Am Wochenende getätigte Aussagen des russischen Finanzministers Anton Siluanow lesen sich wie eine Bestätigung der über die vergangenen Wochen angestellten Beobachtungen und Vermutungen.

Denn Siluanow rief die neben der Russischen Föderation verbleibenden vier BRICS-Staaten Brasilien, Indien, China und Südafrika dazu auf, zur Verfügung stehende Finanzinstrumente in einem verstärkten Umfang zu nutzen, um die wirtschaftlichen Auswirkungen der durch die USA und den Westen gegen Russland verhängten Sanktionen auf die jeweiligen Nationen auf eine bessere Weise abzufedern.

Alternatives Finanzsystem der EAEU in Planung

Bereits vor einigen Wochen wurde bekannt, dass die Eurasische Wirtschaftsunion (EAEU), bestehend aus der Russischen Föderation, Weißrussland, Armenien, Kasachstan und Kirgisien Pläne verfolgt, ein alternatives, und von westlichen Institutionen unabhängiges, Finanzsystem auf dem Eurasischen Kontinent aus der Taufe zu heben.

Wann immer diese Pläne auch umgesetzt werden mögen, so beginnt sich abzuzeichnen, dass ein solch unabhängiges Finanzsystem auf Nationen im Mittleren Osten, allen voran den Iran, den Irak, Syrien, Afghanistan oder den Libanon, wie ein Magnet wirken dürfte.

Zum Zeitpunkt der Ankündigung wurde in Aussicht gestellt, dass neben der Volksrepublik China auch Mitgliedsländer des Wirtschaftsblocks ASEAN oder der Shanghai Cooperation Organization (SCO) ihr Interesse bekunden könnten, sich einem solch neu entstehenden System auf dem Eurasischen Kontinent anzuschließen.

Droht eine Desintegration des bestehenden Weltfinanzsystems?

Bei Licht besehen ginge hiermit nichts anderes als eine Desintegration des bestehenden Weltfinanzsystems, das einerseits auf der Weltreservewährung US-Dollar basiert, und dem andererseits westlich dominierte Institutionen wie der Internationale Währungsfonds oder die Weltbank vorstehen, einher.

Es lässt sich leichterdings nachvollziehen, dass durch die Entstehung eines Parallelsystems im geographischen Osten an den Grundfesten des bestehenden Weltfinanzsystems gerüttelt und die globale Vormachtstellung der Vereinigten Staaten herausgefordert würde.

Anton Siluanow zeigt sich davon überzeugt, dass die aktuelle Krise menschengemacht ist, während die sogenannten BRICS-Nationen über alle notwendigen Instrumente verfügten, um die hierdurch verursachten Krisenauswirkungen auf die eigenen Länder und Wirtschaftsräume entsprechend abzufedern.

Anton Siluanow machte auch gar keinen Hehl daraus, dass die gegen sein Land durch die Vereinigten Staaten und den Westen verhängten Sanktionen das Fundament jenes auf dem US-Dollar basierenden Weltfinanzsystems zerstören werden.

Nationale Währungen sollen im globalen Handel in den Vordergrund rücken

Um eine Nutzung des US-Dollars auf eine sich intensivierende Weise zu meiden, rief Anton Siluanow die politischen Führungen der BRICS-Staaten dazu auf, sich in der Zukunft deren nationalen Währungen im internationalen Handel zu bedienen.

Des Weiteren sei es jetzt an der Zeit, in diesen Nationen alternativ existierende Zahlungs- und Transaktionsnetzwerke auf eine sich intensivierende Weise zu integrieren, um darüber hinaus auch ein global alternatives Informations- und Kommunikationsnetzwerk in Form eines Rivalen zu jenem durch den Westen dominierten SWIFT-System aufzubauen.

Am vergangenen Freitag hatte das russische Finanzministerium mitgeteilt, dass sich die globale Wirtschaftslage über die letzten Wochen auf eine substanzielle Weise verschlechtert habe. Im Rahmen eines vor dem Wochenende stattfindenden Ministertreffens der BRICS-Nationen hatte Anton Siluanow diese Sichtweise bekräftigt.

Um diese Situation zu adressieren, seien unter Bezugnahme auf Siluanow nun die folgenden Schritte notwendig:

  • Eine Nutzung von nationalen Währungen im Im- und Exportgeschäft unter Ausschluss des US-Dollars.

  • Eine zügige Integration alternativer Zahlungs- und Transaktionssysteme (einschließlich EC- und Kreditkarten).

  • Der Aufbau eines eigenen Bankeninformations- und Kommunikationssystems in den BRICS-Nationen.

  • Der Aufbau einer unabhängigen BRICS-Ratingagentur.

Die fünf Notenbanken der BRICS-Länder befinden sich bereits in einer Testphase

Wie es in verschiedenen Berichten heißt, hätten sich die Zentralbanken der fünf BRICS-Nationen bereits darauf geeinigt, einen fünften gemeinsamen Test im Hinblick auf einen neuen Bankenmechanismus zur gemeinsamen Poolung von „alternativen Währungen“ zum US-Dollar abzuhalten.

Im Vordergrund dieser Maßnahmen steht die Hoffnung, die eigenen Wirtschaftsräume gegen externe Schocks in der Zukunft resistenter und robuster zu machen. Sich des sozialen Mediums Telegram bedienend, hatte zuvor auch der ehemalige russische Premierminister und Staatschef Dmitry Medwedew auf eine solche Notwendigkeit hingewiesen.

In diesem Rahmen hatte der stellvertretende Vorsitzende des Rats der Nationalen Sicherheit der Russischen Föderation auch vor den geopolitischen Konsequenzen gewarnt, die mit den westlichen Sanktionen samt einer Nutzung der Weltreservewährung US-Dollar als Waffe einhergingen.

Resultat sei die Zerstörung der bestehenden internationalen Ordnung, was schwerwiegende Konsequenzen nicht nur für die Weltwirtschaft als solche, sondern auch eine ganze Reihe von individuellen Nationen zur Folge haben werde.

Medwedew ergänzte, dass die durch westliche Medien wiederholt kolportierte Effizienz der gegen sein Land verhängten Sanktionen eine blanke Lüge sei. Zumindest aus Perspektive der jüngsten Entwicklung des russischen Rubels lassen sich diese Aussagen nachvollziehen.

Russischer Rubel wird zum Highflyer

Vor dem Wochenende war der russische Rubel nach dem Einmarsch von russischen Truppen in die Ukraine und einen darauf erfolgenden Absturz auf ein Mehrwochen-Hoch gegenüber dem US-Dollar geklettert.

Beobachten lässt sich, dass der russische Rubel mittlerweile auf einem Niveau gegenüber dem US-Dollar gehandelt wird, das deutlich oberhalb jenes Niveaus vor dem Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine (am 24. Februar) liegt.

Hieran dürfte die inzwischen erfolgte Rubel-Gold-Bindung mit den größten Anteil haben, da die russische Zentralbank auf diese Weise praktisch einen Preisboden bei ungefähr achtzig Rubel pro US-Dollar eingezogen hat, der wiederum an einen Goldpreis von durchschnittlich 1.940 US-Dollar pro Feinunze gekoppelt ist.

Einmal mehr machte Medwedew auch darauf aufmerksam, dass sich die durch den Westen gegen sein Land verhängten Sanktionen als Aggression beziehungsweise kriegerischer Akt werten lassen. Es handele sich hierbei um eine hybride Kriegsführung.

Einerseits zielten diese verhängten Sanktionen darauf ab, die ökonomische Unabhängigkeit der Russischen Föderation zu unterlaufen. Andererseits solle die Souveränität seines Landes zerstört werden, um die weitere Existenz der Russischen Föderation als solcher zu beenden, so Medwedew.

Abwägen zwischen Propaganda und realen Entwicklungen – eine nicht ganz einfache Aufgabe

Selbstverständlich müssen die durch Medwedew jüngst getätigten Aussagen in der aktuellen Situation auf Propagandazwecke abgeklopft werden. Andererseits ist jedem aufmerksamen Beobachter an den globalen Finanzmärkten über die letzten Wochen bewusstgeworden, dass es auf internationaler Ebene so wie momentan nicht mehr weitergehen kann – jedenfalls nicht einvernehmlich.

Denn neben der Russischen Föderation sehen sich unter anderem auch eine ganze Reihe von anderen Nationen, allen voran die Volksrepublik China, Nordkorea, der Iran, Venezuela, oder Kuba, einer Verhängung von Sanktionen durch die USA und den Westen ausgesetzt, was zu der allgemeinen Frage geführt hat, wann und wo es das nächste Land treffen könnte.

Selbst der Bundesrepublik Deutschland wurde seitens Washingtons zuletzt wiederholt mit einer Verhängung von potenziellen Sanktionen im Falle einer nicht vollzogenen Kehrtwende von der deutsch-russischen Pipeline Nord Stream 2 gedroht.

Mittlerweile ist dem Willen der Amerikaner angesichts der Entwicklungen in der Ukraine zwar genüge getan worden, wonach sich nun allerdings vermehrt Warnungen vor einem möglichen Harakiri-Kurs der deutschen Wirtschaft, allen voran der Industrie des Landes, vernehmen lassen, die auf eine potenzielle Zerstörung der deutschen Wirtschaft hinweisen.

Dass neben ganzen Staaten auch eine wachsende Schar an institutionellen Investoren das Vertrauen in die Beschaffenheit des bestehenden Weltfinanzsystems eingebüßt zu haben scheinen, lässt sich anhand der über die vergangenen Wochen in diesem Bereich geführten Debatten und Diskussionen ablesen.

Das Ende der Globalisierung?

Für BlackRock-Chef Larry Fink steht inzwischen gar fest, dass die Globalisierung als solche ihrem Ende entgegenblicke. Nicht nur die Störung der internationalen Wirtschaft durch die Corona-Krise und jene in diesem Zusammenhang verhängten Lockdowns seit nun mehr als zwei Jahren machte Larry Fink hierfür verantwortlich.

Auch die fast komplette Abkoppelung der Russischen Föderation vom westlich dominierten Weltfinanzsystem werde danach bislang ungeahnte Umbrüche auf der Welt zur Folge haben. Eine sich damit beschleunigende Rückverlagerung von Produktionsstätten in die westlichen Industrieländer werde anders als in den vergangenen drei Jahrzehnten inflationär wirken, wie sich Larry Fink überzeugt gibt.

Auch der Internationale Währungsfonds konnte der aktuellen Situation in Form von dessen stellvertretender Geschäftsführerin Gita Gopinath zuletzt nicht allzu viel Gutes oder Positives abgewinnen.

Selbst Gita Gopinath kam nämlich nicht umhin einzugestehen, dass die durch die USA und den Westen gegenüber der Russischen Föderation verhängten Sanktionen nicht nur den Prozess der globalen De-Dollarisierung beschleunigen, sondern auch die bisherige Dominanz des amerikanischen Petrodollars an den internationalen Rohstoffmärkten in Frage stellen werden.

Der Rubel – eine neue Weltrohstoffwährung?

Aus aktueller Sicht und unter Berücksichtigung der jüngst seitens des Moskauer Kremls verabschiedeten Maßnahmen muss selbst damit gerechnet werden, dass der russische Rubel zur neuen Weltrohstoffwährung aufsteigen könnte.

Wer auf die aktuelle Wechselkursrate des russischen Rubels blickt, könnte hierin einen guten Teil einer Vorwegnahme im Hinblick auf eine solche Aussicht an den globalen Devisen- und Währungsmärkten erkennen.

An dieser Stelle sei nochmals auf den am vergangenen Freitag publizierten Bericht zu dem in Teilen auf Deutsch übersetzten Roundtable-Gespräch zwischen Zoltan Pozsar und Yra Harris verwiesen, welches sich voll und ganz um eben jene grundlegenden Veränderungen an den internationalen Finanz- und Kapitalmärkten drehte.

Danach beginne sich abzuzeichnen, dass mittels Rohstoffen gedeckte beziehungsweise abgesicherte Währungen wieder en vogué werden dürften. Hierbei handele es sich um ein hybrides Währungssystem, das durch Zoltan Poszar, einen ehedem in Diensten der New York Fed und des amerikanischen Finanzministeriums stehenden Marktakteur, als Bretton Woods III bezeichnet wird.

Zoltan Pozsar zeigte sich in dem Gespräch zudem zwar nicht offen, so jedoch unterschwellig überzeugt davon, dass an dem Ausbruch eines neuen Weltkriegs nichts vorbeigehen wird.

Wer auf die Menschheitsgeschichte zurückblickt, erkennt, dass keine ungedeckte Papier- oder Fiatwährung jemals überlebt hat. So wie Währungen kommen und gehen, so kommen und gehen auch Imperien.

Es ist aus heutiger Sicht gerade erst einmal dreißig Jahre her, als es der Sowjetunion zuletzt so ergangen war. Wer damals, wie Francis Fukuyama, vom Ende der Geschichte fabuliert hat, dürfte sich angesichts des Entstehens einer multipolaren Welt samt den nun zu beobachtenden Ereignissen spätestens jetzt eines Besseren belehrt sehen.

Diese Zusammenfassung für CK*Wirtschaftsfacts von Roman Baudzus nimmt Bezug auf einen Bericht auf der Finanzseite Zerohedge.

„Was heißt das für mich konkret!?“ (Roman Baudzus)

Spätestens zum jetzigen Zeitpunkt sollte die Washingtoner Regierung sich gewahr darüber werden, dass jede weitere Nutzung des US-Dollars als gegen andere Nationen gerichtete Waffe ein potenzielles Ableben des US-Dollars wohl nur noch beschleunigt und immer wahrscheinlicher macht.

Dass die BRICS-Nationen über den Aufbau eines eigenen integrierten Zahlungs- und Kommunikationsnetzwerks nachdenken, sollte den Amerikanern Warnung genug sein.

Der US-Dollar befindet sich auf tönernen Füßen. Und das American Empire, das durch Peter-Scholl-Latour aufgrund von dessen heilloser Überdehnung einst als „Koloss auf tönernen Füßen“ bezeichnet wurde, fußt auf dem US-Dollar als Weltreservewährung.

Es möchte sich wahrscheinlich niemand so recht vorstellen, welche Bocksprünge eine ohnehin schon viel zu hohe Inflation in den Vereinigten Staaten angesichts von deren Verschuldungsniveau (Jim Rogers: Die größte Schuldnernation in der Weltgeschichte) erst noch machen würde, falls der US-Dollar in einen Abwärtstaumel übergehen und große Teile des bestehenden Weltfinanzsystems mit sich reißen würde.

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