Anders als bis vor Kurzem noch durch die Staatsregierung von Emmanuel Macron verlautbart, hat der Elysee Palast inzwischen nicht nur seinen Botschafter aus dem Niger zurückbeordert, sondern auch die französische Truppenpräsenz im Niger wird unter aller Voraussicht bis Ende dieses Jahres zu einem Ende kommen.

Eine faustdicke Überraschung

Aus außenpolitischer Sicht und Frankreichs Interessen in dieser Region erweist sich diese getroffene Entscheidung als ein herber Schlag und lässt darauf schließen, dass Frankreich nach den Ereignissen in Mali nicht mehr allzu erpicht darauf zu sein scheint, sich in ein weiteres militärisches Afrika-Abenteuer zu stürzen.

Noch bis vor Kurzem hatten die Dinge ganz anders ausgesehen. Einmal mehr zeichnet sich ab, dass der außenpolitische Einfluss der Franzosen in Westafrika und in der Sahel-Region am Schwinden ist.

Wenn Emmanuel Macron kürzlich öffentlich bestätigte, die militärische Kooperation zwischen Frankreich und der neuen Militärregierung im Niger beenden zu wollen, so lässt dies auf einigen Erklärungsbedarf in der französischen Heimat schließen.

Begründet wurde die getroffene Entscheidung des Elysee Palastes unter anderem aufgrund des mangelnden Willens der neuen Staatsführung des Niger, den (islamistischen) Terrorismus in der Region weiterhin zu bekämpfen.

Im Niger dürften nach dieser Verlautbarung hingegen vielerorts die Sektkorken geknallt haben. Nach dem Ende Juli faktisch erfolgten Militärputsch im Niger bezichtigte die neue Staatsführung die französische Regierung, den gestürzten Präsidenten Mohamed Bazoum mittels einer Militärintervention wieder zurück an die Macht bringen zu wollen.

Frankreich hat die neue Staatsführung im Niger – ebensowenig wie andere westliche Staaten – bis heute nicht anerkannt. Laut Emmanuel Macron werden Frankreichs im Niger stationierte Soldaten abgezogen, weil Frankreich sich nicht in die innenpolitischen Konflikte im Niger involviert sehen und sich nicht zur Geisel einer Putschregierung machen wolle.

Wie zuletzt berichtet, hielt das Tauziehen zwischen den Putschisten und der französischen Regierung über einige Wochen an. Bis vor Kurzem hatte sich der französische Botschafter selbst nach diversen Drohgebärden der nigrischen Militärregierung standhaft geweigert, seinen Posten zu verlassen.

Die eigene staatliche Souveränität wiedererlangen

Der Chef der nigrischen Militärregierung, General Abdourahmane Tchiani, nahm die getroffene Entscheidung des Elysee Palastes hingegen zum Anlass, um dieses Ereignis zu feiern.

Das hiervon ausgehende Signal erweise sich als ein wichtiger und neuer Schritt in Richtung einer Wiedererlangung der vollen staatlichen Souveränität des Nigers. General Tchiani hatte zuletzt ebenfalls darauf aufmerksam gemacht, dass es in etwa drei Jahre dauern werde, bevor es in seinem Land wieder zur Bildung einer zivilen Regierung kommen wird.

Es erfolgte ebenfalls die Warnung, dass imperialistische beziehungsweise neokoloniale Kräfte im Niger nicht mehr länger willkommen seien. Vielmehr deutete General Tchiani darauf hin, dass eine sowohl auf Respekt als auch auf staatlicher Souveränität fußende neue Epoche der Kooperation angebrochen sei.

Wenn man den Rückhalt unter weiten Teilen der nigrischen Bevölkerung berücksichtigt, den die neue Militärregierung des Landes genießt, so wird sich hierin wohl einer der Hauptgründe finden, warum die französische Regierung von einer Intervention in diesem Land abzusehen scheint.

Und damit bestätigt sich einmal mehr, was ich Ihnen über die vergangenen Jahre vor Ort aus Afrika berichtet habe. In vielen Ländern des Kontinents sind es die Bevölkerungen leid, sich von durch den Westen unterstützten oder finanzierten Potentaten regieren zu lassen, die sich nicht nur von hinten bis vorne korrumpieren, sondern auch zu Entscheidungen verleiten lassen, die rein überhaupt nichts mit den Interessen der lokalen Bevölkerungen gemein haben.

Welche Dominosteine kippen als nächstes?

Mohamed Bazoum hat dies im Niger zu spüren bekommen, wo ihm wohl nur die Wenigsten eine Träne nachweinen. Ähnliche Beobachtungen ließen sich zuletzt auch in Burkina Faso, in Mali oder in Gabun machen.

Nach der Ankündigung zu einem Rückzug der insgesamt 1.500 französischen Soldaten aus dem Niger stellt sich überdies die Frage, welche Dominosteine in dieser Region als nächstes zu kippen drohen, und ob sich die von islamistischen Kämpfern ausgehenden Bedrohungen ohne eine (oder unter einer reduzierten) Truppenpräsenz des Westens unter Kontrolle halten lassen werden.

Wer sich an einstige Mahnungen des Peter Scholl-Latour nach Art von „Der Fluch der bösen Tat“ in Erinnerung ruft, wird sich bewusst darüber sein, dass dieser geopolitische Beobachter – wie so häufig in vielen Fällen zuvor – auf die bevorstehenden Umwälzungen in der Region frühzeitig aufmerksam gemacht hatte, vor denen die Staaten der Sahel-Zone stehen würden.

Mittlerweile scheinen wir in diesen prognostizierten Ereignissen mittendrin zu sein. Ob es zu einem ehedem durch Peter Scholl-Latour befürchteten Zusammenbruch bis hinein in die westafrikanischen Atlantikküstenstaaten kommen wird, bleibt abzuwarten, lässt sich allerdings anhand der aktuellen Ereignisse keineswegs ausschließen.

Dass bellende Hunde nicht beißen, hat sich zuletzt auch angesichts der Warnungen der Wirtschaftsgemeinschaft der Westafrikanischen Staaten (ECOWAS) beobachten lassen.

Welcher dieser Staaten hat wohl nicht längst mitbekommen, dass der französische Einfluss im Westen Afrikas und in der Sahel-Zone im Rückgang begriffen ist. Mancherorts wird man sich die Frage gestellt haben, ob es sich tatsächlich als lohnend erweisen würde, auf Seiten der Franzosen einen neuen Stellvertreterkrieg in Afrika zu führen und vom Zaun zu brechen.

Nach dem angekündigten Rückzug der Franzosen aus dem Niger werden die Mitglieder der Organisation ECOWAS, darunter der südliche Nachbar Nigeria, wahrscheinlich kein großes Interesse daran hegen dabei Unterstützung zu leisten, im Niger wieder die altgewohnte Ordnung herzustellen.

Vielmehr dürfte einigen dieser Staatsregierungen angesichts der aktuellen Ereignisse gedämmert sein, dass eine Fortsetzung der momentan zu beobachtenden Umwälzungen auch jederzeit in ihren jeweils heimischen Gefilden nicht ausschließbar wäre.

Keine verlässlicher Partner mehr – Blick an die Uran-Märkte

Nicht zuletzt der desaströse Abzug aus Afghanistan hat der gesamten Welt vor Augen geführt, dass sich die westlichen Nationen unter Führung Washingtons nicht nur in allen Belangen übernommen haben, sondern vielerorts auch nicht mehr als verlässliche Partner angesehen werden.

Der angekündigte Rückzug der französischen Truppenpräsenz im Niger wird ferner zur Folge haben, dass der privilegierte Zugang der Franzosen zu afrikanischen Gold-, Kupfer- und Uranerzgruben zu einem Erliegen kommen wird. Wie im Fall von Gabun zählt auch Erdöl zu diesen dringend benötigten Ressourcen und Rohstoffen.

Historisch betrachtet dominierte Frankreich als größter Käufer von Uran den nigrischen Markt. Ferner übte Frankreich auch einen großen Einfluss auf die Preisgestaltung an den Uran-Märkten der Region aus.

Auf welche Weise Länder wie der Niger ökonomisch ausgebeutet wurden, zeigte sich unter anderem daran, dass Frankreich als faktischer Monopolkäufer gerade einmal einen Preis von 80 Euro-Cent pro Kilogramm Uran bezahlt haben soll, während Kanada für ein Kilogramm Uran rund 200 Euro aufruft.

Anfang September berichtete (Link zu archive.org) die in Nigeria beheimatete Nachrichtenplattform The Spectacle, dass Nigers Militärregierung den heimischen Uran-Preis an den damaligen Weltmarktpreis von 200 Euro pro Kilogramm angepasst habe. Bislang gibt es hierfür jedoch wohl noch keine offizielle Bestätigung.

Nichtsdestotrotz hat diese Meldung seitdem zu einigen Spekulationen, Kontroversen und Dementis im Internet und den sozialen Netzwerken geführt.

Während manche „Faktenprüfer“ der Ansicht waren, aktiv werden zu müssen, und der freien Rede bezüglich dieses Themas einmal mehr einen Maulkorb zu verpassen versuchten, wurde recht schnell deutlich, welche Implikationen mit einer solchen Entscheidung aus Sicht der Uran-Märkte einhergehen würden.

Erstens würde sich anhand dessen der Ausblick ableiten, dass Frankreich einen Bezug von extrem günstigem Uran zukünftig wird abschreiben müssen. Zweitens würde es sich aus Sicht des Niger um einen pragmatischen Schritt handeln, um sich zukünftig nicht nur ein bedeutsam größeres Stück vom (Uran-)Kuchen zu sichern, sondern auch wirtschaftlich auf die eigenen Beine zu kommen.

Denn wachsende Staatseinnahmen ließen sich (abzüglich der in Afrika allseits verbreiteten Korruption) wiederum in die ökonomische Entwicklung des eigenen Landes investieren. Frankreichs Nuklearstromerzeugung hängt wiederum zu einem Anteil von zwanzig Prozent von Uran-Importen aus dem Niger ab.

Im Jahr 2022 beliefen sich die französischen Uran-Importe aus dem Niger laut Le Monde auf 1.440 Tonnen. Hierbei handelte es sich um mehr als die Hälfte des im vergangenen Jahr im Niger produzierten Urans.

Einen Preis von 80 Euro-Cent pro Kilogramm Uran zugrundelegend, beliefen sich die Einnahmen des Niger aus diesem Geschäft auf gerade einmal 1,2 Millionen Euro. Erwähnt sei, dass ein solch berechneter Preis mancherorts bestritten wird.

Orano SA von Sanktionen betroffen

Gesetzt den Fall, dass die Informationen sich als korrekt erweisen, würden die jährlichen Einnahmen des Niger aus dem Uran-Geschäft auf 288 Millionen Euro explodieren. Angesichts der internationalen Sanktionen gegen die Militärregierung des Niger hatte die französische Atomfirma Orano SA eine Aussetzung ihrer Uran-Produktion in einem der im Land betriebenen Werke verkündet.

Resultat dürfte sein, dass sich das Unternehmen in einem wachsenden Ausmaß von anderen Uran-Produzenten wie Kasachstan, Australien oder Kanada abhängig machen wird. Der Niger vereinte im Jahr 2022 einen Anteil von fünf Prozent an der Weltjahresproduktion im Uran-Sektor auf sich.

Unter Berücksichtigung der politischen und wirtschaftlichen Spannungen zwischen dem Westen und der Russischen Föderation kam der Militärputsch im nigrischen Niamey zu einer Unzeit. Immerhin nehmen Russland und der Niger im globalen Ranking die Plätze sechs und sieben in der Uran-Produktion ein.

Wie es Mitte September in einem Bericht auf der Seite von Forbes zu diesem Thema hieß, ließen sich westliche Uranproduzenten bislang nicht von dem in der Sahel-Nation erfolgten Putsch abschrecken.

Allen voran hat die Firma Orano SA bekräftigt, auch in der Zukunft im Niger aktiv bleiben zu wollen. Zudem hat ebenfalls das kanadische Unternehmen Global Atomic verlautbart, den eigenen Betrieb im Niger trotz der politischen Umwälzungen aufrechterhalten zu wollen.

Sanktionen laufen bislang ins Leere

Was Orano SA anbelangt, so hat das französische Unternehmen mitgeteilt, dass die gegen den Niger verabschiedeten Sanktionen das eigene Geschäft vor Ort negativ beeinträchtigen. So wird die Firma ihren Weiterverarbeitungsprozess von Uranerz auf unbestimmte Zeit auf Eis legen.

Der Löwenanteil dieser verhängten Sanktionen ging von der Organisation ECOWAS aus, um die neue Militärregierung im Niger zum Einlenken zu bewegen. Beobachten lässt sich, dass das genaue Gegenteil eingetreten ist.

Zusammen mit Mali und Burkina Faso hatte die nigrische Staatsführung jüngst bekannt gegeben, im Fall einer durch Frankreich organisierten Militärintervention selbst militärisch zurückschlagen zu wollen.

Die meisten Nachbarstaaten haben unterdessen ihre Grenzübergänge zum Niger geschlossen. Damit geht die Intention einher, die Versorgung des Niger aus dem angrenzenden Ausland zu unterbinden.

Dass Sanktionen stets auf die ein oder andere Weise zurückfeuern, zeigt sich mittlerweile auch anhand von Nigeria, das laut eines jüngsten Berichtes auf der Seite France24 nun selbst die Auswirkungen im eigenen Land zu spüren bekommt..

Dieser Zusammenfassung für CK*Wirtschaftsfacts von Roman Baudzus nimmt unter anderem Bezug auf einen Bericht auf der Seite lemonde.fr/en.

„Was heißt das für mich konkret!?“ (Roman Baudzus)

Wie bereits zu einer Reihe von Anlässen in der Vergangenheit berichtet, sind die Würfel in vielen afrikanischen Ländern gefallen. Eine friedliche (Entwicklungs-)Zusammenarbeit mit der Volksrepublik China, die keineswegs gratis und ohne chinesisches Anspruchsdenken daher kommt, wird einer Kooperation mit dem Westen vorgezogen.

Auf dem afrikanischen Kontinent ist mittlerweile erkannt worden, dass es gilt, die alte Bande zu den ehemaligen Kolonialstaaten Europas zu lösen, um politisch, wirtschaftlich und unter Umständen auch sozial-gesellschaftlich dorthin zu gelangen, wo man in der Zukunft hin möchte.

Dass Äthiopien, Ägypten und Südafrika nun dem Kreis der BRICS-Nationen angehören, übt Strahlkraft auf alle anderen afrikanischen Nationen aus. Das Tauziehen um Afrika ist aus meiner Sicht entschieden. Der BRICS-Block hat vor Ort die Oberhand.

Was dem Westen bleibt, ist das, was Peter Scholl-Latour bereits vor zwei Jahrzehnten angekündigt hatte. Namentlich ist das „der Rückzug des weißen Mannes“. Anhand des französischen Truppenabzugs aus dem Niger lässt sich einmal mehr darauf schließen, dass dieses Rückzugsgefecht in vollem Gang ist und aus westlicher Sicht wohl verloren wirkt.

Allen Lesern sei ein schönes Wochenende gewünscht!

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