Die Zinsen sind im Verlauf der letzten zwei Jahre signifikant gestiegen, was nichts daran ändert, dass die Finanzbedingungen in den Vereinigten Staaten trotzdem nach wie vor sehr locker sind.

Grund hierfür ist einerseits, dass die Washingtoner Bundesregierung Geld ausgibt, als gäbe es kein morgen mehr. Andererseits sorgt beispielsweise das im März initiierte Bank Term Funding Program (BTFP) der Federal Reserve Bank dafür, kommerzielle Geschäftsbanken angesichts des erfolgten Anleihe-Crashs durch die Hintertür mit ausreichender Liquidität zu versorgen.

Stets die Motorhaube anheben, um einen Blick darunter zu werfen

An die Aktienmärkte blickend, empfiehlt es sich nun seit vielen Monaten, sich nicht durch ein Blick auf große Indizien wie den Dow Jones oder den S&P 500 Index „beruhigen“ zu lassen, sondern vielmehr stets unter die Motorhaube der oberflächlich sichtbaren Entwicklungen zu blicken.

Böse Zungen in den USA sprechen nämlich beispielsweise schon nicht mehr vom S&P 500, sondern vielmehr nur noch vom S&P 7 Index. Vielleicht lassen sich die wichtigen Titel auf zehn Papiere erweitern.

Letztendlich ist es nur noch eine Handvoll von Titeln, die den amerikanischen Leitindex aufgrund ihrer zunehmenden Indexgewichtung in seinem Verlauf bestimmen, während die übergroße Mehrheit der restlichen Unternehmen kaum mehr eine Rolle zu spielen scheint und der übergeordneten Entwicklung des Indexes hinterher läuft.

In den heutigen Ausführungen erfolgt ein Blick an den Markt für neue Börsengänge, im Jargon auch abgekürzt als IPO-Märkte (Initial Public Offerings) bezeichnet. Zu Beginn des Monats Dezember lag die Anzahl der diesjährigen Börsengänge in den Vereinigten Staaten bei gerade einmal 148.

Es handelt sich hierbei um den niedrigsten Wert innerhalb der letzten sechs Jahre. Analysten weisen in diesem Zusammenhang zudem noch auf einen ganz anderen Umstand hin. Denn die meisten dieser IPOs haben sich seit ihren Börsengängen kurstechnisch mehrheitlich schlecht oder sogar sehr schlecht entwickelt.

Die Qualität der neuen Börsengänge lässt zunehmend zu wünschen übrig…

Allzu viel Freude hat eine Mehrheit der diesjährig neu an der Wall Street gelisteten Papiere Investoren nicht beschert. Durch aktuelle Daten wird diese Beobachtung untermauert. Danach lagen die Kurse von knapp sechzig Prozent aller diesjährigen IPOs Anfang Dezember unter deren Emissions- oder Erstnotierungspreisen.

Als noch gravierender erweist sich die Tatsache, dass 35 der 148 Papiere in Relation zu deren Erstnotierungen zu dem genannten Zeitpunkt unter Wertverlusten von zwischen siebzig und 90 Prozent blicken.

Weitere zwanzig Aktientitel litten unter Wertverlusten, die sich auf zwischen fünfzig und 70 Prozent belaufen. Nicht nur unter Kleinanlegern, sondern auch unter institutionellen Investoren (beispielsweise Pensionsfonds) hat diese Entwicklung selbstverständlich eine ganze Menge an Kritik hervorgerufen.

Im Zentrum dieser Kritik befindet sich die Frage, über welchen Grad der Qualität die im laufenden Jahr neu gelisteten Unternehmen in der Mehrheit eigentlich verfügen?! Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass die Lage am IPO-Markt dem amerikanischen Finanzmarkt imagetechnisch nicht gut zu Gesicht steht.

Surf Air Mobility avanciert unter Investoren zu einem Albtraum

Als eines der erschreckendsten Beispiele erweist sich das Unternehmen Surf Air Mobility. Hierbei handelt es sich um ein durch Venture Capital finanzierte Regionalfluglinie, dessen Management sich die Entwicklung von elektrisch angetriebenen Flugzeugen auf seine Fahnen geschrieben hat.

Wurden die neuen Aktien des Unternehmens Investoren zu einem Preis von zwanzig US-Dollar angeboten, so lag deren Erstnotierung Ende Juli bei gerade einmal fünf US-Dollar (!). Bis Anfang Dezember brach der Aktienkurs der Firma in der Spitze dann auf bis zu 80 Cents ein.

Innerhalb von nicht einmal einem halben Jahr haben Unternehmensinvestoren also einen Totalverlust erlitten. Woran könnte diese grottenschlechte Performance liegen? Eine Antwort auf diese Frage erteilte beispielsweise ein Bericht von MIT Technology Review, in welchem den Konstrukteuren von Elektro-Flugzeugen ein eher trauriger Ausblick beschieden wurde.

Zusammenfassend lässt sich die Aussage in dem oben verlinkten Bericht in etwa wie folgt auf den Punkt bringen: „Die heutzutage angebotenen Batterien verfügen nicht über die nötige Energiedichte, um Flugzeuge, mit Ausnahme von Leichtflugzeugen, anzutreiben. Und selbst im Bereich der Leichtflugzeuge ist die hierdurch zu erzielende Reichweite nur minimal.“

Gegenüber der amerikanischen Börsenaufsichtsbehörde Securities and Exchange Commission (SEC) machte das Firmenmanagement in einer Pflichtmitteilung kürzlich darauf aufmerksam, dass die Überlebensfähigkeit des eigenen Unternehmens von der Aufnahme von zusätzlichem Kapital sowie einer höheren Schuldenaufnahme abhängig sei – und dies nicht einmal ein halbes Jahr nach dem erfolgten Börsengang.

Schon jetzt ist ferner von einer notwendigen „Restrukturierung“ des Unternehmens die Rede, in deren Zuge unter anderem auch Unternehmensausgaben deutlich gesenkt werden sollen. Gegenüber der SEC wurde zudem darauf hingewiesen, dass es trotz allem keine Garantie für ein Erreichen der eigenen Strategiepläne samt einer Aussicht auf unternehmerische Erfolge gäbe.

Hierbei handelt es sich wirklich schon um ein rotzfreches Husarenstück. Zuerst sammelt das Unternehmen Gelder unter Investoren ein, um diesen eine goldene finanzielle Zukunft zu versprechen, um nicht einmal ein halbes Jahr später bereits über ein potenzielles Ableben zu sprechen.

Es mangelt(e) keineswegs an Warnungen unter Analysten

Es gibt eine Reihe von weiteren Beispielen, die dem Unternehmen Surf Air Mobility in nichts nachstehen. Selbst das IPO von Instacart sieht sich aufgrund einer schlechten Performance des eigenen Aktienkurses einer wachsenden Kritik ausgesetzt.

Doch das ist nicht alles. Vielmehr rücken nun auch Analystenwarnungen in diesem Segment ins Zentrum der Betrachtungen, wonach die sogenannten Lockup-Perioden unter vielen neu an der Börse gelisteten Unternehmen im laufenden Monat auslaufen oder bereits ausgelaufen sind.

Heißt also, dass die sechsmonatige Phase, in der Insider ihre eigens gehaltenen Anteile nach einem erfolgten Börsengang nicht verkaufen dürfen, abgelaufen ist oder demnächst ablaufen wird.

Befürchtet wird, dass manche Kurse durch etwaige Insider-Verkäufe noch stärker unter Druck (als ohnehin schon) geraten könnten. Wie dem auch sei, so hat die IPO-Flaute, welche sich im nächsten Jahr aufgrund der diesjährigen Vorfälle noch verschärfen könnte, bereits zu einem Abbau von Tausenden Arbeitsplätzen unter Finanzfirmen an der Wall Street beigetragen.

Blick an die globalen M&A-Märkte

Nicht viel anders stellte sich die diesjährige Situation im wichtigen Bereich der globalen Fusionen und Übernahmen (M&A) dar. Vielmehr ist die Anzahl dieser Deals im Jahr 2023 auf globaler Ebene auf das niedrigste Niveau innerhalb der letzten zehn Jahre gesunken.

Wen verwundert eine solche Entwicklung angesichts der hohen Zinsen, vielerorts vor sich hin dümpelnden Wirtschaften sowie einer signifikanten Zunahme der geopolitischen Spannungen und Konflikte?

Auf einen Bericht von Bloomberg Bezug nehmend, sind die diesjährigen M&A-Deals im Vergleich zum Vorjahr um gut ein Viertel zurückgegangen. Dass dies unter vielen Häusern und Banken an der Wall Street wie auch im Rest der Welt im eigenen Portemonnaie spürbar wird, ist selbstredend.

Seitens der amerikanischen Großbank JPMorgan Chase wird zurzeit nicht damit gerechnet, dass sich an der vorherrschenden Situation an den M&A-Märkten nach der Jahreswende allzu viel ändern wird.

Große Hoffnungen verbindet die gesamte Branche mit dem Ausblick auf möglicherweise sinkende Zinsen in den Vereinigten Staaten im nächsten Jahr. Ob zwei oder drei Senkungen vom aktuellen Zinsniveau einen ausreichenden Beitrag leisten würden, um die Aktivitäten in diesem Bereich wieder deutlich anzukurbeln, wird andernorts bezweifelt.

Vielerorts sei man sich im momentan vorherrschenden Umfeld noch nicht einmal über die durchschnittlichen Bewertungen im Unternehmenssektor einig, was unter potenziellen Käufern ebenfalls zu einer enormen Kaufzurückhaltung geführt habe.

Auch wenn viele Bewertungen über die vergangenen Monate gesunken sind, so trauen sich Investoren momentan wohl nicht so recht, ihre Füße ins kalte Wasser zu halten. Einerseits ist es eine immens hohe Unsicherheit, die hierzu beiträgt.

Andererseits scheint sich gerade kaum jemand so richtig darüber im Klaren zu sein, ob es in vielerlei Unternehmensbereichen nicht noch zu weiteren Anpassungen wird kommen müssen. Der mögliche Ausbruch einer Rezession in den Vereinigten Staaten ist in diesen momentanen Überlegungen mehrheitlich wohl noch nicht einmal enthalten.

Selbst wenn die Zinsen in den USA im nächsten Jahr um bis zu 75 Basispunkte durch die Federal Reserve Bank gesenkt werden sollten, so weisen Kommentatoren darauf hin, dass eine Aufnahme von Schulden trotz allem sehr kostspielig bleiben wird.

Anhand der nachfolgend abgebildeten Grafik wird die Korrelation zwischen Zinsen und Geschäftsaktivitäten im M&A-Bereich ersichtlich.

 

Schon machen Spekulationen an der New Yorker Wall Street die Runde, wonach die schlechte Lage im Private Equity Sektor und im M&A-Geschäft bis weit ins kommende Jahr anzuhalten drohe, was bereits ab Beginn des nächsten Jahres zu einer Verlautbarung von noch mehr Mitarbeiterentlassungen im Bankensektor der Vereinigten Staaten führen könnte.

Diese Zusammenfassung für CK*Wirtschaftsfacts von Roman Baudzus nimmt unter anderem Bezug auf Statistiken auf der Seite stockanalysis.com.

„Was heißt das für mich konkret!?“ (Roman Baudzus)

Wiederholt sei aufgrund der Ereignisse empfohlen, stets einen Blick unter die Motorhaube an den Aktienmärkten zu werfen. Wer im aktuellen Umfeld Dividendentitel hält, wird sein Depot vor allem auf Qualitätsmerkmale und ähnliche Kriterien abklopfen wollen.

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