Dass die Länder des globalen Südens enger zusammenrücken, pfeifen inzwischen die Spatzen von den Dächern. Doch eine zuletzt unterzeichnete Absichtserklärung zwischen Bolivien und der Teheraner Regierung ließ selbst die lateinamerikanischen Nachbarn aufhorchen.

Nicht nur die bolivianische Opposition, sondern auch die argentinische Regierung haben die politische Führung in La Paz offiziell dazu aufgefordert, Details zu einer jüngst in Teheran vereinbarten Absichtserklärung in den Bereichen der Landesverteidigung und der nationalen Sicherheit mit dem Iran offen zu legen.

Der Iran dringt in den amerikanischen Hinterhof vor

Insbesondere unter den bolivianischen Oppositionsparteien wird darüber spekuliert, welcher Natur diese unterzeichnete Absichtserklärung mit dem Iran sein könnte. Oppositionspolitiker werden mit den Worten zitiert, sich keinen Reim auf die aktuellen Ereignisse machen zu können.

Mancherorts heißt es, dass der Iran das eigene Land schon in Kürze mit Flugdrohnen beliefern wird. Andernorts wird wiederum gemunkelt, dass selbst eine Lieferung von Raketen nicht auszuschließen sei.

Darüber hinaus sei nicht nachzuvollziehen, warum die Regierung in La Paz sich auf eine solch komplexe und schwierige Beziehung mit dem Iran einlasse. Wer die Dinge aus einem anderen Blickwinkel betrachtet, mag hingegen auf den Gedanken kommen, dass die Dinge gar nicht so schwierig nachzuvollziehen sind.

Es ist nämlich noch gar nicht so lange her, als die größte Oppositionspartei Comunidad Ciudadana einen im Jahr 2019 durch die Regierung der Vereinigten Staaten unterstützten Putsch gegen den damaligen Sozialisten- und Indigenaführer Evo Morales gut hieß.

Denn auf diese Weise wurde nicht nur Evo Morales aus seinem Staatspräsidentenamt entfernt, sondern in der Folge gelangte auch eine ultra-rechte Regierung unter der politischen Führung der Partei Comunidad Ciudadana an die Macht in La Paz.

Cui bono?

Selbstverständlich stellte sich angesichts der zu beobachtenden Ereignisse zum damaligen Zeitpunkt die immer wiederkehrende Frage, wer oder welche Interessen von einem solchen politischen Machtwechsel am stärksten profitieren würden.

Nicht nur, dass Anhängern der Partei Comunidad Ciudadana in der Vergangenheit des Öfteren der Vorwurf gemacht wurde, diverse Massaker an Unterstützern von Evo Morales begangen zu haben.

Vielmehr stand auch stets der Verdacht im Raum, dass führende Funktionäre der Partei Comunidad Ciudadana Interesse daran gehegt haben sollen, die enormen Lithium-Reserven des Landes an westliche Rohstoffkonzerne auszuverkaufen.

Argentinien ersucht um eine offizielle Stellungnahme

Doch nicht nur die politische Opposition scheinen ob der aktuellen Geschehnisse Fragen umzutreiben. Auch die argentinische Regierung hat die Regierung in La Paz um die Abgabe einer offiziellen Erklärung gebeten.

Unter Bezugnahme auf das argentinische Außenministerium könnten von der unterzeichneten Absichtserklärung mit Teheran Risiken für die nationale Sicherheit Argentiniens und den Rest der Region ausgehen, weil die iranische Führung eine enge Bande mit der libanesischen Miliz Hisbollah unterhalte.

Insbesondere aus diesem Grund wurde die Regierung in La Paz durch das argentinische Außenministerium darum ersucht, von ihren Plänen abzulassen und die eigens getroffene Entscheidung nochmals zu überdenken.

Die durch die argentinische Regierung erhobenen Einwände lassen sich wahrscheinlich auch auf einen terroristischen Anschlag auf das jüdische Gemeindezentrum AMIA in Buenos Aires im Jahr 1994 zurückführen.

Damals kamen im Zuge dieses Anschlages insgesamt 85 Menschen zu Tode, wofür neben dem Iran auch die Hisbollah verantwortlich gemacht wurde. Teheran und die Hisbollah-Führung hatten Bezichtigungen einer Beteiligung an diesem Anschlag stets kategorisch von sich gewiesen.

Nur kurz zuvor hatte das neokonservative Institute for the Study of War in einem Bericht behauptet, dass die zwischen La Paz und Teheran unterzeichnete Absichtserklärung eine zukünftige Belieferung Boliviens mit Flugdrohnen durch den Iran vorsehen würde.

Kooperation zwischen bolivianischer und iranischer Armee soll erweitert werden

An dieser Behauptung könnte durchaus etwas dran sein. Denn erst kürzlich hatte sich der Iran dazu bekannt, die bolivianischen Behörden bei der Bekämpfung des illegalen Drogenhandels zu unterstützen.

Gleichzeitig soll die Zusammenarbeit zwischen der bolivianischen und iranischen Armee intensiviert werden. Seitens des iranischen Außenministeriums hieß es hierzu, dass es den bolivianischen Grenzbehörden nicht nur an Ausrüstung, sondern auch an Know-how mangele, um mit den sich darbietenden Schwierigkeiten auf eine adäquate Weise umzugehen.

In beiden Bereichen werde der Iran Bolivien in der Zukunft Unterstützung leisten. Boliviens Außenminister Novillo wurde indes mit den Worten zitiert, dass es sich im Fall des Irans um ein Paradebeispiel für Nationen handele, die „nach Unabhängigkeit und Frieden streben“.

Zudem habe die islamische Republik im Verlauf der vergangenen Jahre enorme Fortschritte auf den Gebieten der Wissenschaft, der Technologieentwicklung und der Verteidigung trotz der weiterhin aufrechterhaltenen US-Sanktionen gemacht.

Dabei ist Bolivien nicht das erste Land in Lateinamerika, das die Absicht verfolgt, eine Verteidigungs- und Sicherheitspartnerschaft mit dem Iran abzuschließen. Zuvor hatten bereits Nicaragua und Venezuela ähnliche Vereinbarungen mit der Teheraner Regierung getroffen.

Selbst mit dem argentinischen Nachbarn Brasilien befindet sich die iranische Führung in der Zwischenzeit in fortgeschrittenen Gesprächen im Hinblick auf eine zukünftige Intensivierung der gemeinsamen Zusammenarbeit.

Der Iran wird zu einem der weltweit größten Lithium-Abbauländer avancieren

Von Interesse dürfte in diesem Zusammenhang sein, dass der Iran inzwischen zu jener Gruppe von Nationen gehört, die weltweit über die reichhaltigsten Vorkommen an Lithium verfügen.

Zu Jahresbeginn hatte die iranische Führung vermeldet, dass ein sehr reichhaltiges Lithium-Vorkommen im Land entdeckt worden sei. Die bestätigten Reserven sollen sich danach auf 8,5 Millionen Tonnen Lithium belaufen.

Bolivien ist mit geschätzten Reserven von mehr als 21 Millionen Tonnen das global führende Land in diesem Bereich. Aufhorchen ließ zuletzt die Meldung, wonach Bolivien mit anderen führenden Nationen in diesem Bereich, darunter auch Argentinien, die Gründung eines Rohstoffkartells nach Vorbild der Organisation OPEC+ anstrebe.

Wer die Absicht hegt, ein solches Rohstoffkartell in der Zukunft zu begründen, wird an einer Aufnahme des Irans nach den jüngst vor Ort entdeckten Lithium-Funden wahrscheinlich nicht mehr vorbeikommen.

Interessant an diesem Gedanken ist, dass der Iran in einem solchen Fall gleich beiden der größten Rohstoffkartelle auf Erden, der Organisation OPEC+ nebst dem neu zu begründenden Lithium-Kartell, angehören würde.

Der globale Einfluss des Irans dürfte zunehmen

Selbstverständlich würde der weltweite Einfluss der Teheraner Regierung auf diese Weise weiter zunehmen.

Die Anfänge hiervon lassen sich doch bereits beobachten. Wer hätte noch vor Jahren damit gerechnet, dass der iranische Löwe den Mumm aufbringt, um neue Verbindungen und enge Beziehungen zu Nationen im selbst erklärten Hinterhof Amerikas zu knüpfen, in dem es sich die Volksrepublik China schon längst seit einigen Jahren gemütlich gemacht hat?!!

Es wird deshalb interessant bleiben, die weiteren Entwicklungen in Zentral- und Südamerika auf eine aufmerksame Weise zu beobachten. Um an dieser Stelle noch einmal auf die Lage an den internationalen Kobalt-Märkten zurückzukommen, so sei erwähnt, dass der Kongo zuletzt an Marktanteilen in diesem Bereich eingebüßt hat.

Blick auf die Kobalt-Märkte

Lange erwies sich die Demokratische Republik Kongo als weltweiter Platzhirsch im Kobalt-Abbau. Kobalt wird nicht nur in nahezu allen elektronischen Anwendungen, sondern auch in der Herstellung von Lithium-Ionen-Batterien sowie in der Produktion von Elektrofahrzeugen benötigt.

Noch im Jahr 2022 einen Marktanteil von 74 Prozent an der globalen Kobalt-Produktion haltend, soll diese Kennziffer unter Bezugnahme auf aktuelle Prognosen und Studien bis zum Jahr 2030 auf nur noch 57 Prozent sinken.

Insbesondere im Zuge des enormen Ausbaus der Nickelindustrie wird Kobalt in Indonesien in den nächsten Jahren mehr und mehr als begrüßenswertes Beiprodukt anfallen. Obwohl Indonesien sowohl Australien als auch die Philippinen im Jahr 2022 überholt hat, um im globalen Kobalt-Abbau den zweiten Platz hinter dem Kongo einzunehmen, beläuft sich der aktuelle Marktanteil Indonesiens noch immer nur auf gut fünf Prozent.

Nichtsdestotrotz beginnt sich ein klarer Trend abzuzeichnen. Denn nach 2.700 Tonnen im Jahr 2021 baute Indonesien im vergangenen Jahr bereits fast 9.500 Tonnen Kobalt ab. Laut den aktuellen Prognosen soll sich der Kobalt-Abbau in Indonesien bis zum Jahr 2030 (und im direkten Vergleich mit dem letzten Jahr) mehr als verzehnfachen.

Unter Experten geht die Hoffnung um, dass sich die weltweite Abhängigkeit von der Kobalt-Produktion in der Demokratischen Republik Kongo, wo dieser Rohstoff unter extremsten Abbau- und Umweltbedingungen gefördert wird, sukzessive verringern wird.

Schon allein aus diesem Blickwinkel heraus betrachtet stellt sich die Frage, ob Elektroautos im Vergleich mit herkömmlichen Verbrennermotoren tatsächlich so umweltfreundlich sind, wie es in diversen Marketing-Kampagnen wiederholt hervorgehoben wird?!

Denn die Elektrofahrzeugindustrie erweist sich als größter Konsument von Kobalt. Die Nachfrage unter den Herstellern beläuft sich aktuell auf gut vierzig Prozent an der globalen Gesamtnachfrage.

Bis zum Jahr 2030 soll sich die weltweite Kobalt-Nachfrage aufgrund der Annahme einer mit hohem Tempo wachsenden Elektrofahrzeugindustrie von den aktuellen Niveaus noch einmal verdoppeln.

Nichtsdestotrotz konnte sich auch der Kobalt-Preis einer Korrektur an den Rohstoffmärkten, die nun schon seit einigen Monaten anhält, nicht entziehen. Seit Jahresbeginn ist der Kobalt-Preis um fast dreißig Prozent auf knapp 14 US-Dollar pro Pfund gesunken.

Abbaunationen wie die Demokratische Republik Kongo bekommen eine solche Entwicklung besonders stark zu spüren, da dieses Land selbst extrem abhängig von Kobalt- und anderen Rohstoffexporten ist.

Parallel hierzu wachsen die Anstrengungen, in der Batterieherstellung zukünftig mehr und mehr auf Kobalt zu verzichten. Eine ganze Reihe von Beobachtern und Kommentatoren warnt jedoch davor, dass solche Hoffnungen enttäuscht zu werden drohen. Wahrscheinlich nicht von ungefähr sehen aktuelle Prognosen einen Anstieg und eine Verdopplung der globalen Kobalt-Nachfrage auf knapp 400.000 Tonnen jährlich bis zum Jahr 2030 vor.

Diese Zusammenfassung für CK*Wirtschaftsfacts von Roman Baudzus nimmt unter anderem Bezug auf einen Bericht auf der Seite der englischsprachigen Ausgabe von alarabiya.net.

„Was heißt das für mich konkret!?“ (Roman Baudzus)

Spürbar ist und bleibt, dass das Selbstbewusstsein unter den Nationen des globalen Südens gegenüber den westlichen Industrieländern im Wachsen begriffen ist. Verschiebungen auf der geopolitischen Landkarte samt des Ausblicks auf eine seit Jahrzehnten nicht mehr zu beobachtende Umbruchphase werden für unsere Welt ständiger Begleiter in den nächsten Jahren sein. Es gilt, die damit verbundenen Herausforderungen anzunehmen.

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