Angesichts der aktuellen Entwicklungen an den internationalen Erdölmärkten möchte ich heute auf eine Rede zurückblicken, die der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman vor gut vier Jahren gehalten hatte. Darin hieß es auszugsweise wie folgt:

Ich denke, dass das neue Europa der Mittlere Osten sein wird. Das Königreich Saudi-Arabien wird sich in den nächsten fünf Jahren komplett verändern. Auch Bahrain wird komplett anders sein. Und so auch Kuwait. Selbst auf Katar wird dies zutreffen, obwohl wir unsere Differenzen haben. Sie blicken nichtsdestotrotz auf eine starke Wirtschaft. Auch aus Sicht der Kataris wird in den nächsten fünf Jahren alles anders sein. Die Vereinigten Arabischen Emirate, der Oman, der Libanon, Jordanien, Ägypten wie auch der Irak und die Möglichkeiten, die sich hieraus ergeben. Wenn wir mit gutem Beispiel in den nächsten fünf Jahren vorangehen, werden uns all diese Länder folgen. Und so Gott will, wird die nächste globale Renaissance im Zeitraum der nächsten dreißig Jahre im Mittleren Osten aufziehen. Diesen Krieg führen wir Saudis. Und dies ist auch mein Krieg, dem ich mich persönlich annehmen werde. Und ich möchte in diesem Krieg nicht sterben, ohne den Mittleren Osten an der Weltspitze gesehen zu haben. Ich bin davon überzeugt, dass wir dieses Ziel zu einhundert Prozent erreichen werden.“

Öl, Öl, Öl und nochmals Öl!

Der saudische Kronprinz scheint anhand seiner Worte begriffen zu haben, dass Europa dabei ist, sich selbst zu zerlegen. Um seine selbst gesteckten Ziele zu erreichen, setzt Mohammed bin Salman offensichtlich auch in den nächsten Jahren auf jene politische und wirtschaftliche Macht, die ihm durch einen Verkauf von fossilen Brennstoffen wie Erdöl und Erdgas in seine Hände gespielt wird.

Europa, das ressourcenarm ist und lediglich über Kohle in großem Stil verfügt, wird seine politisch forcierte Energiewende unter aller Voraussicht noch wie ein Kloß im Hals stecken bleiben.

Man braucht nur einmal ins Nachbarland der Vereinigten Arabischen Emirate zu reisen, um sich darüber gewahr zu werden, wie dieser glitzerreiche Wüstenstaat trotz zurückliegender Covid-Krise boomt und ökonomisch prosperiert und von jenen durch die Vereinigten Staaten von Amerika und den Westen gegenüber der Russischen Föderation verhängten Sanktionen profitiert.

Spätestens seit letztem Jahr und dem damit verbundenen Beginn des Krieges in der Ukraine fließt russisches Kapital in Massen in das Finanzzentrum der Vereinigten Arabischen Emirate, was einmal mehr Ausdruck dafür ist, auf welche Weise sich führende Staaten des Mittleren Ostens vom Westen zu emanzipieren oder gar abzuwenden beginnen.

Mit der Verkündung einer Neuaufnahme in den BRICS-Verbund haben Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate oder auch Ägypten diesen zu beschreitenden Weg in Stein gemeißelt.

Es lässt sich damit rechnen, dass der politische und wirtschaftliche Einfluss der Vereinigten Staaten von Amerika in dieser strategisch wichtigen Region in den nächsten Jahren weiter abnehmen wird, während der Einfluss der Volksrepublik China parallel hierzu wachsen wird.

Europa wird unter den führenden Nationen des Mittleren Ostens wohl ohnehin nur noch als ein beständig in Washington getroffene Entscheidungen abnickendes Anhängsel der USA wahrgenommen. Und warum auch nicht? Schon seit einiger Zeit kommt dieses Gefühl auch unter vielen Bürgern der EU selbst auf.

West- und Osteuropa ist sozusagen als ein über den Atlantischen Ozean verlängerter Hinterhof Amerikas zu bezeichnen. Die ehedem gehaltene Rede des saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman lässt sich eigentlich nur auf eine unmissverständliche Weise interpretieren.

Untereinander bestehende Differenzen ausräumen

Die Nationen des Nahen und Mittleren Ostens werden im Verbund und in der Hoffnung, die untereinander bestehenden Differenzen – selbst unter Einbezug des Irans – beizulegen, ihre Region mittels eines Ausbaus der fossilen Brennstoffindustrien zukünftig noch mächtiger auf wirtschaftlichem Gebiet machen, um Europa hinter sich zu lassen.

Beobachten lässt sich dies unter anderem seit geraumer Zeit in Katar, wo die Erdgasförderung mittels des Projektes North Field East in den nächsten Jahren signifikant gesteigert werden soll. In diesem Zuge soll zukünftig mehr Gas aus dem Feld South Pars, das sich von der Küste Katars bis in die Küstengewässer des Irans hinein erstreckt, gewonnen werden.

South Pars gilt unter geologischen Gesichtspunkten übrigens als größtes Erdgasfeld unserer Erde. Obwohl auch europäische Konzerne wie TotalEnergies an diesem Projekt beteiligt sind, haben chinesische Konzerne schon seit langer Zeit ihr Augenmerk auf eine wachsende Erdgasförderung vor der katarischen Küste gelegt.

Europas Energiesicherheit soll durch eine zunehmende Belieferung mit katarischem Flüssiggas in den nächsten Jahren gesichert werden. Es fragt sich nur, zu welchem Preis. Was ebenfalls deutlich wird, ist, dass die Länder des Mittleren Ostens noch über mehrere Dekaden fossile Brennstoffe im Überfluss werden fördern können.

In dieser Region denkt niemand daran, am Einsatz von fossilen Energieträgern in den jeweils heimischen Wirtschaften zu sparen. Vielmehr steht eine auf aggressive Weise verfolgte Wirtschaftsexpansion im Zentrum aller zu treffenden Entscheidungen.

Resultat wird voraussichtlich sein, dass der Wohlstand in den meisten dieser Nationen weiter wachsen wird. Der jüngst bekannt gegebene BRICS-Beitritt von Saudi-Arabien, den VAE und des Irans runden diese Erwartungshaltung ab.

Gegen wen will MbS in den Krieg ziehen? – Europa und die USA führen einen Krieg mit sich selbst

Oder um es anders auszudrücken, scheint den Nationen des Mittleren Ostens der sogenannte „Klimawandel“ egal zu sein. Wenn in der Volksrepublik China in kürzester Zeit so viel CO2 ausgestoßen wird wie in Deutschland in den nächsten Jahren eingespart werden soll, so zeigt sich allein hieran, wie weltfremd die ideologischen Sichtweisen deutscher Alt-Parteien sind.

Gegen wen will Mohammed bin Salman überhaupt in den Krieg ziehen? Eigentlich braucht der saudische Kronprinz nur dabei zuzusehen, wie die Länder der Europäischen Union sich selbst und ihre Wirtschaften aufgrund von politisch motivierten Klima-, Emissions- und Co2-Vorgaben im internationalen Wettbewerb ruinieren.

Wenn im selben Zeitraum im Mittleren Osten und auf dem asiatischen Kontinent weiterhin auf eine Nutzung von fossilen Brennstoffen bei einem angedachten Ausbau der Atomenergie gesetzt wird, kann sich jedermann ausmalen, zu welchem Zeitpunkt Europa ökonomisch abgehängt wird, falls es auf dem alten Kontinent nicht schnellstmöglich zu einer politischen Kehrtwende kommen sollte.

Rückblickend lässt sich überdies behaupten, dass nach der unilateralen Verhängung einer Preisobergrenze für russisches Erdöl durch die G7-Staaten erwartungsgemäß eigentlich alles so verlaufen und gekommen ist wie zum damaligen Zeitpunkt gemutmaßt.

Russland drosselt seine Ölförderung und ermuntert andere tonangebende Mitgliedsländer innerhalb des Kartells OPEC+ - allen voran Saudi-Arabien – es ihm gleich zu tun. Das Resultat lässt sich anhand der Ölpreise, die inzwischen schon wieder auf ein neues Jahreshoch geklettert sind, beobachten.

Heute Vormittag stieg der Referenzpreis der Ölsorte Brent trotz eines allgemein eher schwachen Marktes auf über 92 US-Dollar, was darauf schließen lässt, dass die 100-Dollar-Marke schon bald wieder gesehen und getestet werden dürfte.

 

Link zum Bericht: https://markets.businessinsider.com/news/commodities/us-gas-prices-hit-highest-seasonal-level-decade-inflation-fears-2023-9?op=1

 

Die neuerliche Rallye an den globalen Ölmärkten macht sich mittlerweile auch wieder auf schmerzhafte Weise an den Tankstellen und in den Portemonnaies der Verbraucher in den Vereinigten Staaten und vielen Ländern Europas bemerkbar. Ergo lässt sich davon ausgehen, dass die Inflation in den westlichen Industrienationen – durch die Ölpreise getrieben – wieder anziehen wird.

Westliche Notenbanken werden diese Entwicklung sehr wahrscheinlich zum Anlass nehmen, um ihre Leitzinsen weiter zu erhöhen oder zumindest noch für einen längeren Zeitraum auf den aktuellen Niveaus zu belassen.

Der saudische Expansionsdrang hat auch eine Kehrseite

Um auf die Worte von Mohammed bin Salman zurückzukommen, so sei erwähnt, dass sich das Land nicht nur außen-, sondern auch innenpolitisch höchst ambitionierte Ziele gesetzt hat. Hierzu gehören neben einer Expansion der staatlichen Sozialleistungen auch diverse Mega-Bauprojekte, die Saudi-Arabien zukünftig interessanter für den Tourismus machen sollen.

Selbstverständlich hat diese Medaille auch eine Kehrseite. So hat die saudische Regierung seit 2014 fast in jedem aufeinander folgenden Jahr ein Haushaltsdefizit ausgewiesen. In Zeiten von sinkenden Erdölpreisen könnte dieser Umstand auf die Stimmung an den internationalen Finanzmärkten drücken.

Saudi-Arabien würde unter Druck geraten, weshalb das Land allein schon aus diesem Grund ein großes Interesse an steigenden Erdölpreisen hegt. Auch wenn Russlands Kalkül ein wenig anders ist, da die Kreml-Regierung die Einnahmen aus dem Erdöl- und Erdgasgeschäft teils zur Finanzierung ihres anhaltenden Krieges in der Ukraine benötigt, hat das Land ebenso wie Saudi-Arabien in seiner Auseinandersetzung mit dem Westen ein immens großes Interesse an steigenden Erdölpreisen.

Ein Erdölpreis von 70 US-Dollar scheint aus Sicht der führenden Mitgliedsländer der OPEC+ nicht länger hinnehmbar zu sein, obwohl europäische Industrienationen wie Deutschland sich bereits in einer Rezession befinden.

Inflation im Westen wird wohl abermals anziehe

Aus europäischer Perspektive ist dies alles andere als eine gute Nachricht. Denn wenn die Wirtschaftsleistung in Deutschland schrumpft und die Tankstellenpreise wieder anziehen, so wird eine offiziell im Land gemessene Inflation von 6,1 Prozent von diesem Niveau abermals steigen, was wiederum bedeutet, dass die Stagflation sich verstetigt.

Bei einer Stagflation handelt es sich um eine der gesellschaftlich und wirtschaftlich gefährlichsten Entwicklungen, mit der sich nicht nur auch andere Mitgliedsländer der EU – ich hatte kürzlich aus Österreich und Ungarn berichtet – konfrontiert sehen, sondern die Europa finanzpolitisch überaus anfällig für (Zins-)Schocks an den Staatsanleihemärkten macht.

Die Volksrepublik China hat längst erkannt, dass es gilt, in das Vakuum der brachliegenden Beziehungen zwischen Saudi-Arabien und den Vereinigten Staaten hineinzustoßen, um sich langfristige Erdöllieferungen zu rabattierten Preisen aus der Region des Mittleren Ostens zu sichern.

An den Energiemärkten hat das Reich der Mitte – anders als die Europäische Union – augenscheinlich eine ganze Menge richtig gemacht, um sich importpolitisch durch langfristige Lieferverträge mit dem Ausland abzusichern, während im Inland eine Vielzahl von neuen Kohle-, Gas- und Atomkraftwerken gebaut wird.

Dass Erdöllieferungen Saudi-Arabiens an die Volksrepublik China mittlerweile teilweise auf Basis des chinesischen Yuans (Renminbis) abgewickelt werden, lässt erahnen, dass die Saudis immer weniger Rücksicht auf westliche Befindlichkeiten nehmen.

Im Gegenteil hatte Mohammed bin Salman anhand seiner eingangs zitierten Worte bereits vor gut vier Jahren bekräftigt, Europa in den nächsten dreißig Jahren wirtschaftlich überholen und ablösen zu wollen.

Wie dem auch sei, wer an die globalen Aktienmärkte blickt, erkennt, dass die Papiere von Ölkonzernen wie British Petroleum, Shell, CNOOC & Co. in den vergangenen drei Jahren signifikant geklettert sind und sich von ihren im März 2020 ausgebildeten Tiefs teils deutlich erholt haben.

Energiewende: Wenn der Rest der Welt nicht mitmacht…

An den Finanzmärkten wird längst schon durchschaut, dass eine in Europa und in den USA forcierte Energiewende scheitern muss, wenn der Rest der Welt nach wie vor auf eine Nutzung von fossilen Brennstoffen zur Energiegewinnung samt einer Ankurbelung der dortigen Wirtschaftsleistungen setzt.

Es erschließt sich nicht, warum eine solch einfache Arithmetik nicht auch durch politische Vertreter von Parteien wie der SPD oder den Grünen durchschaut und akzeptiert wird. Zumal das energiepolitische Motto „Mit dem Kopf durch die Wand“ dazu zu führen droht, dass Europas Unternehmen und Verbrauchern zukünftig keine günstige, sondern eine beständig teurer werdende Energie Verfügung stehen wird.

Und hier schließt sich der Kreis. Wie weiter oben in diesem Bericht bereits erwähnt, wird Mohammed bin Salman voraussichtlich keinen Wirtschafts- und Ölkrieg gegen die EU führen müssen, um seine ambitionierten Ziele zu einer wirtschaftlichen Überrundung Europas zu erreichen.

Die EU und einzelne Regierungen der EU-Mitgliedsländer tun schon seit einiger Zeit selbst alles dafür, um Europa und Deutschland zwischen den aufstrebenden Mächten China und Russland einerseits und den Vereinigten Staaten von Amerika andererseits aufzureiben und in vielen wichtigen Bereichen ins Hintertreffen geraten zu lassen.

Wie lange die europäischen Bürger hierbei noch tatenlos zuschauen werden, steht wiederum auf einem anderen Blatt. Denn mittlerweile gerät der seit Ende des Zweiten Weltkriegs erarbeitete Wohlstand vielerorts in Europa in Gefahr – und dies allen voran in Deutschland.

Deutschland ist allerdings größter Nettozahler der Europäischen Union. Ist im Motor der deutschen Wirtschaft Sand im Getriebe, so lässt sich davon ausgehen, dass es nicht allzu lange dauern wird, bis sich diese Schwäche auch auf andere Mitgliedsstaaten der EU – und in letzter Konsequenz auch auf die allgemeine Stabilität des Euros – auswirken wird.

Diese Zusammenfassung für CK*Wirtschaftsfacts von Roman Baudzus nimmt Bezug auf zurückliegende Ereignisse wie auch auf aktuelle Beobachtungen des G20-Gipfels in Indien.

„Was heißt das für mich konkret!?“ (Roman Baudzus)

Europa und die USA sollten gewarnt sein, es zukünftig nicht nur mehr mit den Gegnern des eigenen politischen Egos und damit verbundenen Fehlentscheidungen, sondern auch mit einer Phalanx aus aufstrebenden Nationen auf dem asiatischen Kontinent zu tun zu bekommen.

Sollte im Westen kein Umdenken stattfinden, sind die Resultate absehbar. Mohammed bin Salman wird sich vielleicht noch irgendwann zu seinen Lebzeiten dafür auf die Schulter klopfen dürfen, seine selbst gesteckten Ziele – unter Mithilfe seiner politischen Gegner – erreicht zu haben. Die Zukunft wird es zeigen.

Dass mittlerweile immer mehr Deutsche und Europäer über eine Auswanderung nachdenken, lässt sich angesichts der aktuellen Weltentwicklungen nachvollziehen. Wer führende Länder Asiens und der Golfregion bereist, kommt nicht umhin, in dieser Region die ökonomische Zukunft zu erkennen.

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