Europa: Spannungen im Nordosten steigen signifikant – Russland setzt ein Zeichen

Selbst unter Berücksichtigung von teils maßlosen Übertreibungen signalisieren die aktuellen Ereignisse eine signifikante Zunahme der Spannungen im Nordosten des europäischen Kontinents, wo die Ostflanke des NATO-Paktes auf die Grenzen von Belarus und Russland trifft.

Die politischen Spannungen zwischen der Russischen Föderation und dem Westen haben sich nach dem jüngsten Vorfall um die HMS Defender im Schwarzen Meer erwartungsgemäß intensiviert, nachdem die russische Seite laut eigenen Angaben Warnschüsse auf das britische Kriegsschiff abgegeben hatte.

Militärexperten rund um die Welt beobachten mit gerade bangen Blicken, wie die Abhaltung neuer Luftwaffenübungen der Russischen Föderation über dem Schwarzen Meer eine weitere gefährliche Gelegenheit für die Auslösung des nächsten potenziellen Zwischenfalls in dieser Region bieten könnte.

Sorge bereitet die Annahme, dass ein weiterer Zwischenfall dieser Art einen ernsthaften Konflikt zwischen der Russischen Föderation und der NATO auslösen könnte. Es mag durchaus der Fall sein, dass Russlands Luftwaffenübungen nicht von ungefähr zum jetzigen Zeitpunkt über dem Schwarzen Meer stattfinden.

Vielmehr scheint die politische und militärische Führung der Russischen Föderation angesichts der aktuellen und groß angelegten NATO-Übung namens Sea Breeze 2021 in den Gewässern des Schwarzen Meeres ein Zeichen nach Art von „bis hierher und nicht weiter“ setzen zu wollen.

Lückenlose Überwachung von Sea Breeze

Am Wochenende hatte die russische Schwarzmeerflotte die anberaumten Luftwaffenübungen offiziell bestätigt. Unter anderem sollen auch russische Aufklärungsflugzeuge, welche auf die Seeüberwachung spezialisiert sind, aktiv an den momentanen Luftwaffenübungen teilnehmen.

Es besteht kaum mehr ein Zweifel daran, dass den russischen Seeaufklärern die Aufgabe zufällt, den Radius der rund vierzig Kriegsschiffe lückenlos zu überwachen, die momentan an der abgehaltenen NATO-Übung im Schwarzen Meer teilnehmen.

Neben Marineverbänden der NATO partizipieren auch Tausende von Soldaten an Sea Breeze 2021, womit es sich um die größte See- und Marineübung der NATO seit zwei Jahrzehnten handelt.

Gegenüber der Nachrichtenagentur Tass gab die russische Militärführung bekannt, dass sowohl Flugzeugbesatzungen der Marinefliegereinheiten wie auch Luftverteidigungseinheiten der Schwarzmeerflotte eine gemeinsame Übung in Form von Trainingsflügen zusammen mit Luftwaffeneinheiten des südlichen Militärbezirks über dem Schwarzen Meer durchführten.

In diesem Zuge würden sowohl Raketen- als auch Bombenangriffe auf Schiffe eines fiktiven Feindes geprobt. Die Marinefliegereinheiten der Schwarzmeerflotte sahen sich dabei durch Mehrzweckkampfjets des Typs Su-30SM sowie Bomber des Typs Su-24M repräsentiert. Die Luftwaffeneinheiten des südlichen Militärbezirk steuerten unter anderem Kampfbomber des Typs Su-34 und Kampfflugzeuge des Typs Su-27 zu dieser Übung bei, wie es hieß.

Insbesondere Ukraine Beteiligung umstritten – erhöhtes Gefahrenpotential!

Der russische Pressebericht hob ferner die aus Sicht der Russischen Föderation umstrittene Beteiligung der Ukraine an den NATO-Seeübungen hervor. Seitens des Moskauer Kremls wird die bereits seit geraumer Zeit wachsende Nähe Kiews in Richtung der NATO, welche auf Basis von aktuellen Forderungen womöglich zu einer Vollmitgliedschaft der Ukraine in dem westlichen Militärbündnis führen könnte, scharf kritisiert.

Die politische Führung der Russischen Föderation wird nicht müde davor zu warnen, dass ein solcher Schritt unter aller Voraussicht einen Krieg auslösen würden. Bei Tass hieß es unter Bezugnahme auf die zurzeit im Schwarzen abgehaltene Marineübung Sea Breeze 2021 unter Beteiligung der Ukraine, dass russische Kampfflieger und Bomber ihre eigenen Übungen in derselben Region über den Schiffen der NATO abhielten.

Wie die sich schnell entwickelnden Ereignisse im Verlauf der letzten Wochen gezeigt hatten, besteht bei rivalisierenden Militärübungen in unmittelbarer Nähe von umkämpften Gewässern ein sehr hohes Risiko für die Auslösung eines weiteren gefährlichen Zwischenfalls, vor allem dann, wenn NATO-Schiffe oder Flugzeuge des westlichen Militärbündnisses den durch die Russische Föderation beanspruchten Gewässern oder deren Küste zu nahe kommen sollten.

Weißrussland schließt Grenze zu Ukraine

Neue Entwicklungen zeichnen sich nach einer Verhängung von Sanktionen durch die EU auch in Belarus ab. Die Regierung von Weißrussland gab am Wochenende bekannt, den eigenen Grenzverlauf mit der Ukraine ab sofort vollständig zu schließen.

Schon seit einigen Monaten hatte die politische Führung der Ukraine der weißrussischen Regierung den Vorwurf gemacht, sich einer militärischen Aggression gegen das eigene Land bedienen zu wollen.

Die Ukraine blickt auf eine aktuelle Bevölkerungsanzahl von knapp 45 Millionen Einwohnern und Einwohnerinnen sowie auf ein durch die USA ausgebildetes und bewaffnetes Militär. Weißrussland verfügt hingegen gerade einmal über rund neun Millionen Einwohner und Einwohnerinnen und gehört bislang keinem Militärblock an.

Staatspräsident Alexander Lukaschenko hat gegenüber den Grenzbehörden inzwischen die offizielle Anordnung erteilt, die mehr als 1.200 Kilometer lange Grenze zwischen den beiden ehemaligen Sowjetrepubliken zu schließen.

Lukaschenko ließ hierzu die Erklärung folgen, darüber erstaunt zu sein, wie viele Waffen aus der Ukraine nach Weißrussland geschmuggelt würden. Er sei auf diesen Tatumstand schon im vergangenen Jahr eingegangen, als viele Beobachter seinen Worten keinen Glauben schenken wollten.

Es sei nun an der Zeit zu handeln, um derlei Vorgänge im Keim zu ersticken, weshalb er (Lukaschenko) gegenüber den Grenzschützern des Landes die offizielle Anordnung erteilt habe, den gemeinsamen Grenzverlauf mit dem Nachbarland Ukraine komplett zu schließen.

Lukaschenko spricht von Terrorzellen & Saboteuren

Lukaschenko stellte in diesem Zuge auch die Behauptung auf, dass die weißrussische Regierung als Selbstverteidigungsformationen bezeichnete Einheiten im eigenen Land entdeckt und aufgebracht habe. Laut Lukaschenko handele es sich hierbei um nichts Anderes als um eingeschleuste Terrorzellen. Hierauf folgten zusätzliche schwerwiegende Vorwürfe, da Lukaschenko mitteilte, dass diese „Terrorzellen“ durch Litauen, Polen, der Ukraine, den USA und Deutschland unterstützt würden.

Bei allen aufgezählten Nationen handelt es um Mitglieder des NATO-Bündnisses – mit Ausnahme der Ukraine. Doch seit vergangenem Jahr handelt es sich aus Sicht der Ukraine um eine Nation, der sich verbessernde Chancen in Aussicht gestellt worden sind, eines Tages in das westliche Militärbündnis aufgenommen zu werden.

Laut des weißrussischen Staatspräsidenten sei ein Telegram-Kanal unter dem Namen „Belarussische Selbstverteidigungsformationen“, der momentan rund 2.500 Abonnenten aufweise, gegründet worden.

Lukaschenko ging zu diesem Thema noch weiter, darauf hinweisend, dass es sich um einen Kampfverbund handele. In Belarus seien die Mitglieder dieses Kampfverbunds bekannt und stünden dort unter Beobachtung. Bei dem Inhaber des Kanals soll es sich um einen deutschen Staatsbürger namens de Hoffmann, der zuvor Staatsbürger der Russischen Föderation und der Ukraine gewesen sei, handeln.

Ein weiterer Hauptverantwortlicher sei ein Mann namens Dudnikow, ein russischer Staatsbürger, der sich als einer der Hauptmoderatoren des Kanals verdinge. Laut Lukaschenko sei es bereits zur Festnahme einer Sabotagegruppe unter Leitung einer Frau N. Matveyeva gekommen, als diese Gruppierung versucht haben soll, Forstfahrzeuge in Brand zu setzen.

Lukaschenko stellte die rhetorische Frage, was Sinn und Zweck dieser Gruppierung sei und welchen Aktivitäten die Mitglieder dieser Organisation nachgingen. Handele es sich darum, des nachts eine Fahrzeugkolonne in Brand zu setzen, die davon aufgenommenen Bilder ins Internet hochzuladen und auf diese Weise zu demonstrieren, mit allen Mitteln zu kämpfen und den Versuch zu unternehmen, dieses Regime zu Fall bringen?

Laut Lukaschenko seien die Drahtzieher bereits am 8. Juni gefasst und arretiert worden. Deren Versuche seien fehlgeschlagen. Lukaschenko behauptete darüber hinaus, dass auch eine andere Gruppe von Saboteuren den Versuch unternommen habe. eine Kommunikationseinrichtung der russischen Marine in der Stadt Vileika in die Luft zu jagen.

Doch auch in diesem Fall sei es den belarussischen Behörden möglich gewesen, die mutmaßlichen Täter und Drahtzieher zuvor festzunehmen. Laut Lukaschenkos eigener Aussage habe er diesen Vorfall mit seinem russischen Amtskollegen Wladimir Putin auch besprochen.

Der weißrussische Staatschef wies das Außenministerium außerdem dazu an, die Botschafter der an diesen Aktionen vermeintlich beteiligten NATO-Staaten einzuberufen, um von diesen eine Auslieferung weiterer mutmaßlicher Saboteure und Aufständischer einzufordern.

Unter Bezugnahme auf Lukaschenko seien alle Fakten dokumentiert, was dazu führen werde, dass die Schuld der Beteiligten auch bewiesen wird. Es obliege seinem Land und dessen Gerichtsbarkeit noch nicht einmal eine eindeutige Beweisführung zu präsentieren. Denn die Beteiligten würden von selbst darüber sprechen.

Diese Beteiligten würden in diesem Zuge ihre wahren Gesichter zeigen: die Gesichter von Litauern, Polen, Deutschen und Amerikanern.

Lukaschenko fügte an, dass es zu neuen Versuchen komme, Weißrussland unter den Bedingungen eines modernen Hybrid-Krieges zu besetzen. Seitens der Bannerträger der „europäischen Werte“ ließen sich dieselben hehren Worte wie vor achtzig Jahren vernehmen. An der Spitze stünden heute allerdings die gleichen westlichen Eliten.

Gesetzesunterzeichnung Putins als Warnschuss für westliche Technologiekonzerne

Unterdessen befindet sich die russische Regierung dazu auf dem Weg, wieder die Oberhand im Kampf mit größtenteils westlichen Technologiekonzernen á la Facebook, Twitter & Co. zu gewinnen.

Am vergangenen Donnerstag unterzeichnete Wladimir Putin einen Gesetzesentwurf, der die führenden Konzerne auf dem Gebiet der sozialen Medien in der Zukunft dazu zwingen wird, eigene Büros in der Russischen Föderation zu eröffnen.

Wer dieser Verpflichtung nicht nachkommen möchte, dürfte schon bald sich verschärfenden Restriktionen und Repressionen ins Auge blicken. Wie die Nachrichtenagentur Reuters zu den aktuellen Vorgängen berichtet, sähen sich ausländische Konzerne und Firmen, die mittels des Internets in der Russischen Föderation aktiv werden wollten, zukünftig dazu verpflichtet, ein Büro oder anderweitige Geschäftsräume in Russland samt einer dort ansässigen Tochterfirma zu betreiben.

Reuters nimmt Bezug auf Alexander Khinshtein, den Vorsitzenden des Informations- und IT-Komitees der Staatsduma, wonach das jetzt verabschiedete Gesetz für Internetkonzerne gelte, die über eine Leser- oder Zuschauerschaft von mehr als einer halben Million Nutzer Pro Tag verfügten.

Die betreffenden Unternehmen sähen sich fortan dazu verpflichtet, sich bei der staatlichen Kommunikationsregulierungsbehörde Roskomnadzor zu akkreditieren. Wer das nicht tue, unterlaufe die Gesetze der Russischen Föderation und könnte aus diesem Grund mit Strafen wie einem kompletten Werbeverbot belegt werden.

Die meisten der ins Auge gefassten Unternehmen – darunter Google, YouTube, Twitter, Facebook, Telegram oder TikTok – haben ihren Hauptsitz in den Vereinigten Staaten von Amerika. Schon aus aktueller Sicht liegen die meisten der aufgezählten Konzerne mit der Regierung der Russischen Föderation über Kreuz.

Grund hierfür sind unter anderem Vorwürfe des Moskauer Kremls, laut denen dem russischen Oppositionellen Alexej Nawalny und durch die russische Regierung gebannten Aktivisten eine Plattform gegeben werde.

Im Rahmen der jüngsten und in der vergangenen Woche abgehaltenen Telefonsendung mit Staatspräsident Wladimir Putin, teilte der russische Staatschef nach Frage eines Zuschauers mit, dass auf durch westliche Konzerne betriebenen Plattformen (soziale Medien) unter anderem Kinderpornografie, Bauanleitungen für Molotow-Cocktails und Anleitungen zu Selbstmorden veröffentlicht würden.

Solche Inhalte müssten von Haus aus gelöscht und beseitigt werden. Bereits im vergangenen Jahr warf die russische Regierung Twitter vor, sich nicht den in der Russischen Föderation bestehenden Gesetzen unterwerfen zu wollen, woraufhin eine Geschwindigkeitsdrosselung in Bezug auf den Kommunikationsdienst aus dem Silicon Valley in Russland erfolgt war.


Darüber im Bewusstsein, wie populär die Nutzung von sozialen Medienplattformen auch in der Russischen Föderation ist, wird wohl noch einiges mehr geschehen müssen, um zu einer Situation zu gelangen, in der diese Dienste durch die russischen Behörden womöglich vom heimischen Netz genommen werden.

Das durch Wladimir Putin neu unterzeichnete Gesetz wird unter vielen Beobachtern jedoch als eine Art Warnschuss vor den Bug von ausländischen Konzernen in diesem Bereich wahrgenommen, auch wenn die russische Regierung darauf insistiert, dass das neue Gesetz hauptsächlich das Ziel verfolge, den Dialog zwischen der russischen Regierung und diesen ausländischen Konzernen zu verbessern.

„Was heißt das für mich konkret!?“

Wie man die Dinge auch dreht und wendet, es erweckt den Eindruck, als ob das Vertrauen zwischen der Russischen Föderation und dem Westen langfristig im Eimer zu sein scheint. Weder geopolitisch noch sicherheitstechnisch lassen sich aus diesem Umstand vorteilhafte Aussicht ableiten – und zwar weder auf der einen, noch auf der anderen Seite.

Eine Verschärfung dieser Konflikte kann auch nicht im Interesse der politisch Handelnden aus Perspektive der europäischen Sicherheitsarchitektur liegen. Eine ähnliche Situation zeichnet sich mit Blick auf die Volksrepublik China ab, von welcher der wirtschaftliche Grad der Abhängigkeit des Westens (globales Produktionshaus) noch bei Weitem größer ist als von der Russischen Föderation (globaler Energie- und Rohstofflieferant).

Wäre das Ganze nicht bereits an einem Punkt, an dem es ernst zu werden beginnt, ließen sich Vorkommnisse dieser Art vielleicht noch als Austesten des jeweils Anderen und seinen roten Linien bezeichnen. Doch dafür sind die Dinge zu weit fortgeschritten, so dass geopolitische Schocks jederzeit mit ins Kalkül gezogen werden sollten.

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