Auch wenn die Gewerkschaften nach dem tränenreichen Abschied vom Steinkohlbergbau noch in der Trauerphase stecken, sollte deren Frage nicht lauten „warum zahlt Amazon kein Weihnachtsgeld?“, sondern warum gibt es sowohl hinsichtlich des Onlinehandels, als auch hinsichtlich der Cloud-Sparte des Unternehmens keine ernstzunehmende Konkurrenz für Unternehmen wie Amazon in Deutschland? Warum wird vergessen, wie viele kleinere und größere Händler es erst durch die Nutzung der Plattform von Amazon geschafft haben, einen funktionierenden Online-Handel aufzuziehen?

Online-Handel hat die Rolle des Konsumenten revolutioniert

Der Online-Handel ist eine Dienstleistung, die es früher nicht gab. Die schnelle weltweite Lieferung von Gütern, die man zuvor simpel über eine Webseite bestellt hat, hat die Welt der Kunden enorm vereinfacht. Zur plötzlich existierenden Preistransparenz gesellt sich eine meistens problemlose Abwicklung der Lieferung und der Zahlungsprozesse.

Für Kunden, die sich noch an die verstaubten Zeiten erinnern, in denen man Wochen auf ein spezielles englisches Fachbuch oder ein Messgerät aus Asien warten musste, falls sich überhaupt jemand fand, der es für einen bestellen wollte, ist das alles ein kleines Wunder. Der Onlinehandel hat in der Breite nicht - wie gerne behauptet wird - einem hochmodernen, schnellen und stets kundenfreundlichen klassischen Handel das Wasser abgedreht, sondern einem System, in dem der Konsument oft die Rolle des Bittstellers einnahm.

Prosumenten auch in anderen Branchen

Ähnliche Entwicklungen vollziehen sich in vielen Branchen. Dank Uber und Lyft (und den allgegenwärtigen Navigationssystemen) sind Taxen in weiten Bereichen vor allem in Großstädten mit einer Konkurrenzsituation konfrontiert. Dank Airbnb & Co sind Kunden und Vermieter bei der Suche nach einer Bleibe plötzlich am Drücker. Blogging und Streaming-Dienste zerlegen den gesamten etablierten Medienbetrieb, der gerade in Deutschland durch seine enge Verzahnung von Zeitungen, Fernsehen und Politik derart degeneriert ist, dass die Gegenwehr sich zu einer immer DDR-artigeren Groteske entwickelt.

Konnte früher der Rundfunk bestimmen, wer gehört wird, hat sich der Medienbetrieb demokratisiert. Wer ein Video drehen, ein Lied singen und die Welt mit seinen Fähigkeiten beglücken möchte, benötigt ein Mobiltelefon und einen Internetzugang. Bekannte beim WDR, die das Musikstück und die politische Einstellung prüfen, benötigt niemand mehr, selbst wenn die Steuerumverteilung an die wohlgefälligen noch munter weiter läuft.

Bankenbranche träumt weiter im Wolkenkuckucksheim

Allen Entwicklungen zum Trotz hocken in einigen Branchen immer noch Menschen, die entweder wirklich glauben oder einfach nur hoffen, alles bleibe doch irgendwie schon so wie es war. Am Beispiel der Banken lässt sich das gut zeigen. Da hocken Leute, die über Wein und Kunst parlieren, planlos in so mancher Chefetage herum, pflegen ihr Ego mittels einiger bezahlter Schwafeleien in den meist leserarmen Gazetten und wissen mit dem Fortschritt nichts so recht anzufangen.

Naja, gut, die Erträge brechen weg, da kann man doch vielleicht noch die Gebühren erhöhen, wird schon keinem auffallen. Doch wird es. Am besten gefällt uns die wirre Hoffnung, Menschen würden Ihr Geld immer nur dort anlegen, wo sie ab und zu einem Zweibeiner bei Kaffee und Besprechungskeksen begegnen und niemals einem Computer. Falls jemand die Bedeutung des Begriffs „Naivität“ nicht kennt, ist dieses Verhalten ein schönes Beispiel für selbige.

Anpassungs- und Lernfähigkeit haben noch selten geschadet

Wenn man ein paar Sekunden darüber nachdenkt, was der Mensch dem Computer alles mit gutem Gewissen überlässt (Zufällige Auswahl: Intensivmedizin, Autopilot, Verschlüsselung, Mess- und Regeltechnik, …), dann muss man angesichts solcher Aussagen wohl von aktiver Weltfremdheit sprechen. Abgesehen davon ist schon der gesamte Zahlungsverkehr sowie in den normal funktionierenden Banken die gesamte Abwicklung digitalisiert. Außerdem sind Besprechungskekse, diese in Klarsichtfolie gehüllten Klumpen aus Zucker und gehärteten Fetten, erstens billig und zweitens geschmacklos.

Wie in anderen Sektoren stirbt auch in der Finanzbranche die Hoffnung zuletzt. Mit der alten Besetzung, die oft nur ihre Pfründe sichern möchte, aber mit dem Wandel überfordert ist, wird sich dieses Schicksal nicht abwenden lassen. Wie heißt es so schön? Der technologische Wandel löscht keine Unternehmen aus. Die Unfähigkeit auf den technologischen Wandel zu reagieren erledigt dies jedoch sehr zuverlässig. Manches Institut wartet so geduldig auf seinen Kodak-Moment. Das hat man sich bei anderen Branchen abgeschaut

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