten.

Denn sollten in diesem Bereich nach dem FTX-Zusammenbruch weitere Ponzi- und Schneeballsysteme zutage treten und sich in Schall und Rauch auflösen, so könnte sich dieses Vorhaben lediglich als ein Tropfen auf dem heißen Stein erweisen.

Wie dem auch sei, so darf jedermann für sich selbst entscheiden, ob Krypto-Vermögenswerte in die Obhut von Coinbase oder anderen Verwaltern gegeben werden sollen oder nicht – oder ob Kryptos nicht vielleicht doch besser auf eine andere Weise verwahrt werden sollten.

Was das globale Bankensystem anbelangt, so sind die Statuten seit Jahren festgezurrt und die Weichen in diesem Sektor sind gestellt. Ersparnisse in Fiat-Geld werden im Extremfall nach Bail-Ins teilkonfisziert.

Aus eben jenem Grund empfiehlt es sich, anfassbare Sachwerte außerhalb des bestehenden Bankensystems zu halten. Hierzu zählen Gold und/oder Silber. Hierzu zählen jedoch auch andere Rohstoffe, Kunstwerke, Fahrzeuge, Boote, Flugzeuge (im Fall von großen Vermögen) sowie Farmland und Grundstücke. Der Fantasie und den eigenen Ansprüchen sind keinerlei Grenzen gesetzt.

Ein Markt, tausend Meinungen

Es fällt mir bereits seit einigen Jahren schwer, einen Unterschied zwischen Krypto und Fiat zu erkennen. Hartgesottene Krypto-Anhänger werden wahrscheinlich vehement widersprechen, doch wie immer gilt das Motto: Ein Markt, tausend Meinungen.

Viel interessanter ist, dass weltweit kaum jemand dagegen anzukämpfen scheint, dass möglicherweise bankrotte Geschäftsbanken mittels eines gesetzlich festgeschriebenen Bail-Ins vor einem Zusammenbruch auf Kosten von Konteninhabern und Sparern bewahrt werden können.

Wenn Banken und deren Bondhalter keinerlei Konsequenzen in einem Pleitefall zu befürchten haben, so stellt sich automatisch die Frage, warum diese Institute überhaupt irgendeine Art von Risikomanagement betreiben oder Vorsicht in der eigenen Kreditvergabe walten lassen sollten?

Wen wundert es, wenn sich Marktakteure unter solchen Bedingungen einer Kredithebelung, die ihres Gleichen in der Historie sucht, bedienen?

Dass Bail-In-Gesetze durch Regierungen und Banken inzwischen schon „gestreckt“ werden, um der Bürgerschaft ihren eigenen Willen aufzuzwingen, haben beispielsweise die jüngsten Ereignisse in Kanada gezeigt.

Konfiskation erscheint zu jedem Zeitpunkt möglich

Wir erinnern uns, dass kanadische Bürger mit den „falschen“ politischen Ansichten im Zuge der zu Jahresbeginn stattfindenden Trucker-Proteste nach Verabschiedung einer fragwürdigen Notgesetzgebung temporär ihre Bankkonten eingefroren bekamen und keine Ausgaben mehr tätigen konnten.

Auch wenn sich die kanadische Scotiabank bei ihren Kunden für die eigene Vorgehensweise danach entschuldigt hat, so ist abermals Vertrauen in die Brüche gegangen. Über welche Perspektiven verfügt ein Finanz- und Bankensystem, dem kein oder nur ein unzulängliches Vertrauen entgegengebracht wird? Viele Anleger, die alternativ auf Kryptos gesetzt haben, werden sich nach den jüngsten Ereignissen in diesem Sektor wohl dieselbe Frage stellen.

Im laufenden Jahr haben die Vereinigten Staaten und deren westliche Allianzpartner zudem einen guten Teil der im westlichen Ausland deponierten Währungsreserven von zwei Ländern eingefroren.

Wild West an den Finanzmärkten. Und noch mehr. Wer auch nur einen russisch klingenden Nachnamen hat, scheint in diesen Tagen Gefahr zu laufen, Häuser, Fahrzeuge oder Yachten durch westliche Regierungen in einer Art Hexenjagd konfisziert zu bekommen. Seitens Russlands wurde hierauf mitunter durch eine Konfiskation von durch westliche Unternehmen in Russland gehaltenen Vermögenswerten geantwortet.

Diese Zusammenfassung für CK*Wirtschaftsfacts von Roman Baudzus nimmt Bezug auf einen im Juli 2021 publizierten Analysebericht auf der Seite von gnseconomics.com sowie einen Bericht auf der Seite von cointelegraph.com.

„Was heißt das für mich konkret!?“ (Roman Baudzus)

Was sich anhand dieser nur kleinen Auswahl an Beispielen erkennen lässt, ist die Tatsache, dass innerhalb des Bankensystems gehaltene Vermögenswerte, gleich welcher Art, jederzeit zum Opfer einer Konfiskation werden könnten.

Angefangen bei einer abweichenden ideologischen Sichtweise bis hin zu Vergeltungsaktionen durch staatliche Organisationen und/oder Regierungen gegenüber anderen Drittstaaten und deren Staatsbürgern gibt es auch eine ganze Reihe von anderen Gründen, weswegen „höhere Mächte“ ihre Hände auf Privatgelder oder andere Vermögenswerte legen könnten.

Aus einer solchen Perspektive betrachtet, relativieren sich die im Frühjahr dieses Jahres unter viel Hysterie diskutierten Nutzungs- und Geschäftsbedingungen von Coinbase doch ganz erheblich.

Wer Bitcoins & Co. halten möchte, sollte sich darum kümmern, digitales Geld auf eine entsprechend „sichere“ Weise zu deponieren und zu verwalten, um solch drohenden Gefahren aus dem Weg zu gehen.

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