Unter vielen Beobachtern und Kommentatoren an den Finanzmärkten stellt sich nach dem anhaltenden Crash im Krypto-Sektor die berechtigte Frage, ob diese Situation nicht vielleicht schon bald auch auf andere Finanzmarktsegmente überspringen könnte.

Es sind nicht nur die Krypto-Märkte, sondern auch eine Reihe von anderen hochspekulativen Anlagesegmenten, allen voran der SPAC-Bereich, die in den vergangenen Monaten förmlich eingedampft wurden.

So hat der im vergangenen Jahr einsetzende Abschwung im Krypto-Sektor angesichts des jüngst erfolgten Zusammenbruchs der Krypto-Börse FTX zum nächsten großen Paukenschlag in diesem Marktsegment geführt.

Ein flaues Gefühl macht sich breit…

Analysten und Investoren ergreift das flaue Gefühl, dass FTX wahrscheinlich nicht der letzte Wettbewerber bleiben wird, den dieses Schicksal ereilen dürfte. Im Gegenteil lässt sich nicht einschätzen, wie viele gefährliche (Kredit-)Zeitbomben aufgrund einer allgemein rückläufigen Finanzmarktliquidität, Intransparenz und Bilanzakrobatik – wie im Fall von FTX – noch dort draußen ticken.

Zahlreiche Kritiker der Federal Reserve hatten in der Vergangenheit wiederholt ins Feld geführt, dass die sich aus einer rücksichtslosen Geldpolitik der Zentralbanken ableitende Spekulationsblase an den Finanzmärkten insbesondere die Krypto-Märkte zu einem der vorrangigen Spekulationszentren und Eldorados haben avancieren lassen.

Seit Beginn des enormen Abschwungs an den Krypto-Märkten im Frühjahr 2021 wird unter Insidern und Analysten gemutmaßt, dass viele Marktakteure in diesem Bereich mit bis zu 100-fachen Kredithebeln bei ihren Einsätzen spekuliert haben.

Übersetzt bedeutet das, dass hoch spekulativ veranlagte Marktakteure Kredite und Darlehen im 100-fachen Wert der zugrundeliegenden und als Sicherheiten hinterlegten Basiswerte (in diesem Fall Krypto-Währungen) aufgenommen haben, um diese Mittel für Reinvestitionen an diesen Märkten zu nutzen.

Noch nie so etwas gesehen!

Selbst langjährige und hoch erfahrene Marktteilnehmer trauen angesichts dieser Situation ihren Augen und Ohren nicht. Denn noch bis vor Kurzem wurden schon Hebelgeschäfte im Bereich von zwölf bis 15 als extrem und äußerst riskant erachtet.

Diese „Faustregel“ wurde an den Krypto-Märkten nicht nur ad absurdum geführt, sondern der Grad der Spekulation unter vielen Akteuren in diesem Bereich sucht in der Geschichte der Finanzmärkte seines Gleichen.

Wahrscheinlich war es die vor dem einsetzenden Crash auch unter institutionellen Investoren vorherrschende Euphorie, die mit zu den aktuellen Entwicklungen in diesem Marktsegment beigetragen hat.

Unter Akteuren an den Krypto-Märkten ging bis vor Kurzem vielerorts eigentlich nur noch ein und dieselbe Frage um, die darin gipfelte, wann Bitcoin die Marke von einer Million US-Dollar erreichen würde.

Dass angesichts dieser grenzenlosen Euphorie das Risikomanagement vernachlässigt und die bestehenden Gefahren irgendwann völlig außer Acht gelassen und ausgeblendet wurden, zeigt sich an dem jetzt ausgebrochenen Katzenjammer nach einer geplatzten Spekulationsblase.

„Haus und Hof“ auf eine erhoffte Entwicklung gesetzt

Ähnlich wie im Jahr 2006, in dem es trotz des einsetzenden Abschwungs an den Immobilien- und Häusermärkten in den USA vielerorts hieß, dass die US-Immobilienpreise aufgrund einer historisch außerordentlichen Konstellation nur mehr weiter steigen könnten, haben wohl auch im Krypto-Bereich viele Marktakteure Haus und Hof auf eine solche Vermutung (spekulative Hoffnung) verwettet.

Der exorbitante Grad der Kredithebelung an den Krypto-Märkten hat sich inzwischen ein gutes Stück von seinen ehedem erreichten Hochs entfernt. Von Vorteil ist, dass sich die an den Krypto-Märkten betriebenen Ponzi- und Schneeballsysteme á la FTX nun zu offenbaren beginnen.

So hatten die Betreiber von FTX beispielsweise (Krypto-)Einlagen ohne das Wissen und vorherige Einverständnis der eigenen Kunden dazu verwendet, um hoch spekulative Wetten in anderen Finanzmarktbereichen abzuschließen. Die Kundeneinlagen wurden also durch die Betreiber von FTX dazu genutzt, um eigenen Spekulationsgeschäften nachzugehen.

Ein solches Verhalten ist unter Berücksichtigung der bestehenden Finanzmarktgesetze strafbar. Zu allem Überfluss veröffentlichte die inzwischen untergegangene FTX Exchange kurz vor ihrem Zusammenbruch eine Mitteilung, in der es hieß, gehackt worden zu sein.

In diesem Zuge verschwanden dann zu allem Überfluss auch noch Einlagen im Gegenwert von Hunderten von Millionen US-Dollars von FTX-Kundenkonten. Ob es sich hierbei sogar um einen „Inside-Job“ gehandelt haben könnte, steht bislang noch nicht fest.

Wie dem auch sei, so deutet die aktuelle Situation um FTX auf ein zusammengebrochenes Ponzi-System beziehungsweise eines der größten Anlagebetrugssysteme in der noch jungen Historie der Krypto-Märkte hin.

Dass sich FTX-Gründer Sam Bankman-Fried als einer der größten Spendengeber der Partei der Demokraten in den USA erwies, könnte die Strafermittlungsarbeiten verlangsamen oder vielleicht sogar torpedieren, wie mancherorts gemutmaßt wird. Erwähnt sei, dass die Zahl der Geschädigten laut des inzwischen berufenen Insolvenzverwalters John Ray, III. die Zahl von einer Million überschreitet.

Eine „revolutionäre“ Technologie, aber…

Sowohl eine wachsende Anzahl von Analysten als auch zahlreiche Krypto-Kritiker sind zwar schon seit einiger Zeit der Ansicht, dass Krypto-Währungen zugrundeliegende Technologien vielversprechend und auch „revolutionär“ seien.

Allerdings, so die Warnungen, gehe mit einer Nutzung dieser Technologien kein großer Mehrwert einher. Hartgesottene Bitcoin- und Blockchain-Anhänger werden dies sehr wahrscheinlich anders sehen.

Die Blockchain-Technologie ist nicht Eigentum von irgendjemandem und jedermann könne eine neue Krypto-Währung kreieren und ins Leben rufen. Viele Marktakteure sind auf den fahrenden Zug aufgesprungen, um genau das zu tun.

Während unter bestimmten Kryptowährungen aufgrund von deren Design und Konzept eine künstliche Knappheit induziert wird, gibt es hingegen keine Begrenzung für die potenzielle Anzahl der an den Märkten zu lancierenden und bereits umlaufenden Krypto-Währungen.

Infolgedessen tauchen immerfort neue und miteinander konkurrierende Kryptowährungen auf, ohne dass ein Ende in Sicht ist. Angesichts der aktuellen Ereignisse muss die Frage erlaubt sein, welche dieser Krypto-Währungen mittel- bis langfristig die besten Überlebenschancen aufweisen.

Wenn das aktuell anhaltende Gemetzel an den Krypto-Märkten vorüber sein und der Staub sich gelegt haben wird, werden diese Märkte wahrscheinlich einer weiteren existenziellen Bedrohung durch Zentralbanken und Regierungen ins Auge blicken, welche die Emission und Kontrolle über umlaufendes Geld keineswegs abzugeben bereit sind.

Krypto-Insider rechnen mit noch mehr Ungemach

Allein aufgrund dieser Annahme muss davon ausgegangen werden, dass nur die wenigsten privaten Krypto-Währungen überleben werden – wenn überhaupt. Um die Situation nach dem Kollaps von FTX zu stabilisieren, hat Binance-Chef Changpeng Zhao (CZ) die Gründung eines Stabilisierungsfonds in einem Umfang von einer Milliarde US-Dollar in Aussicht gestellt.

Dieser Fonds könnte, falls nötig, auch auf zwei Milliarden US-Dollar aufgestockt werden. Allein hieran zeigt sich, dass Industrieinsider mit Folgewirkungen aus dem FTX-Kollaps und möglicherweise einer sich fortsetzenden Kette an Insolvenzen im Krypto-Bereich rechnen.

Wie dem auch sei, so deutet momentan alles darauf hin, dass Zentralbanken und Regierungen die Pleite von FTX dazu nutzen werden, um dieses Marktsegment – und dessen Überlebende – in der Zukunft auf eine sich deutlich verschärfende Weise regulieren werden.

Was die Privatsphäre und Anonymität unter Nutzern von Krypto-Währungen anbelangt, so verschaffen sich Behörden nun schon seit geraumer Zeit – allein aus Steuergründen – Zugang zu deren bei Krypto-Börsen hinterlegten Metadaten. Diese Dinge sollen im heutigen Bericht allerdings nur am Rande erwähnt werden.

Ansteckungseffekte drohen

Viel wichtiger ist, ob die geplatzte Spekulationsblase im Krypto-Bereich samt der zuvor zu beobachtenden Hebelwirkungen auf das Finanzsystem an sich überzugreifen droht. Schon in der Vergangenheit ließ sich in solchen Situationen beobachten, dass sich das Ende einer allgemeinen Spekulationsorgie anhand von bestimmten Segmenten abzeichnete.

Die sich forcierenden Zusammenbrüche an den Krypto-Märkten implizieren, dass sowohl der Grad der Spekulation als auch die (Kredit-)Hebelwirkungen an den Finanzmärkten abnehmen. Dass die Luft aus den spekulativsten Bereichen wie den SPAC-, Krypto- oder Tech-Märkten zuerst entweicht, ist allzu logisch - aufgrund von Beobachtungen in der Vergangenheit jedoch auch ein warnendes Zeichen und böses Omen.

Dass stets zuerst das spekulativste Ende der Kette im Finanz-Casino unter Druck gerät, lässt sich im aktuellen Fall anhand von drei Gründen erklären. Allen voran ist es die geldpolitische Straffung unter den großen Zentralbanken (mit Ausnahme der Bank of Japan), eine nahende oder vielleicht bereits vorherrschende Rezession und der unmittelbar einsetzende Winter auf der Nordhalbkugel, der die globale Energiekrise zusätzlich verschärfen könnte.

Anders als in der Vergangenheit haben wir es zudem mit mehreren und sich überlappenden Krisen zu tun. Zentralbanken wird es schwer fallen, gegen diese Wechselwirkungen mittels ihrer Geldpolitik anzukämpfen.

Ein vierter Faktor gesellt sich hinzu, welcher sich anhand eines mit hohem Tempo sinkenden Vertrauens in die Funktionsfähigkeit der Zentralbanken ausmachen lässt. Das globale Platzen einer Spekulationsblase zugrundelegend, handelt es sich hierbei um alles andere als gute Voraussetzungen, um guter Dinge zu bleiben.

Bad News = Good News

Selbstverständlich tragen die sich mehrenden „Unfälle“ (in diesem Zuge sei auch die aktuelle Lage um die Schweizerische Großbank Credit Suisse erwähnt) an den Finanzmärkten zu der Erwartungshaltung eines bald zu verkündenden „Pivot“ in der Geldpolitik der Zentralbanken unter den Marktakteuren bei.

Anders als in den vergangenen zwanzig Jahren ist die Inflation weltweit auf ungeahnte Höhen geklettert, was den Zentralbanken wiederum Daumenschrauben anlegt. Als Zentralbanken wie die Federal Reserve Bank letztmals versuchten, ihre Bilanzbücher abzubauen, stürzten die Kredit- und Vermögensmärkte vor dem Jahreswechsel 2018/2019 ab.

Trotz einer durch die Federal Reserve Bank in Reaktion hierauf bekanntgegebenen Senkung des US-Leitzinses und einer damit einhergehenden Rolle rückwärts implodierten nur kurze Zeit später (im September 2019) die Repo-Märkte.

Dieses Ereignis führte zu einem Ende der quantitativen Straffung (QT) der Zentralbanken. Jetzt unternehmen Zentralbanken den Versuch, ihre Bilanzbücher von einem noch viel höheren Niveau aus zu verringern.

Dabei sei den Verantwortlichen angesichts der sich aktuell abzeichnenden Ereignisse in den hoch spekulativen Marktsegmenten viel Glück sowie Hals und Beinbruch gewünscht!

Auf absehbare Zeit wird es an den Finanzmärkten also wieder Bad News = Good News lauten, weil mit jeder schlechten Konjunkturdatenveröffentlichung die Hoffnung unter institutionellen Investoren und Spekulanten auf einen „Pivot“ unter den Zentralbanken wächst.

Globale Rezession immer wahrscheinlicher

Die Europäische Kommission geht mittlerweile davon aus, dass die Eurozone bis zum Jahresende in eine Rezession rutschen wird. Auch in den Vereinigten Staaten deutet eine seit vielen Jahren nicht mehr in einem solchen Ausmaß wie aktuell inverse Zinskurve auf ein ähnliches Ereignis hin.

Ins Bild passt, dass kürzlich auch der amerikanische Logistikriese FedEx ankündigte, aufgrund der „aktuellen Geschäftsbedingungen“ mit einem Abbau seiner Belegschaft zu beginnen. In der Vergangenheit gab es kaum irgendwelche deutlicheren Anzeichen für das baldige Einsetzen einer Rezession.

Logistikunternehmen, die während der Hauptverkaufssaison des Jahres einen Personalabbau ankündigen, erweisen sich alles andere als ein gutes Omen für die weiter wirtschaftliche Entwicklung. Vielmehr zeigt sich hieran, wie es aktuell um die Konsumbereitschaft unter den Verbrauchern in den Vereinigten Staaten und in Europa bestellt ist.

Selbst Amazon hat einen Abbau von zehntausend Mitarbeiten angekündigt und den Ausblick auf den Geschäftsverlauf im vierten Quartal gesenkt. Es bleibt indes zu hoffen, dass die Energiepreise in den Wintermonaten nicht weiter steigen werden, was im schlimmsten Fall zu Stromausfällen oder sich intensivierenden Energierationierungen in den traditionellen Industrienationen führen könnte.

Es ist fraglich, ob der Finanzsektor dazu in der Lage sein wird, eine weitere Serie von potenziellen Schocks im Abstand von nur wenigen Monaten zu bewältigen. Vielmehr muss einkalkuliert werden, dass ein weiterer großer Einschlag die nächste Stufe im wirtschaftlichen Zusammenbruch einleiten könnte.

Dieser ökonomische Abschwung begann bereits im Jahr 2020. Der globale Finanzsektor steuert abermals auf eine Notlage zu, was ersichtlich wird, wenn man die verfügbaren Quellen und Daten zur globalen Liquiditäts- und Kreditsituation ein wenig eingehender analysiert.

Diese Zusammenfassung für CK*Wirtschaftsfacts von Roman Baudzus nimmt Bezug auf einen bereits im Juli 2021 veröffentlichten Analysebericht auf der Seite von gnseconomics.com sowie einen aktuellen Bericht auf der Seite von marketwatch.com.

Eine Fortsetzung samt abschließender Einschätzung zu den Ereignissen folgt.

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