Die Situation im afrikanischen Sahel beobachtend, beginnt sich ein weiterer Militärkonflikt in dieser Region anzukündigen. Wer sich rückblickend die zahlreichen Warnungen vor einer westlichen Militärintervention in Libyen in Erinnerung ruft, mag sich darüber gewahr werden, dass sich die ehedem hiermit verbundenen Prognosen mit ein wenig Zeitverzug bewahrheiten könnten.

Die einstigen „Prophezeiungen“ des Muammar al-Gaddafi

Es war vor seinem Sturz unter anderem der libysche Staatschef Muammar al-Gaddafi selbst, der in einem Interview mit einer französischen Zeitung skizzierte, was denn geschehen würde, wenn man ihn gewaltsam aus seinem Amt entfernen würde.

Einerseits werde Libyen in einem solchen Fall wie ein Scheunentor für die illegale Migration aus Afrika in Richtung der Europäischen Union offen stehen. Wer sich der Entwicklungen in den vergangenen zwölf Jahren gewahr ist, erkennt, dass diese „Prophezeiung“ vollumfänglich eingetreten ist.

Andererseits war damit zu rechnen, dass sich radikale islamistische Organisationen in der gesamten Sahel-Region bis hin in die Nationen an der afrikanischen Atlantikküste ausbreiten würden, um durch ein im Bürgerkrieg versinkendes Libyen mit Waffen überflutet zu werden.

Unter anderem die im Gefolge des Sturzes von Muammar al-Gaddafi erfolgte Militärmission des Westens in Mali legt hierüber Zeugnis ab.

Sonderlich erfolgreich, geschweige denn stabilisierend, ist diese westliche Militärmission augenscheinlich nicht ausgefallen, wenn berücksichtigt wird, wie diverse Militärputsche in den Nachbarnationen Libyens die Sahel-Region politisch aus den Angeln zu heben drohen.

Militärischer Showdown in der Sahel-Region?

Wer daran geglaubt haben mag, dass die westliche Militärmission in Mali vor ihrem Ende stehen könnte, wird momentan eines Besseren belehrt.

Vielmehr deutet die nach dem im Niger erfolgten Militärputsch zu beobachtende Situation darauf hin, dass es zwischen der dort amtierenden Militärregierung auf der einen sowie Frankreich und den Vereinigten Staaten auf der anderen Seite zu einem militärischen Showdown zu kommen droht.

Die beiden Sahel-Nationen Burkina Faso und Mali haben dem Niger für einen solchen Fall bereits ihre militärische Hilfe und andere Unterstützungsleistungen zugesagt. Sowohl die Vereinigten Staaten als auch Frankreich unterhalten jeweils kleine Truppenkontingente im Niger, die in den nächsten Tagen nicht nur verstärkt werden sollen, sondern überdies auch Unterstützung durch die Staaten der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS) erhalten könnten.

Die Lage spitzt sich insbesondere zwischen dem Élysée Palast und den Militärputschisten im Niger zu. Denn der französische Staatspräsident Emmanuel Macron hat unterdessen ein durch die Militärregierung des Niger gesetztes Ultimatum verstreichen lassen, das Frankreich dazu aufforderte, sowohl seine vor Ort stationierten Truppen als auch sein Botschaftspersonal nach Hause zu beordern.

Nach Ablauf dieses Ultimatums ist es unter Bezugnahme auf Angaben des französischen Außenministeriums zu einer ersten Verhaftung eines französischen Offiziellen im Niger gekommen.

Verschiedene Nachrichtenagenturen nehmen Bezug auf eine Mitteilung des französischen Außenministeriums auf der Plattform X, zuvor unter dem Namen Twitter bekannt, wonach Stephane Jullien, Rechtsberater für im Ausland lebende Franzosen, am vergangenen Freitag im Niger verhaftet worden sei.

Angespannte Lage droht zu eskalieren

Inzwischen hat das französische Außenministerium die Militärregierung im Niger zu einer sofortigen Freilassung von Stephane Jullien aufgefordert. Auch der französische Botschafter im Niger wurde durch Staatspräsident Emmanuel Macron darum ersucht, trotz der hiermit verbundenen Risiken und nach einer zuvor erfolgten Ausreiseaufforderung auf seinem Posten zu verbleiben.

Die ohnehin bereits angespannten Beziehungen zwischen Frankreich und dem Niger könnten sich in den nächsten Tagen noch weiter verschlechtern. Im Fall des Nigers handelt es sich wie bei den meisten Ländern der Sahel-Region und Westafrikas um eine ehemalige französische Kolonie.

Es steht bislang nicht fest, ob die französischen Behörden wissen, an welchem Ort sich der verhaftete Stephane Jullien befindet. Wie dem auch sei, so werden die 1.500 durch Frankreich im Niger stationierten Soldaten an Ort und Stelle verbleiben.

Dieses Truppenkontingent wurde einst zur Unterstützung von lokalen Sicherheitskräften der durch die Putschisten aus ihrem Amt gefegten Regierung des Niger im Kampf gegen radikale Islamisten vor Ort stationiert.

Inzwischen wurde die militärische Kooperation mit Frankreich durch die Militärregierung des Niger aufgekündigt. Je mehr Tage seit dem erfolgten Putsch vergehen, desto schwieriger dürfte sich ein potenzielles Eingreifen durch Frankreich zur Wiederherstellung der vorherigen Verhältnisse erweisen.

In einem Berichtdes Finanzdienstleisters Bloomberg hieß es hierzu am Rande des in Indien staatfindenden G20-Gipfels am vergangenen Sonntag, dass Emmanuel Macron einem Abzug der französischen Truppen aus dem Niger nur dann zustimmen würde, falls der aus seinem Amt entfernte und gestürzte Staatspräsident Mohamed Bazoum ihn hierum ersuchen sollte.

Laut Emmanuel Macron werde seine Regierung nicht auf Ultimaten und Forderungen der Putschisten im Niger eingehen, geschweige denn die dortige Militärregierung diplomatisch anerkennen.

Die Uhr tickt

Laut diesen Forderungen sollten die im Niger stationierten Soldaten Frankreichs das Land bis spätestens zum 3. September verlassen haben.

Wie Amadou Abdramane, Sprecher der Militärregierung in der Hauptstadt Niamey, in einer Erklärung auf dem staatlichen Sender Tele Sahel bekannt gab, sei es zwar zu Gesprächen über einen französischen Truppenabzug gekommen. Allerdings seien in diesem Zusammenhang bislang keine Fortschritte erzielt worden.

Seit dem im Monat Juli erfolgten Putsch im Niger hatte Emmanuel Macron wiederholt erklärt, sich hinter eine potenziell zu treffende Entscheidung der Mitglieder der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS) zu einem militärischen Eingreifen im Niger zu stellen, um die vorherigen „demokratischen“ Verhältnisse im Land wieder herzustellen.

In den vergangenen Tagen haben führende Köpfe der Putschisten die französische Regierung nun bezichtigt, Militärkräfte und militärische Ausrüstungsgüter in verschiedenen Staaten Westafrikas, darunter Benin, dem Senegal und der Elfenbeinküste zusammenzuziehen bzw. verbracht zu haben, um sich auf eine Militärintervention im Niger vorzubereiten.

In diesem Zusammenhang ist inzwischen bekannt geworden, dass Nigers Militärregierung ein bislang bestehendes Militärabkommen mit Benin aufgekündigt hat. In einem Bericht des arabischen Senders Al Jazeera hieß es hierzu, dass die Putschisten im Niger der französischen Regierung den Vorwurf machen, gemeinsam mit einzelnen Mitgliedsstaaten der Organisation ECOWAS in den Niger einmarschieren zu wollen.

Der Kreis schließt sich

Und so könnte sich die auf das Jahr 2011 zurückgehende Militärintervention des Westens zum Sturz von Muammar al-Gaddafi letztendlich doch noch zu dem einst befürchteten großen und sich auf die Sahel-Region ausweitenden Krieg entwickeln – und dies unter Beteiligung des Westens.

Wie viele Nationen des Sahels und Westafrikas in diesen potenziellen Konflikt hineingezogen werden könnten, lässt sich aus momentaner Sicht nur erahnen. Es würde allerdings kaum verwundern, falls sich im Sahel ein weiterer Stellvertreterkrieg zwischen dem Westen und der Russischen Föderation entwickeln sollte.

Während chinesische Unternehmen in vielen Nationen des afrikanischen Kontinents eifrig dabei sind, Infrastrukturprojekte vor Ort vom Reißbrett zu entwerfen und schnellstmöglich umzusetzen, hat auch die Moskauer Kreml-Regierung ihren Einfluss auf dem afrikanischen Kontinent in den letzten Jahren signifikant ausgeweitet.

Ich bin hierauf unter anderem in meinem Bericht China und Russland – der Griff nach Afrika eingegangen. Zu erwarten steht, dass weder die Russische Föderation noch die Volksrepublik China tatenlos von der Seitenlinie aus dabei zusehen werden, wie Nord- und Westafrika im absoluten Chaos versinken werden.

Wer auf den seit dem Jahr 2011 in Libyen immer wieder aufflammenden Bürgerkrieg blickt, erkennt, dass sich die einstigen Warnungen von Muammar al-Gaddafi, was auch immer man persönlich von dem nordafrikanischen Mahbul gehalten haben mag, manifestiert haben.

Erinnerungen an Afrikas „Dritten Weltkrieg“ werden wach

Es genügt in diesem Zusammenhang schon, sich vor Augen zu führen, wie viele miteinander konkurrierende Mächte, angefangen beim Westen über die Türkei bis hin zu Russland sich in die innenpolitischen Angelegenheiten des einstmals mit am fortschrittlichsten entwickelnden Landes auf dem afrikanischen Kontinent inzwischen verstrickt sehen.

Unter jenen, die auf die aktuelle Situation in Westafrika und in der Sahel-Region blicken, könnten leichterdings Erinnerungen an den „afrikanischen Dritten Weltkrieg“ im Kongo wach werden, in den sich zahlreiche Nationen des Kontinents involviert sahen.

Noch besteht die Hoffnung, dass sich die Dinge in der Sahel-Region auf eine friedliche und diplomatische Weise beilegen lassen werden, doch mit jedem verstreichenden Tag wird dieser Funke der Hoffnung beständig kleiner.

Unter Bezugnahme auf den nigrischen Putschisten-Sprecher Amadou Abdramane seien schon mehrere französische Transportmaschinen, die mit militärischen Ausrüstungsgütern aller Art beladen gewesen seien, in der Elfenbeinküste, Benin, dem Senegal und anderen Nationen in Afrika gelandet, um sich auf eine Militärintervention im uranreichen Niger vorzubereiten.

Auch die Vereinigten Staaten, die über rund .1.100 im Niger stationierte Soldaten verfügen, haben unter Bezugnahme auf das amerikanische Außenministerium damit begonnen, einzelne Truppenteile „aus Sicherheitsgründen“ in die zentralnigrische Stadt Agadez zu verlegen.

Südafrikas Außenministerin brüskierte Macron

Böse dürften Emmanuel Macron zuletzt auch die Worte der südafrikanischen Außenministerin Neli Pandor aufgestoßen sein. In einem Bericht der Nachrichtenagentur AFP hieß es vor dem in Johannesburg stattfindenden BRICS-Gipfel, dass Neli Pandor das Interesse von Emmanuel Macron an einer Teilnahme an dieser Zusammenkunft belächelt habe.

Dieses Interesse von Emmanuel Macron sei vielmehr amüsant, wie Neli Pandor sich damals ausdrückte. Es sei keine Einladung an Emmanuel Macron versendet worden und eine Teilnahme des französischen Staatspräsidenten am BRICS-Gipfel sei nicht vorgesehen, wie es damals hieß.

Das Interesse von Emmanuel Macron an einer Gipfel-Teilnahme ließ sich nachvollziehen, da neben einer Ausweitung des BRICS-Staatenverbundes durch neu aufzunehmende Mitglieder vor allem das Thema Afrika im Zentrum der Gipfelverhandlungen stand.

Emmanuel Macron wird angesichts der aktuellen Lage im Niger jetzt ein Déjà vu zuteil, weil Frankreich schon nach den Militärputschen in Mali im Jahr 2021 und in Burkina Faso im Jahr 2022 seine dort stationierten Truppen auf Druck der neuen Machthaber aus diesen Nationen zurückziehen musste.

Noch im Dezember des Jahres 2018 hatte Emmanuel Macron hingegen öffentlich erklärt, dass Frankreich im Kampf gegen islamistische Organisationen in der Sahel-Region solange seinen Mann stehen werde, bis dieser Kampf mit der endgültigen Verkündung eines Sieges beendet werden kann.

Die Hoffnung war aus Sicht des Élysée Palastes groß, Niamey zu einem Bollwerk der eigenen Interessen in der Region auszubauen. Dass diese Hoffnungen nach dem dort im Juli erfolgten Militärputsch und dem Sturz von Mohamed Bazoum mehr und mehr schwinden, lässt böse Ahnungen aufkommen.

Denn die anti-französische Stimmung ist in den Ländern der Sahel-Region im Verlauf der vergangenen Jahre deutlich gewachsen, während der politische und wirtschaftliche Einfluss der Russischen Föderation vor Ort (auch angesichts der Aktivitäten der Wagner-Gruppe in der Region) beständig zugenommen hat.

Diese Zusammenfassung für CK*Wirtschaftsfacts von Roman Baudzus nimmt unter anderem Bezug auf einen englischsprachigen Bericht auf der Seite rfi.fr.

„Was heißt das für mich konkret!?“ (Roman Baudzus)

Der kurzzeitig inhaftierte Stephane Jullien wurde laut dieses Berichtes heute zwischenzeitlich frei gelassen. Das französische Außenministerium hat diese Entwicklung offiziell begrüßt.

Nach wie vor darf also noch darauf gehofft werden, dass die Wogen zwischen Frankreich und dem Niger sich glätten werden, ohne dass es zu einem erneuten Ausbruch eines voraussichtlich desaströsen Konfliktes unter westlicher Beteiligung auf dem afrikanischen Kontinent kommen wird.

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