Insbesondere Hedgefonds sind in den vergangenen Wochen bis über beide Ohren long gegangen im Hinblick auf die Entwicklung des Rohölpreises. Oberflächliche Analysen wie beispielsweise der sich intensivierende Konflikt zwischen Saudi-Arabien und dem Iran samt einer möglichen Ausweitung der Stellvertreterkriege im Mittleren Osten müssen derzeit auf den meisten Kanälen als Erklärungen für diese Entwicklung hinreichen. 

Wird seitens der OPEC bald eine zusätzliche Förderkürzung angekündigt?

Ich hatte Ihnen vor mehreren Wochen dargelegt, dass Goldman Sachs die OPEC-Staaten direkt dazu ermunterte, sich einer „Shock-and-Awe“ Therapie zu bedienen, um die Preise an den internationalen Erdölmärkten wieder zu befeuern.

Es hatte daraufhin auch gar nicht lange gedauert, bis sich aus Saudi-Arabien vernehmen ließ, über die kürzlich zeitlich expandierten Förderkürzungen von 1,8 Millionen Barrel pro Tag hinaus über zusätzliche Schritte zu sinnieren, um die Weltrohölmärkte zu stabilisieren. Der jüngste Besuch des saudischen Königs in Moskauer Kreml dürfte die Richtung gewiesen haben, um jederzeit mit der Ankündigung zu einer zusätzlichen Förderkürzung zu rechnen.

Produktion der Fracking-Industrie auf Allzeithoch. Verliert die OPEC Preiseinfluss?

Doch nach wie vor steht die berechtigte Frage im Raum, über welchen Einfluss das OPEC-Kartell auf die Preisgestaltung an den Weltrohölmärkten eigentlich noch verfügt?! Gestern aus den USA vermeldete Daten zeigen, dass die Ölproduktion in der amerikanischen Rohöl- Fracking-Industrie ein neues Allzeithoch ausgebildet hat.

Gute Nachrichten für die OPEC und Russland waren dies ganz gewiss nicht. Und so kommt selbst ein durch die OPEC erstellter Bericht zu dem Fazit, dass Amerikas Fracking-Förderer den Löwenanteil an einer in absehbarer Zeit wieder anziehenden Weltölnachfrage auf sich vereinen werden.

Der Kampf zwischen den USA und Saudi-Arabien

Wie der OPEC-Bericht zeigt, ist das Öl-Kartell selbst davon überzeugt, dass sich der Kampf um Marktanteile an den Weltrohölmärkten noch über die nächsten Jahre erstrecken wird. Die Fronten in diesem Ölkrieg haben sich schlussendlich herauskristallisiert.

Meine im Jahr 2014 getätigte Annahme, dass es sich vordergründig um einen Preis-, Macht- und Wettbewerbskampf zwischen den Vereinigten Staaten und Saudi-Arabien – und nicht um eine Sanktionsmaßnahme gegen Russland im Angesicht der Ereignisse in der Ukraine handeln dürfte – scheint sich im Rückblick der Ereignisse als richtig erwiesen zu haben.

Saudi-Arabien: Interne Machtkämpfe über künftige Ausrichtung

Einmal ganz davon abgesehen, was derzeit in Saudi-Arabien vonstattengeht. Dort sehen sich führende Kader des Königshauses – darunter Prinz Ibn-Talal – einer Verhaftungswelle und Korruptionsanklagen ausgesetzt. Wie gestern bekannt wurde, soll Vermögen in einem Gesamtumfang von $800 Milliarden (!) von den Beklagten eingezogen und beschlagnahmt werden.

Eine ordentliche Hausnummer. Doch könnte hinter dieser Entmachtung nicht vielleicht auch ein Kampf in der internen Führungsriege Saudi-Arabiens um die zukünftige Ausrichtung des Landes stecken? Weiterhin mit den USA gehen oder aus der Marschreihe ausscheren, um sich fortan verstärkt in Richtung Russland und China auszurichten, wie sich der dahinter stehende Disput definieren lassen könnte.

Angesichts Fracking-Öl-Flut verpufft die Förderkürzung der OPEC

Amerikas revolutionäre Fracking-Ölförderung hatte mit dazu beigetragen, den heftigen Absturz des Rohölpreises von mehr als $100 auf in der Spitze unter $30 pro Fass auszulösen. Die Flutung der Weltrohölmärkte mit dem schwarzen Gold hatte zur Folge, die meisten vom Export von Erdöl abhängigen Staaten  – und somit vor allem die OPEC-Staaten – massiv unter Finanzdruck zu setzen.

Laut des OPEC-Berichts soll die globale Ölnachfrage bis zum Jahr 2022 auf 102 Millionen Barrel pro Tag anziehen. Im Gesamtjahr 2016 lag die Weltölnachfrage bei 95 Millionen Fass pro Tag. Laut OPEC-Prognosen werden sich die USA den Löwenanteil dieser wachsenden Erdölnachfrage in den kommenden Jahren unter den Nagel reißen.

Darauf weisen beispielsweise die zuletzt wieder massiv anziehenden Investitionen im amerikanischen Frackingsektor hin. Laut OPEC werde Amerika seine Produktion bis zum Jahr 2022 um knapp 4 Millionen Barrel pro Tag ausweiten. Wie nimmt sich dagegen die in Kraft getretene Förderkürzung der OPEC in Höhe von 1,8 Millionen Fass pro Tag aus?

Antwort: Als winzig. Wie viel „Shock-and-Awe“ müsste die OPEC im Angesicht dieser Entwicklung an den Weltrohölmärkten verbreiten, um die aktuellen Ölpreissteigerungen zu rechtfertigen und die Erwartungen der Ölspekulanten zu befriedigen?! Gewiss müsste diese „Therapie“ gewaltig ausfallen. Doch wie würde sich das mit an der Budgetfront bereits schon jetzt stark unter Druck stehenden OPEC-Regierungen vertragen?! Überhaupt nicht.

Was passiert erst bei stotternder Weltkonjunktur?

Zumal nicht einmal sicher wäre, dass das Angebot im Fall einer weiteren Förderkürzung im Angesicht der aktuellen Entwicklungen in den USA nachhaltig vermindert werden könnte. Wie wird sich die Situation erst darstellen, wenn es wirtschaftlich spürbar bergab ginge in der Welt, zumal die OPEC im Hinblick auf die Industrieländer erst kürzlich das Erreichen eines Nachfragehöhepunktes im Jahr 2019 prognostizierte?

Fragen über Fragen, die sich derzeit schwer bis überhaupt nicht beantworten lassen. Die an den Ölmärkten auf „Shock-and-Awe“ eingestellten Spekulanten sollten sich darüber gewiss werden, das nicht alles Gold ist, was glänzt. Es erweckt den Eindruck, als ob dies vor allem auf das „schwarze Gold“ zutreffen könnte.

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