In der letzten Woche publizierte der Internationale Währungsfonds ein Update zu seinem Handbuch der digitalen Zentralbankwährungen. Wer sich die Zeit nimmt, um sich ein wenig in die Seiten dieses Handbuchs einzulesen, stößt auf so manche Hinweise, welchen Einfluss eine weltweite Nutzung von CBDCs auf die globalen Finanz- und Bankenmärkte ausüben könnte.

So geht der Internationale Währungsfonds beispielsweise davon aus, dass ein verstärkter Einsatz von CBDCs der Dollarisierung der Weltwirtschaft entgegenwirken könnte. Somit würde ein Trend verschärft, der sich ohnehin schon von der Russischen Föderation über die Volksrepublik China bis hin zu einer Vielzahl an Nationen im globalen Süden beobachten lässt.

In diesem Zusammenhang wird im Allgemeinen vom Prozess einer voranschreitenden De- oder Entdollarisierung gesprochen. Dieser Prozess hat wohl noch eine lange und steinige Wegstrecke vor sich. Doch manche Dinge gewinnen an Eigendynamik, wenn sie erst einmal so richtig in Gang kommen.

Die Skepsis wächst

Dass eine zunehmende Anzahl von Nationen rund um den Globus bereits weitaus mehr als nur Skepsis gegenüber dem US-Dollar aufweist, lässt sich nicht nur anhand einer schärfer werdenden Rhetorik dieser Länder beobachten.

Nachdem die Russische Föderation ihre ehedem gehaltenen Positionen in amerikanischen Staatsanleihen bereits vor einer Verhängung der westlichen Sanktionen fast in Gänze verkauft hatte, hat auch die Volksrepublik China die Anzahl ihrer gehaltenen Treasury Bonds seit dem Jahr 2014 um gut eine halbe Billion US-Dollar reduziert.  

Das Reich der Mitte engagiert sich nun schon seit mehreren Monaten wieder als Käufer an den Goldmärkten, um die eigenen Goldreserven weiter aufzustocken. Mehr und mehr beginnt sich abzuzeichnen, dass sich Nationen nicht mehr auf den US-Dollar als Weltreservewährung verlassen wollen. Wie sollte das angesichts der aktuellen Lage auch anders sein?

Schließlich muss eine Weltreservewährung allen Akteuren auf unserer Erde zugänglich sein, ohne jeden Tag Furcht davor haben zu müssen, durch ihren Emittenten mit Sanktionen aller Art belegt zu werden.

Das Stadium der Furcht scheint die Welt nun schon lange hinter sich gelassen zu haben, da vielerorts mittlerweile aktiv – und fast schon verzweifelt – nach Lösungen gesucht wird, wie es gelingen könnte, sich aus dem Dollarkorsett ein für allemal zu befreien.

Nur ein Scheingefecht? – Oder doch eher "Goodbye Libor, Hello SOFR!"

Neue Allianzen sind auf diesem Wege entstanden. Der Verbund der BRICS+ ist hierfür ein Paradebeispiel. Wie dem auch sei, so wird mancherorts die Warnung ausgesprochen, dass es sich im Hinblick auf jene zwischen den G7- und den BRICS+-Nationen verschärfenden Rivalitäten um zukünftige(n) Macht und Einfluss auf dem geopolitischen Schachbrett einfach nur um ein Ablenkungsmanöver handeln könnte.

Schließlich verfolgten alle führenden Nationen und Wirtschaftsräume – allen voran China, die Russische Föderation und die Europäische Union – das Ziel, digitale Zentralbankwährungen auf dem Weg der Transformation in ein neues Geldsystem einzuführen.

Im Fall der Vereinigten Staaten kann man sich dahingehend noch nicht wirklich sicher sein. Es empfiehlt sich, sich in diesem Zusammenhang beispielsweise die im Juni veröffentlichten Ausführungen Goodbye Libor, Hello SOFR & Fed will noch mehr Macht in Erinnerung zu rufen.

Eine CBDC hätte aus US-Sicht im globalen Kontext einige Nachteile

Um zu dem durch den Internationalen Währungsfonds veröffentlichten Handbuch zurück zu kehren, so wird darin offen angesprochen, dass eine Entdollarisierung die Kreditkosten in den Vereinigten Staaten in die Höhe treiben würde.  

Darlehen für Unternehmen und private Verbraucher würden sich somit weiter verteuern und das Wirtschaftswachstum in den USA belasten. Dass die Federal Reserve Bank mit SOFR jetzt über einen Mechanismus verfügt, um sich von den Interessen der Eurodollarmärkte abzukoppeln und unabhängig zu machen sowie den US-Dollar-Zins allein zu bestimmen, ist etwas, dem Rechnung getragen werden muss.

Die Dinge sahen zuvor lange Zeit anders aus. Es war unter anderem Tom Luongo, der damals im Sommer die berechtigte Frage aufwarf, weswegen die Fed auf das Europa-Kartell in der Zukunft noch irgendwelche Rücksicht nehmen sollte?

Zumal sich die Interessen dieses Europa-Kartells häufig weder mit den Interessen der Federal Reserve Bank noch mit den Interessen des amerikanischen Wall-Street-Kartells in Einklang bringen lassen.

Und aus welchem Grund sollten Fed und Wall Street das Risiko eingehen, durch das eigene Setzen auf eine CBDC im globalen Kontext nicht nur an Macht einzubüßen, sondern die Heimat auch der damit verbundenen Gefahr eines potenziellen Kurssturzes am New Yorker Aktien- und Finanzmarkt auszusetzen?

Eine sich auf diese Weise verschärfende Entdollarisierung des Weltfinanzsystems würden Fed, Wall Street und der Washingtoner Kongress gewiss nicht einfach tatenlos hinnehmen. Denn auch die ausländischen Direktinvestitionen würden sich in einem solchen Fall gewiss dramatisch verringern.

Weiterhin an einer recht kurzen Leine

Hingegen sehen sich die Amerikaner aus heutiger Sicht noch immer in der recht komfortablen Situation, die dem BRICS-Verbund zuneigenden Nationen Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate an einer recht kurzen Leine halten zu können. Warum?

Es reicht aus, zu begutachten, wie enorm die Anzahl der durch die Saudis in den Vereinigten Staaten gehaltenen Vermögenswerte, darunter vor allem auch Immobilien, tatsächlich ist.

Der ein oder andere mag sich fragen, weswegen den Palästinensern seitens der Arabischen Liga – allen voran den Saudis – im Gaza-Krieg keine größere Hilfe zuteil wird als nur warme Worte, einige abgeworfene Lebensmittel und der Ruf nach einem sofortigen Waffenstillstand.

Schließlich sei daran erinnert, dass über den einstigen saudischen König Faisal gesagt wurde, dass dieser nach dem (Teil-)Verlust Jerusalems und der Niederlage der Araber gegen Israel im 6-Tage-Krieg von da an bis zu seinem Lebensende nicht mehr gelächelt habe.

Saudi-Arabien wird sich erst einmal von seinen in den USA gehaltenen Vermögenswerten peu a peu trennen müssen, bevor es irgendwann zu Taten gegen Vitalinteressen der USA wird kommen können. Der Grad der Verflechtung zwischen beiden Nationen ist zurzeit viel zu hoch. Mohammed bin Salman (MbS) mag brutal in seinen Methoden sein, doch dumm ist der saudische Kronprinz nicht.

Die Amerikaner sind, das hat das Beispiel Russland gezeigt, nämlich keineswegs zimperlich, wenn es darum geht, in den USA gehaltenes Auslandsvermögen einfach mal einzufrieren oder im schlimmsten aller Fälle auch zu konfiszieren.

Aufgerieben im perfiden Spiel der Mächte

Ähnlich wie einst die bosniakischen Muslimani auf dem Balkan werden aus Sicht der Umma auch die Palästinenser den größeren Interessen im geopolitischen Mächtespiel geopfert. Recep Erdogan ist zwar kein Araber, doch auch seitens Ankaras wird die Bombardierung von Tausenden Frauen und Kindern im Gaza-Streifen zwar lautstark kritisiert (O-Ton: Israel ist ein Terrorstaat), doch bei leeren Worten bleibt es dann glücklicherweise auch. Bellende Hunde beißen nicht.  

Dass Israel nicht als Terrorstaat zu bezeichnen ist, zeigt sich allein schon anhand der innenpolitischen Debatten und der gesellschaftlichen Spaltung, die vor allem zwischen ultraorthodoxen und gemäßigten Juden über die aktuellen Geschehnisse und Entwicklungen im Land herrschen. Beileibe nicht jeder Israeli steht hinter den Entscheidungen der eigenen Regierung.

Wenn Wladimir Putin aufgrund seiner Taten in der Ukraine in Abwesenheit vor Gericht, hier den ICC, gezerrt wurde, so müssten Benjamin Netanyahu und dessen Kabinett jetzt ebenfalls – neben Spitzenvertretern der Organisation Hamas einschließlich deren Hintermännern – auf der Kriegsverbrecheranklagebank Platz nehmen, um ihrem Urteil entgegen zu blicken.

Keine noch so schändliche, feige Tat rechtfertigt es nämlich bei allem Verständnis und dem am 7. Oktober erlittenen Schmerz um die eigenen Opfer, für sich selbst in Anspruch zu nehmen, mit noch härterer Brutalität und Gewalt gegen wehrlose Zivilisten zurückzuschlagen.

Denn lassen wir so etwas einfach unkritisiert geschehen, so können wir uns von unserer Zivilisation verabschieden, um nach und nach wieder in Barbarei und ins Faustrecht zu verfallen. Hieran haben wahrscheinlich nur die wenigsten Menschen auf unserem Planeten ein Interesse.

Ferner ist die kollektive Bestrafung einer Bevölkerung oder Ethnie nach allen internationalen Gesetzen aufgrund eben jener momentan zu beobachtenden Geschehnisse verboten. Es gibt in diesem Punkt aus Gründen der Humanität weder Kompromisse noch ein Wenn und Aber. Und es ist Israel auch nicht würdig.

Israel droht auf diese Weise zudem, und das sieht man von den USA und Kanada über Europa bis hin nach Asien, den Kampf um die öffentliche Weltmeinung und jenes um den sich jetzt fortsetzenden Konflikt in Gaza entwickelnde Narrativ zu verlieren.

Es ist im Namen der Humanität und in größtmöglicher Ablehnung einer potenziellen Ausweitung dieses Konfliktes im Nahen Osten erforderlich, an jeder noch so kleinen Hoffnung auf einen dauerhaften Waffenstillstand im Gedenken und in Trauer an die zahlreichen Todesopfer auf BEIDEN Seiten festzuhalten.  

Wie dem auch sein mag, auf zwischenzeitliche Aufrufe der Teheraner Regierung zu einem Ölembargo gegen Israel ist in der arabischen Welt bislang ebenfalls auf kein hörbares Echo gestoßen, während die Russische Föderation am Rande der Debatten zwar die USA für eine Verschärfung des Konfliktes im Nahen Osten verantwortlich macht, ansonsten jedoch so tut, als ginge sie die Angelegenheit nichts an.

Im Fall von Israel handelt es sich allein schon aufgrund von dessen geografischer Lage am äußersten Rande des arabischen Raums um einen militärischen und nicht verhandelbaren Brückenkopf der Amerikaner in Westasien – und damit um ein Washingtoner Vitalinteresse auf dem geopolitischen Schachbrett.

Zudem ist die Bande zwischen beiden Ländern seit der Staatswerdung Israels im Jahr 1948 historisch gewachsenen. Diese Dinge und geopolitischen Kurzeinschätzungen mag jedermann für sich selbst beurteilen.

Vielleicht geben sie beim ein oder anderen auch den Anstoß, in den hoch emotionalisierten Debatten samt dem ausweglosen Kreislauf gegenseitiger Vorwürfe in der Hoffnung auf eine Vermeidung von noch mehr Todesopfern endlich wieder zu Rationalität wie auch an den diplomatischen Verhandlungstisch zurück zu kehren. 

Zurück zu CBDCs: Auch die Risiken im Bankensystem würden zunehmen

Im Handbuch des Internationalen Währungsfonds heißt es weiter, dass CBDCs zusätzlich zu einer Entdollarisierung des Weltfinanzsystems in Zeiten von Marktstress auch die Risiken einer Flucht aus Privatkundeneinlagen bei Banken in einen sicheren Hafen erhöhen würden.

Denn in Zeiten einer hohen Marktvolatilität zögen Kunden von Banken ihre Einlagen ab, um diese in sichere Anlagen umzuschichten. Sollte es zu einem Bankensturm wie im Fall der im März zusammengebrochenen Silicon Valley Bank kommen, versuchten große wie auch kleine Anleger im Vorfeld eines solchen Ereignisses den größtmöglichen Teil ihrer Bankeinlagen mittels eines Abzugs zu retten.

Bislang erfüllten amerikanische Staatsanleihen in solchen Krisenzeiten die Funktion eines sicheren Hafens. Doch wenn CBDCs erst einmal verfügbar wären, würden sich diese im Gegensatz zu Einlagen bei einer Bank aus Sicht vieler Marktakteure als sicherer Hafen für diese Anlagen erweisen. Das Risiko von Bank Runs würde sich somit erhöhen. Gleichzeitig würde sich die Nachfrage nach Treasury Bonds in Krisenzeiten wahrscheinlich vermindern.    

Im Zeitablauf werden sich CBDCs auch als Gefahr und Herausforderung im Hinblick auf die Gewinnentwicklung im Bankensektor erweisen. Trotz allem warb IWF-Chefin Kristalina Georgieva im Rahmen der letztwöchigen Veranstaltung Singapore Fin Tech Festival einmal mehr für eine Einführung von CBDCs.

Bargeld könnte auf dem Haufen der Geschichte landen

Kristalina Georgieva machte in diesem Zusammenhang auch gar keinen Hehl daraus, dass eine solche Entwicklung mit einem Ende von auf Bargeld basierenden Ökonomien einher gehen könnte. Schließlich würden CBDCs mit dem Angebot einer kostengünstigeren Variante im Vergleich zu Bargeld einhergehen.
 
Danach handele es sich im Fall von CBDCs nicht nur ein sicheres Wertaufbewahrungsmittel, sondern auch um ein effizientes Zahlungsmittel. Ferner bestünde der Ausblick auf einen sich intensivierenden Wettbewerb, worunter allerdings die voraussichtliche Gewinnentwicklung im Bankenbereich leiden könnte. 

Auf die damit verbundenen Nachteile wie einer maximalen Kontrolle der CBDC-Halter und einer Programmierbarkeit von digitalen Zentralbankwährungen ging die IWF-Chefin natürlich mit keinem Wort ein.

Unter den Teppich gekehrt

Bereits im Frühjahr hatte die Kristalina Georgieva erklärt, dass die Welt auf eine weitläufige Einführung von CBDCs zusteuere, ohne dabei auf die Risiken einzugehen, welche mit einer solchen Transformation verbunden sind.

Anhand eines Testlaufs im afrikanischen Nigeria hatte sich gezeigt, dass ein Großteil der dortigen Bevölkerung die Nutzung einer CBDC vehement ablehnte. Das Ganze ging damals soweit, dass Zentralbank-Chef Godwin Emefiele aufgrund von dessen drakonischen und tyrannischen Maßnahmen gegenüber der Bevölkerung durch die örtlichen Sicherheitskräfte verhaftet wurde.

Nun ist Godwin Emefiele nach fünf Monaten in Haft erst einmal gegen Kaution auf freien Fuß gesetzt worden. Ereignisse dieser Art lässt Kristalina Georgieva augenscheinlich völlig außer Acht, wenn es um die anhaltende Bewerbung ihrer eigenen Pläne geht.

Was Amerika anbelangt, so regt sich auch im heimischen Bankensystem schon seit geraumer Zeit Widerstand gegen die potenzielle Einführung einer CBDC durch die Fed.

Wholesale and Retail

Vielleicht hat die IWF-Chefin aus diesem Grund auch einschränkend darauf aufmerksam gemacht, einen Unterschied zwischen einer Wholesale- und einer Retail-CBDC zu machen. Im Wholesale-Bereich, in der Schweiz kommt es seit Anfang November zu einem CBDC-Testlauf im Großbankenbereich, ließen sich unerwünschte Nebeneffekte laut der IWF-Chefin nahezu ausschließen.

Mit Blick auf den Retail-Bereich sähen die Dinge hingegen anders aus, da sich aus heutiger Sicht nicht genau einschätzen ließe, welche Folgen mit einer solchen Einführung verbunden sein könnten.

Zur Erklärung sei gesagt, dass Wholesale-CBDCs sowohl bei Interbankenabwicklungen als auch bei Transaktionen zwischen Banken und anderen Marktteilnehmern genutzt werden. Retail-CBDCs sollen zukünftig hingegen Individualpersonen, Unternehmen und einer Reihe von anderen Instituten zur Verfügung stehen.

Ein potenzielles Risiko in Bezug auf Retail-CBDCs sehen Experten darin, dass Gelder und Einlagen von traditionellen Geschäftsbanken in Sekundenschnelle abgezogen und in CBDCs bei Zentralbanken umgeschichtet werden könnten. Die Erschöpfung der Bankeinlagen wird sich dann auf die Kreditvergabefähigkeit der Geschäftsbanken auswirken und eine Banken- und Finanzkrise möglicherweise verschlimmern.

Diese Zusammenfassung für CK*Wirtschaftsfacts von Roman Baudzus nimmt unter anderem Bezug auf eine Publikation des Internationalen Währungsfonds.


Dieser Bericht wird am Montag in einem zweiten Teil fortgesetzt. Eine abschließende Einschätzung wird zu diesem Zeitpunkt erfolgen. Jedermann sei ein schönes Wochenende gewünscht!

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