ESG wird unter Investoren an der Wall Street zunehmend mit einem negativen Image assoziiert

Wie ein finaler Abgesang auf ESG las sich im Januar ein Bericht des Wall Street Journals, in dem offen eingestanden wurde, dass sich inzwischen viele Unternehmen von dem Slogan und einem damit auf zunehmende Weise verbundenen Negativ-Image distanzieren.

Der Schuh drückt Banken und Investoren noch an einer ganz anderen Stelle – und zwar an einer sehr empfindlichen. Hierbei handelt es sich häufig um nur durchschnittliche oder im Vergleich hinterher hinkende Aktienperformances, die mehr und mehr Managements unter Druck setzen.

Anleger stimmten in letzter Zeit mit ihren Füßen ab, um Papiere aus ihren Portfolios zu werfen, die Performance-Erwartungen nicht erfüllt haben. Hinzu kommt, dass auch ein wachsender Druck durch die Politik in den Vereinigten Staaten ausgeübt wird.

Es sind hauptsächlich republikanisch regierte Bundesstaaten, deren politische Repräsentanten sich offen gegen ESG-Kriterien aussprechen. Unter den Bevölkerungen dieser Bundesstaaten fällt diese Abneigung mehrheitlich auf fruchtbaren Boden.

Mittlerweile sind es selbst Gerichtsverfahren, in deren Zuge Kläger den hiervon betroffenen Unternehmen ein Festhalten an ESG verbieten wollen. Dieser Trend beginnt sich laut Wall Street Journal an den Begrifflichkeiten zu spiegeln, denen sich Unternehmensvorstände und Managements in ihren Telefonkonferenzen mit Analysten bedienen.

Die Begrifflichkeiten ändern sich

Danach unterziehen selbst Platzhirsche wie Coca-Cola ihre offiziellen Berichte und ESG-Gremien einer Umbenennung. ESG-Begrifflichkeiten werden in diesem Zuge sang- und klanglos aus dem Vokabular gestrichen, ganz so, als hätte es sie nie gegeben.

Anstelle dessen wird vielerorts von einer „verantwortungsbewussten Unternehmensführung“ gesprochen. Finanzfirmen an der New Yorker Wall Street schließen zudem zunehmend ihre ESG-Fonds, da das Interesse an diesen Anlageinstrumenten unter Investoren nachlässt.

Der Kunde hat das letzte Wort

Umfragen zeigen zwar, dass eine Mehrheit unter den Unternehmensvorständen in den USA an selbst formulierten Nachhaltigkeitsstrategien festhält. Das hiermit verbundene Marketing und die sprachlich zum Einsatz kommenden Begrifflichkeiten ändern sich jedoch gerade auf eine rasante Weise.

Auch Vorsicht und Umsichtigkeit nehmen zu. Es erweckt den Eindruck, als ob Managements erst einmal auf eine heiße Herdplatte fassen mussten, um sich die Finger an rein ideologisch gefärbten Sichtweisen zu verbrennen.

Dass der Kunde stets das letzte Wort hat, scheint vermehrt ins Bewusstsein vieler Firmen zu rücken, weshalb nun zurückgerudert wird. Es sind die Ausgaben und Kaufentscheidungen der Kunden, die Unternehmen ihre Umsätze und Gewinne bescheren.

Interessant ist, dass ESG-Initiativen im Investorenbrief von BlackRock im Jahr 2023 zum ersten Mal keine Erwähnung mehr fanden. Auch ein Grund hierfür mag sein, dass staatliche Investoren seit dem Jahr 2022 ihren Worten auch Taten haben folgen lassen – und zwar durch Kapitalabzüge aus den durch BlackRock verwalteten Finanzfonds.

Auch die Kapitalverwaltungsriesen Fidelity und State Street ziehen sich aus ihrer ESG-Kommunikation in einem wachsenden Ausmaß zurück. Neben politischen Warnungen sind auch zunehmende Risiken im rechtlichen Bereich und zu beobachtende Kundenrückgänge hierfür verantwortlich.

Umsätze sinken spürbar

Beispielsweise sind die Umsätze unter den als „grün“ beworbenen Investmentprodukten im letzten Jahr spürbar zurückgegangen. Bei Goldman Sachs führte diese Entwicklung unter anderem zur Schließung eines anlage- und bereichspezifischen Exchange Traded Fund (ETF).

Angesichts dieser Entwicklungen erfolgte eine letztwöchige Ankündigung der US-Großbank JPMorgan keineswegs überraschend. Neben JPMorgan hat auch State Street der Gruppe Climate Action 100+ den Rücken gekehrt.

In der Gruppe Climate Action 100+ sind Banken und Unternehmen zusammengeschlossen, die fossilen Brennstoffen wie Erdöl, Erdgas und Kohle den Kampf angesagt haben. Auch der weltgrößte Vermögensverwalter BlackRock hat in diesem Bereich einige Umstrukturierungen bekannt gegeben.

Die New York Times berichtete zu diesem Thema, dass der Rückzug von JPMorgan und State Street der Gruppe Climate Action 100+ Einfluss über die Allokation von sage und schreibe 14 Billionen US-Dollar entziehen wird.

ESG hat einen weiteren großen Rückschlag hinzunehmen, da hiermit der Plan verbunden war, mittels Umwelt-, Sozial- und Lenkungsinitiativen zukünftig darüber zu bestimmen, in welche ökonomischen Bereiche Investmentgelder fortan fließen sollen.

Die aktuellen Entwicklungen deuten nicht nur auf einen sich vertiefenden Graben unter den „Klimaschutz“ in den Vordergrund stellenden Banken und Kapitalverwaltern hin.

Vielmehr zeigen die durch JPMorgan und State Street getroffenen Entscheidungen, dass die größten Geldhäuser des Landes kein Interesse daran zu hegen scheinen, sich in Tochterfirmen einer übergeordneten „Grün-Holding“ zu transformieren.

Wenn die Dinge zu weit gehen

In einem Bericht der Washington Times heißt es hierzu, dass angesichts der durch JPMorgan und State Street getroffenen Entscheidungen wohl auch eine im vergangenen Jahr durch die Gruppe Climate Action 100+ ins Spiel gebrachte Forderung eine Rolle gespielt habe.

Danach wurden die einzelnen Mitglieder der Gruppe darum ersucht, fortan mehr Details im Hinblick auf individuelle Investmententscheidungen zu veröffentlichen. Augenscheinlich ist eine solche Aufforderung mancherorts nicht auf fruchtbaren Boden gefallen.

Einige der finanzstärksten und mächtigsten Unternehmen der Welt verspüren wohl keine Lust darauf, sich der grünen Agenda durch eine eigens eingegangene Verpflichtung zu einem Mehr an Gehorsam zu unterwerfen.

Aus diesem Blickwinkel betrachtet, erweist sich der in der vergangenen Woche bekannt gegebene Ausstieg von JPMorgan und State Street aus der Gruppe Climate Action 100+ auch nicht als große Überraschung.

Im Bericht der Washington Times wurde weiter ausgeführt, dass große Kapitalverwalter in Forderungen zu einer erhöhten Transparenzpflicht eine Kollision mit deren Treuhandpflichten gegenüber Kunden befürchten.

Diese Treuhandpflichten verpflichten große Banken und Kapitalverwalter dazu, jedwede Form von Anlagen und sonstigen Investmententscheidungen stets im besten Interesse der eigenen Kunden zu treffen.

Anscheinend sind weder die Managements von JPMorgan noch State Street dazu bereit, einen bedeutsamen Teil ihrer eigenen Unabhängigkeit auf dem Altar der grün-woken Ideologie zu opfern.

Dass es ausgerechnet JPMorgan und State Street sind, welche sich einer Unterordnung der eigenen Geschäfte unter das „Klimaschutz“-Etikett nicht zu beugen bereit sind, wird auf andere Unternehmen in der Banken- und Kapitalverwaltungswelt ausstrahlen und Einfluss ausüben.

Unter Analysten wird davon ausgegangen, dass schon in Kürze weitere Nachrichten dieser Art durch Konkurrenzunternehmen in der Branche bekannt gegeben werden könnten. Geld ist nun mal Geld und nimmt in der Kapitalverwaltungswelt naturgemäß den höchsten Stellenwert ein.

Privat herrschen nach wie vor andere Ansichten vor

Privat mögen Vorstandschefs wie Jamie Dimon noch immer auf andere Weise auf die Dinge blicken. Oder wie würde es sich anders erklären, dass Jamie Dimon sich öffentlich exponierte, um der Regierung Beifall für deren potenzielle Rechtsverletzungen zu klatschen?

Dies gilt beispielsweise dann, wenn Jamie Dimon ins Spiel gebrachte Enteignungen von Grundstücken durch den Staat gut heißt, wenn dadurch der „Klimaschutz“ profitieren würde. Hin und wieder stellt sich die Frage, wie der Chef einer der traditionsreichsten Banken an der Wall Street, die den Kapitalismus groß gemacht und die durch den Kapitalismus selbst groß geworden ist, solch einem Gedankengut anhängen kann.

So liegt es auf der Hand, dass der in der letzten Woche angekündigte Ausstieg aus der Gruppe Climate Action 100+ höchst wahrscheinlich auf Druck der eigenen Anleger und Investoren erfolgte – und nicht aufgrund der eigenen Überzeugungen des Managements.

Seitens JPMorgan hieß es zu dem Ausstieg ergänzend, dass die Bank eine Struktur innerhalb des eigenen Hauses gebildet habe, um fortan Investmententscheidungen selbst auf die damit verbundenen Umweltkosten abzuklopfen.

Im Zuge der durch BlackRock verkündeten Umstrukturierung wird der Gruppe Climate Action 100+ Einfluss über weitere rund 6,6 Billionen US-Dollar entzogen. Ein gewisser Push Back gegen die grüne Agenda, durch was auch immer bedingt, scheint momentan in vollem Gange.

Diese Zusammenfassung für CK*Wirtschaftsfacts von Roman Baudzus nimmt unter anderem Bezug auf einen Bericht auf der Seite washingtontimes.com.

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