Die Ausführungen vom vergangenen Freitag werden heute fortgesetzt. In seinem Gespräch mit Pepe Escobar wies Sergei Glasjew darauf hin, dass dem Prozess der De-Dollarisierung ein holpriger und langwieriger Weg beschieden sein wird.

Es handelt sich hierbei also nicht um eine Angelegenheit, die sich angesichts der aktuellen Beschaffenheit des internationalen Finanzsystems im Handumdrehen oder von heute auf morgen erledigen lassen wird.

Geduld ist eine Tugend

Wie sich im Rückspiegel der Ereignisse zeigt, waren die vor dem letztjährigen BRICS-Gipfel vielerorts vorherrschenden Erwartungen an die unmittelbar bevorstehende Einführung einer neuen Handelswährung zu hoch gesteckt.

Doch wer übt sich heutzutage schon noch in Geduld? Nichtsdestotrotz wird an diesem Prozess und den hiermit verbundenen Mechanismen gearbeitet. Es ist Sergei Glasjews Überzeugung, dass die Neue Entwicklungsbank (NDB) eine führende Rolle in diesem Zusammenhang wird einnehmen müssen.

Zu diesem Zweck und einer weiteren Erörterung sei es im vergangenen Jahr zu einem Treffen zwischen Dilma Rousseff, der Vorsitzenden der NDB, und Sergei Glasjew gekommen. So beschäftige sich ein spezielles Gremium des BRICS-Verbundes zurzeit mit Fragen rund um Kreditratings und neu zu lancierenden Digitalwährungen.

Laut Sergei Glasjew sei es dringend angeraten, dass sich die NDB als führende Institution diesen Dingen zukünftig annimmt. Aus diesem Grund sei noch im März oder spätestens im April eine Zusammenkunft in der russischen Hauptstadt Moskau vorgesehen.

Erwähnt sei, dass die Russische Föderation Gastgeberland des diesjährigen BRICS-Gipfels in Kazan sein wird. Im Zuge des demnächst in Moskau geplanten Treffens mit NDB-Chefin Dilma Rousseff werden sich die Gespräche um neue Abwicklungsmechanismen innerhalb des BRICS-Verbundes drehen.

Noch sei allerdings nicht klar, ob die NDB ihre Bereitschaft dazu an den Tag legen wird, die ihr angedachte Führungsrolle in diesem Prozess zu übernehmen. Laut Sergei Glasjew bedürfe es hierzu ein gutes Maß an Überzeugungskraft.

Es werde im Zuge des demnächst geplanten Treffens vor allem darum gehen, Dilma Rousseff davon zu überzeugen, alsbald Gespräche auf höchster politischer Ebene zu organisieren. Denn es sei von höchster Wichtigkeit, diese Pläne in die Agenda des BRICS-Verbundes auf dem im russischen Kazan bevorstehenden Gipfeltreffen zu inkludieren.

Die Dinge liegen nicht ganz so einfach

Oder anders ausgedrückt, werde eine politische Entscheidung benötigt, um den Prozess zu einem Erfolg zu machen. Pepe Escobar wollte in Form einer Gegenfrage wissen, ob eine solche Entscheidung nicht auch persönlich durch Staatspräsident Wladimir Putin getroffen werden müsse.

Sergei Glasjew erwiderte hierauf, dass die Dinge momentan nicht so einfach lägen. Bislang hätten die Staatschefs der Russischen Föderation, Brasiliens und Südafrikas ihre Erklärungen hierzu abgegeben.

In diesen offiziellen Erklärungen hieß es jeweils, dass es sich (mit Blick auf die potenzielle Lancierung einer gemeinsamen Handelswährung) um eine gute Idee handele. Allerdings gäbe es bislang keine gemeinsame Arbeitsgruppe der BRICS-Staaten, die sich mit einem solchen Prozess offiziell beschäftige.

Bereits vor dem letztjährigen BRICS-Gipfeltreffen im südafrikanischen Johannesburg habe Sergei Glasjew laut eigener Aussage die Bildung einer solch supranationalen Arbeitsgruppe angeregt, um im Rahmen einer der nächsten Zusammenkünfte den Grundstein für ein Modell oder gar den Entwurf zu einer verpflichtenden Vereinbarung vorzubereiten.

Zumindest handele es sich hierbei schon einmal um eine offizielle Agenda. Auf dem diesjährigen BRICS-Gipfel in Kazan – wie auch nachfolgenden Jahreszusammenkünften der BRICS-Länder – wird es in diesem Bereich eine Berichtspflicht geben.

„Bürokraten und Experten mangelt es an Kreativität“

Überdies werde es zu Konsultationen zwischen den einzelnen Zentralbanken und Ministern der Finanzen der BRICS-Mitgliedsländer über diese Angelegenheit kommen. Sergei Glasjew gab in diesem Zusammenhang zu bedenken, dass Bürokraten und Experten gemeinhin nicht sonderlich kreativ seien.

Vielmehr sei diesen Personen in den meisten Fällen an einem Erhalt des Status quo gelegen, weil stets davon ausgegangen werde, dass der derzeitige Status quo die beste aller Lösungen sei.

Ganz nach dem Motto, solange es nicht zu einer Verhängung von Sanktionen komme, sei alles in bester Ordnung. Ferner herrsche mancherorts noch immer der Eindruck vor, dass die nach dem Zweiten Weltkrieg durch die USA und Europa geschaffene Weltfinanzarchitektur bequem sei.

Es geschehe öfters, dass darauf hingewiesen werde, wie schwierig es sei, sich vom aktuell existierenden System loszulösen und alternative Wege zu beschreiten. Argumentiert werde dann, dass es sowohl für Unternehmen als auch für Banken mit einem schwierigen Prozess verbunden sein würde, sich anders auszurichten.

Dieselben Leute kümmere es hingegen kaum bis überhaupt nicht zu wissen, dass die Preise an den globalen Märkten hochgradig durch Spekulanten manipuliert werden. Auch die immer stärker zunehmende Volatilität an den internationalen Währungsmärkten werde weitestgehend ausgeblendet.

Sergei Glasjew kritisiert, dass die zuvor durch ihn erwähnten Leute tatsächlich glaubten, dass es sich hierbei um natürliche Prozesse handele. Bürokraten und Experten ließen sich deshalb mit einer religiösen Sekte vergleichen.

Die Mitglieder von religiösen Sekten schafften allerdings keine neuen Innovationen, sondern erwiesen sich vielmehr als Gefahr, solche Prozesse zu blockieren. Dabei braucht man nur den Verlauf der jüngsten Vergangenheit zu betrachten.

Noch vor fünf bis 10 Jahren hieß es, dass die Abwicklung des bilateralen Handels zwischen einzelnen Nationen niemals auf Basis einer Nutzung von nationalen Währungen werde stattfinden können.

Wie sich anhand der aktuellen Entwicklungen zeigt, erweist sich diese Skepsis längst schon durch die Realität überholt. Stets wurde darauf verwiesen, dass langfristige US-Dollar- oder Euro-Verträge ausgehandelt worden seien.

Sergei Glasjew blickt zurück

Sergei Glasjew knüpfte in seinen Ausführungen an diesen Punkt an. Vor gut dreißig Jahren habe er als Außenhandelsminister dem Kabinett von Staatspräsident Boris Jelzin angehört. Schon zu diesem Zeitpunkt sei ihm daran gelegen gewesen, auf die Bezahlung von russischen Export- und Rohstoffgütern auf Basis des Rubels zu drängen.

Denn nicht mehr in US-Dollars zu handeln, hätte den Rubel ab einem solchen Zeitpunkt zu einer alternativen Reservewährung gemacht. Als die Europäer sich dann dazu anschickten den Euro einzuführen, habe Sergei Glasjew laut eigener Aussage damals ein Treffen mit Herrn Prodi gehabt.

In diesem Zuge sei es zwischen ihm und Herrn Prodi zu der Vereinbarung gekommen, fortan Euros und Rubels im bilateralen Handel zu nutzen. Nur kurze Zeit später sei Herr Prodi dann auf ihn (Sergei Glasjew) zugekommen, um ihm mitzuteilen, mit dem zwischen den Jahren 2000 und 2011 amtierenden russischen Finanzminister Kudrin konferiert zu haben.

In diesem Rahmen sei es seitens des ehemaligen Finanzminister Russlands zu einer Absage an einen bilateralen Handel auf Basis des Euros und des Rubels gekommen. Sergei Glasjew bezeichnete diese Vorgehensweise rückblickend nicht nur als Sabotage, sondern schlichtweg auch als reine Dummheit.

In diesem Zusammenhang sprach Sergei Glasjew die in Russland als „fünfte Kolonne“ bezeichneten Staatsdiener und Wirtschaftsführer durch die Blume an. Problem sei aus damaliger Sicht gewesen, dass Mitarbeiter der heimischen Regulierungsbehörden durch den Internationalen Währungsfonds geschult oder geistig beeinflusst worden seien.

Ferner habe sich hierzu das Problem einer zu dieser Zeit überbordenden Korruption in Russland gesellt. Ferner sei es allein schon deshalb nicht vorteilhaft, Erdöl und Erdgas auf Basis des US-Dollars zu verkaufen, weil es eine Vielzahl an Zwischenhändlern in diesem Bereich gäbe, die alle ein Interesse daran hegten, die Preise zu manipulieren.

Russland seien zu jener Zeit aus diesem Grund wichtige Staatseinnahmen entgangen. Noch immer handele es sich laut Sergei Glasjew um ein weltweit in die Jahre gekommenes und höchst verkrustetes Handelssystem.

So werde beispielsweise Erdgas bei Erstunterzeichnung einer Vereinbarung für einen gut zehn Mal niedrigeren Preis in Relation zu jenem Preis, den der finale Käufer für dieselbe Menge auf den Tisch zu legen habe, verkauft.

Gleichzeitig bestünden noch immer zahlreiche institutionelle Hürden, da eine Mehrheit aller Nationen es russischen Erdöl- und Erdgasfirmen noch immer nicht erlaube, diese Rohstoffe direkt an die jeweiligen Endkunden in diesen Ländern zu verkaufen.

Ähnlich verhalte es sich mit Blick auf die privaten Verbraucher. Erdgaslieferanten belieferten private Haushalte nicht direkt mit Gas, sondern stets drängten sich Zwischenhändler in dieses Geschäft, um sich ihr eigenes Stück vom Kuchen abzuschneiden.

Sergei Glasjew geht davon aus, dass seinem Land aufgrund dieser verkrusteten Strukturen nach wie vor hohe Milliardenbeträge an Staatseinnahmen pro Jahr entgehen. Oft seien es auch verschiedene Regierungsbehörden in anderen Ländern, die in diesem Geschäft mitmischten und keine Steuern bezahlten.

Alles sollte ein wenig schneller gehen

Abschließend verwies Sergei Glasjew auf die wirtschaftspolitische Erfolgsbilanz, auf die sein Land in den vergangenen beiden Jahren blicke. Als der Westen (einschließlich Japans) vor gut zwei Jahren seine Sanktionswelle losgetreten habe, habe sich innerhalb von nur kürzester Zeit ein Wechsel von der Nutzung des US-Dollars und des Euros hin zu nationalen Währungen im russischen Außenhandel vollzogen.

Hieran zeige sich, was möglich sei, wenn der politische Wille zu einer solchen Entscheidung erst einmal vorhanden sei. Summa summarum habe sich dieser Prozess sehr schnell, und zwar innerhalb von nur wenigen Monaten, vollzogen.

Nichtsdestotrotz übt Sergei Glasjew auch Kritik. Im Investmentbereich und im bilateralen Handel zwischen den BRICS-Nationen seien zwar die zukünftigen Weichen gestellt worden, was sich nun jedoch auch anhand von sich verändernden Kapitalflüssen widerspiegeln müsse.

Einmal mehr befürchtet Sergei Glasjew, dass die einzelnen Zentralbanken in diesem Bereich (noch) keinen guten Job machen. Gut funktioniere hingegen der bilaterale Handel zwischen der Russischen Föderation und der Volksrepublik China, in dessen Zuge auf Basis des Rubels und des Renminbis (Yuans) abgerechnet werde.

Ein ähnlicher Mechanismus im bilateralen Handel mit Indien sei allerdings gescheitert. Denn Banken, die jene aus dem russischen Exportgeschäft resultierenden Rupien horteten, forderten für eine Leihe dieser Rupien jeweils individuell festzusetzende Zinsen. Die in dieses Geschäft involvierten Banken verfügten dabei über eine ganze Menge Spielraum.

Er wisse selbst nicht, wer letzten Endes, heißt entweder die russische oder die indische Zentralbank, für die aktuelle Situation verantwortlich sei. Aus eben jenem Grund ging Sergei Glasjew noch einmal darauf ein, wie wichtig es sei, dass sich die Neue Entwicklungsbank dieser Angelegenheiten als übergeordnete Institution in der Zukunft annehmen wird, um die weiteren Schritte gemeinsam mit den Führungen der BRICS-Länder voran zu treiben.

Diese Zusammenfassung für CK*Wirtschaftsfacts von Roman Baudzus nimmt Bezug auf ein auf der Seite Zerohedge republiziertes Interview zwischen Pepe Escobar und Sergei Glaziew.

„Was heißt das für mich konkret!?“ (Roman Baudzus)

Anhand der zusammengefassten Aussagen von Sergei Glasjew ist nicht damit zu rechnen, dass es auf dem diesjährigen BRICS-Gipfeltreffen im russischen Kazan zur Ankündigung einer gemeinsamen Handelswährung des BRICS-Verbundes kommen wird.

Hierfür wird es neben Überzeugungskraft augenscheinlich auch noch mehr Zeit benötigen. Allerdings könnte es zu einer offiziellen Ankündigung zur Grundsteinlegung eines solchen Prozesses in diesem Jahr kommen.

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