Der Libanon befand sich zwischen 1975 und 1990 im Bürgerkrieg und durchleidet aktuell die <link wirtschaftsfacts beitrag pulverfass-libanon-kurz-vor-dem-staatsbankrott _blank>verheerendste Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten. Ungefähr die Hälfte der Bevölkerung lebt inzwischen unter der Armutsgrenze. Seit einigen Wochen befindet sich das libanesische Pfund im freien Fall, die Arbeitslosenrate steigt explosionsartig.

Aus Protest gegen wochenlange Stromausfälle hatten Demonstranten am Dienstag versucht, das Energieministerium in Beirut zu besetzen. In Teilen des Landes hatte es in den vergangenen Wochen bis zu 20 Stunden am Tag keinen Strom mehr gegeben.

Der Libanon ist seit dem vom Volk erzwungenen Rücktritt des Premierministers Saad Hariri nicht mehr zur Ruhe gekommen. Hariri, der wie sein Vater ein Günstling der Saudis war, <link beitrag libanon-auslauf-modell-hariri _blank>schied im vergangenem Jahr aus dem Amt.

Im Auge des Sturms

Dieses politische Schmierenstück war und ist der geopolitischen Zwangslage des Libanons geschuldet, einer Republik die halb so groß wie Hessen ist, an Syrien und Israel grenzt, sich damit also im Auge des Sturms der politischen Spannungen befindet.  

Michel Aoun, maronitischer Christ, übt sein Amt gemäß der libanesischen Verfassung aus, wonach der Staatspräsident ein Christ sein muss, während der Ministerpräsident Sunnit, diese Funktion übte Hariri aus, und der Parlamentspräsident Schiite sein soll.

Ende des letzten Jahres Tage wurde der Libanon von einer Protestwelle seiner Bevölkerung überrollt, die Saad Hariris angeschlagene Herrschaft ins Wanken brachte. Drusen, Christen, Sunniten und Schiiten waren über alle konfessionellen Grenzen hinweg in ihrem Protest vereint und ließen sich nicht spalten. Hariri trat im Oktober 2019 von seinem Amt zurück. Der Sunnit Hassan Diab wurde sein Nachfolger.

Libanon - einst die Schweiz des Nahen Ostens

Die Proteste ließen aber nicht nach und wurden flankiert von dem wirtschaftlichen Niedergang des Libanons, eines Landes in dessen Grenzen einst der Name Europa erfunden wurde und welches lange Zeit, aufgrund seiner politischen Stabilität, seiner Wirtschaftskraft und seiner kulturellen Ausstrahlungskraft als „Schweiz des Nahen Osten“ bezeichnet wurde.

Der soziale Verfall wurde auch durch eine massive Bevölkerungsexplosion verursacht, obwohl der Libanon die niedrigste Geburtenrate der arabischen Welt hat, welche nicht höher liegt als in den EU-Staaten, aber durch den Zustrom von ca. 1,5 Millionen syrischen Flüchtlingen beschleunigt wurde.

Nach der Explosionskatastrophe von Beirut

In den vergangenen Tagen nach der Katastrophe beschäftigten sich internationale Medien und die libanesische Öffentlichkeit mit der Frage, weshalb niemand auf das offensichtlich bekannte Risiko reagiert hatte. Woher das Ammoniumnitrat, welches für die Produktion von Kunstdünger gedacht gewesen sein soll, kam, war zu Beginn unklar, ist aber seit Mittwochnachmittag bekannt.

Die amtliche Version lautet, es stamme aus Georgien und sollte per Schiff nach Mosambik transportiert werden. Der russische Frachter unter moldawischer Flagge „strandete“ hiernach in Beirut, als dem Betreiber das Geld ausgegangen war, dann kam es zum Streit mit der russisch-ukrainischen Crew und schließlich blieb die „MV Rhosus“ im Hafen von Beirut einfach liegen.

Wie konnte es soweit kommen?

Währungsverfall, Wirtschaftskrise, Massenproteste und dann auch noch Corona – der Libanon hat in den letzten Monaten und Jahren eine Vielzahl von Krisen durchlebt. Die Häufung an Problemlagen verschlimmert die Folgen der Katastrophe vom 4. August, könnte aber auch den Blick auf die entscheidenden Ursachen erschweren. Denn im Kern handelt es sich hier um den vorläufigenHöhepunkt von Staatsversagen und Korruption – latente Probleme, die den Libanon seit Jahrzehnten plagen. Staatsversagen bedeutet in diesem Fall, dass der Staat einer seiner zentralen Funktionen nicht nachgekommen ist, nämlich Leib und Leben seiner Bürger zu schützen. Dafür dienen sowohl gesetzliche Regularien, als auch fachspezifische Behörden, die die Einhaltung von Standards überwachen und Verstöße ahnden. Mit dieser Vernachlässigung einher geht im Libanon die Auslagerung von Versorgungsdienstleistungen (Strom, Wasser, Müll) an nichtstaatliche Verteilungsnetzwerke, etwa von Parteien oder Geschäftsleuten.“,

ist im empfehlenswerten Artikel Was die Explosion von Beirut mit Korruption zu tun hat im Orientmagazin Zenith dazu zu lesen.

„Was bedeutet das konkret für mich!?“

Die aktuelle Ausgangslage im leidgeprüften Libanon ist auch ein Ergebnis der geopolitischen Turbulenzen, in welchen sich der Nahe Osten, insbesondere die Küste der Levante, befindet, also zu einem nicht unerheblichen Anteil auch ein Produkt der verfehlten und katastrophal gescheiterten Politik des Westens gegenüber der Region.

Der Libanon hat vielfältige historische Verbindungen zu Europa, war schon ein Bestandteil des „Abendlandes“ als Europa noch im Nebel der Geschichte lag. Nach der Explosionskatastrophe von Beirut liegt die Hauptstadt zur Hälfte in Trümmern, rund 300.000 Menschen sind obdachlos. Ohne internationale Unterstützung scheint das Land nach Bürgerkrieg, Wirtschaftskrise und Pandemie allein nicht in der Lage, sich aus der Misere zu befreien. Doch während es in westlichen Medien schon dem Untergang geweiht erscheint, sei daran erinnert, dass dieses Land schon die schlimmsten Krisen und Kriege überstanden hat, um immer wieder wie Phoenix aus der Asche zu steigen.

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