Was unter aller Voraussicht geschehen würde, wenn große Zentralbanken aufgrund eigens begangener Strategiefehler in der Geldpolitik erst einmal mit dem Rücken zur Wand stehen würden, hatte ich im Jahr 2014 antizipativ in einem ausführlichen Gespräch mit Jim Rickards besprochen.

Da der Internationale Währungsfonds die einzige noch verbleibende Institution mit einem sauberen Bilanzbuch bleiben wird, dürfte den IWF-Sonderziehungsrechten (SDRs) zur Aufrechterhaltung der allgemeinen Liquiditätsversorgung wohl schon bald eine immer wichtigere Rolle zufallen.

Eine höchst inflationäre Entwicklung…

Jim Rickards zeigte sich im damaligen Gespräch davon überzeugt, dass es sich hierbei um eine höchst inflationäre Entwicklung handeln wird. Der ehemalige Chefökonom von Morgan Stanley, Seth Carpenter, der zuvor auch als Ökonom bei der Federal Reserve Bank tätig war, hat sich mit den Bilanzbüchern der großen Zentralbanken einmal eingehender beschäftigt.

Dabei ist Seth Carpenter zu dem Ergebnis gelangt, dass der Beginn von Quantitative Easing (QE) die Bilanzbücher der Zentralbanken für immer verändert habe. Wer nur einen Blick auf das Bilanzbuch der Federal Reserve Bank wirft, erkennt, dass sich dieses Bilanzbuch im August 2007 bei neunhundert Milliarden US-Dollar befand.

Im laufenden Jahr expandierte die Federal Reserve Bank ihr Bilanzbuch auf dem bisherigen Hochpunkt auf bis zu neun Billionen US-Dollar. Es stellt sich angesichts dieser Situation und der damit in Verbindung stehenden Inflationsentwicklung automatisch die Frage, wie lange die großen Zentralbanken an ihrer lockeren Geldpolitik noch werden festhalten können.

Zentralbanken gehen zwar nicht pleite, aber…

Seth Carpenter zeigt sich davon überzeugt, dass Zentralbanken zwar nicht wirklich pleite gehen können. Allerdings mache es durchaus Sinn, sich einmal anzuschauen, was durch Zentralbanken zu verbuchende Verluste für Auswirkungen haben werden.

Was die Federal Reserve Bank anbetrifft, so werden all deren Einnahmen aus dem sogenannten Open Market Account Portfolio – abzüglich Zinsausgaben, realisierten Verlusten und Operationskosten – einmal jährlich an das amerikanische Finanzministerium überwiesen.

Vor dem Ausbruch der globalen Finanzkrise beliefen sich diese jährlichen Überweisungen auf durchschnittlich zwanzig bis 25 Milliarden US-Dollar. Parallel zur der auf die globale Finanzkrise folgenden Expansion des Bilanzbuchs der Federal Reserve Bank steigerten sich diese Überweisungen in der Spitze auf mehr als einhundert Milliarden US-Dollar pro Jahr.

Deutlich wurde, dass die jährlichen Überweisungen der Federal Reserve Bank an das US-Finanzministerium neben den Krediterfordernissen auch das Haushaltsdefizit der Regierung reduzierten.

Die jährlichen Nettoeinnahmen der Federal Reserve Bank hängen hauptsächlich von der Entwicklung der durchschnittlichen Coupons auf festverzinsliche Anleihen sowie dem Anteil an finanziellen Verpflichtungen, die sich als zinsfrei erweisen, ab.

Beobachten ließ sich, dass sich die Zinsverpflichtungen der Federal Reserve Bank von praktisch null im Jahr 2007 auf mehr als zwei Drittel in Relation zum aktuellen Bilanzbuch potenziert haben.

Nettoerträge driften ins Minus

Seth Carpenter bedient sich in der Folge eines Charts, aus dem hervorgeht, wie die Nettoerträge der Federal Reserve Bank inzwischen ins Minus abgedriftet sind. Sehr wahrscheinlich werden sich die Verluste angesichts der weiter steigenden Zinsen noch vergrößern.

 

Ähnlich wie andere große Zentralbanken bilanziert die Federal Reserve Bank ihre gehaltenen Vermögenswerte nicht nach dem Prinzip mark-to-market. Entstandene Verluste im Bilanzbuch werden auf diese Weise nicht realisiert. Erst wenn die Federal Reserve Bank verlustreiche Vermögenswerte tatsächlich verkauft, reduzieren sich deren Nettoerträge.

Infolge einer solchen Entwicklung reduzieren sich die jährlichen Überweisungen der Federal Reserve Bank an das amerikanische Finanzministerium – worauf wiederum eine noch höhere Emission von neuen Schuldenanleihen durch die Regierung folgt.

Anstelle einer Reduzierung der eigenen Kapitalbasis kumuliert die Federal Reserve Bank die ihr entstandenen Verluste, um diese in der eigenen Bilanz als „verschobene oder ausgesetzte“ Ansprüche zu verbuchen.

Wenn die Erträge wieder ins Positive drehen, verharren die sich daraus ableitenden Überweisungen an das US-Finanzministerium bei null bis die zuvor entstandenen Verluste auf diese Weise realisiert worden sind.

Das Bilanzbuch wird sich irgendwann wieder als profitabel erweisen, da die Geldmenge weiter wächst, wodurch sich die Zinsausgaben nominal vermindern. Quantitative Tightening (QT) – wie momentan – wird zudem für eine Reduzierung der aus bis dahin gehaltenen Vermögenswerten Zinsverpflichtungen sorgen.

In Großbritannien, der Eurozone und Japan sieht die Situation anders aus

Anders als die Federal Reserve Bank hat beispielsweise die Bank of England mit dem heimischen Finanzministerium eine Entschädigungsfreistellungvereinbarung abgeschlossen. Dies gilt insbesondere für potenzielle Verluste, die der Bank of England in Folge von QE entstehen könnten.

Zwischen der Bank of England und der britischen Regierung besteht auf diese Weise also eine vertraglich vereinbarte Haftungsteilung. Somit reduzieren sich die jährlichen Überweisungen der Bank of England das britische Finanzministerium unter Bezugnahme auf die aktuelle Situation um gut zehn Milliarden Pfund pro Jahr, wenn die Zinsen jeweils um einen vollen Prozentpunkt steigen.

Hierbei handelt es sich aus Perspektive eines Landes, das sich finanziell auf tönernen Füßen befindet, um eine enorme Summe. Um die Kontrolle über die eigene Geldpolitik zu behalten, müsste die Bank of England also tatsächlich Vermögenswerte veräußern, was eine Realisierung von Verlusten nach sich ziehen würde.

Ähnlich verhält es sich aus Perspektive der Europäischen Zentralbank. Es wird aktuell davon ausgegangen, dass der Einlagenzinssatz der EZB bis März nächsten Jahres auf 2,5 Prozent klettern wird. Der EZB dürften auf diese Weise im kommenden Jahr Verluste in Höhe von vierzig Milliarden Euro entstehen.

In Japan erweist sich die vorherrschende Situation aufgrund eines hartnäckigen Festhaltens an einer Kontrolle der Zinskurve durch die Bank of Japan als noch bei Weitem riskanter. Es ist davon auszugehen, dass sich während der noch verbleibenden Amtszeit des Gouverneurs der Bank of Japan, Haruhiko Kuroda, nichts an der gegenwärtigen Strategie ändern wird.

Doch spätestens wenn dessen Amtszeit endet, muss von einem scharfen Ausverkauf an den japanischen Regierungsbondmärkten (JGB-Märkte) ausgegangen werden. Die hieraus resultierenden Verluste könnten sich aus Sicht der Bank of Japan, wenn auch nicht realisiert, als gewaltig erweisen.

Es wird sich zeigen, dass Zentralbankprofite und Zentralbankverluste eben doch einen großen Unterschied machen – jedenfalls dann, wenn diese Verluste irgendwann voll durchschlagen und tatsächlich zum Tragen kommen werden.

Vor Beginn des 20. Jahrhunderts wurden die Ökonomie und die Volkswirtschaftslehre aus dem Blickwinkel einer „politischen Ökonomie“ betrachtet. Zentralbankverluste, die fiskalpolitische Auswirkungen zur Folge haben, werden unter aller Voraussicht auch politische Auswirkungen nach sich ziehen.

Diese Zusammenfassung für CK*Wirtschaftsfacts von Roman Baudzus nimmt Bezug auf einen Bericht auf der Finanzseite Zerohedge sowie auf ein im Jahr 2013 verfasstes Fed-Papier von Seth Carpenter.

„Was heißt das für mich konkret!?“ (Roman Baudzus)

Nach Großbritannien blickend sei abschließend erwähnt, dass die Bank of England trotz der bis zum 14. Oktober anhaltenden (und unlimitierten) Anleihekäufe inzwischen bekanntgegeben hat, den eigenen Leitzins aufgrund der heimischen Inflationsentwicklung weiter anheben zu wollen (zu müssen).

Ähnliches wird wahrscheinlich in der Eurozone geschehen. In welche Lage sich die großen Zentralbanken durch eine Hinwendung zu QE gebracht haben, ließ sich bereits im Zuge von Crashs in der Vergangenheit beobachten. Aktuell scheint jedoch ein Punkt erreicht zu sein, an dem es sehr gefährlich wird, was beispielsweise anhand der Kursentwicklung des britischen Pfunds, des Euros und des japanischen Yens deutlich wird.

Die Erkenntnis unter den großen Zentralbanken scheint zu wachsen, dass sich Nullzinsen, immerwährende Geldmengenausweitung und QE keineswegs – wie in der Vergangenheit behauptet – zu einem Nulltarif haben lassen. Die hieraus resultierenden Kosten haben letztendlich die Währungen und deren Kaufkraft zu tragen.

Ein anhaltender Entzug von Liquidität verschärft derweil die Sorgen und Nöte an den globalen Finanzmärkten. Denn eine abnehmende Liquidität setzt Aktien- und Bondmärkte gleichsam unter Abgabedruck. Zudem erhöht sich auf diese Weise die Volatilität an den Finanzmärkten auf zunehmende Weise.

Es wird aus diesem Blickwinkel also spannend bleiben, wie das große Experiment namens QE am Ende tatsächlich ausgehen wird. Denn nach wie vor schwebt das Damoklesschwert einer plötzlich einsetzenden Deflation, bei zunehmenden Firmenzusammenbrüchen, und dem möglichen Ausbruch einer Hyperinflation über all unseren Köpfen.

Welche dieser beiden Kräfte sich letztendlich durchsetzen wird, bleibt für den Moment noch immer abzuwarten.

Beitrag senden

Drucken mit Kommentaren?



href="javascript:print();"