Der Euro eröffnet heute gegenüber dem USD bei 1,0492 (05:47 Uhr), nachdem der Tiefstkurs der letzten 24 Handelsstunden bei 1,0476 im fernöstlichen Geschäft markiert wurde. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 134,86. In der Folge notiert EUR-JPY bei 141,50. EUR-CHF oszilliert bei 1,0375.

Finanzmärkte wackeln

An den Finanzmärkten nahm die Risikoaversion am Freitag zu. In der Folge standen und stehen die Aktienmärkte unter Druck. Es gab mehrere Hintergründe. Die Daten aus den USA belasteten. 

So brach das Verbrauchervertrauen nach Lesart der Universität Michigan gemäß vorläufigem Wert auf den tiefsten Indexstand in der uns bis 1978 vorliegenden Historie ein. Zusätzlich lieferten die Verbraucherpreise mit einem nicht erwarteten Anstieg von 8,3 % auf 8,6 % (Höchststand seit 1981) im Jahresvergleich markanten Gegenwind. So kostete eine Gallone Benzin erstmalig in der US-Historie mehr als fünf USD.

Als Konsequenz zogen die Renditen am Kapitalmarkt an. So notiert die 10-Jährige US-Treasury-Anleihe derzeit bei einer Rendite von 3,19 %, während sich die Rendite der 10-jährigen Bundesanleihe auf 1,50 % stellt. Die entspannten Entwicklungen in China an der Preisfront wirkten sich nicht aus (CPI 2,1 %). Auch die Zinssenkung der Zentralbank Russlands von 11,0 % auf 9,5 % hatte keine Auswirkungen auf die internationalen Märkte. 

Hier wird deutlich, dass die Ukraine-Krise in der Welt nicht homogen, sondern heterogen wirkt. In wesentlichen Teilen lässt sich diese Divergenz dadurch erklären, dass ein Teil sich durch Sanktionen selbst belastet und der andere Teil auf Sanktionen verzichtet. Bezüglich der expliziten Daten verweise ich auf das Datenpotpourri am Ende des Kommentars.

Kanzler Scholz: Werden für Freiheit auch wirtschaftlichen Preis zahlen

Der Angriff auf die Ukraine verändert laut Kanzler Scholz nicht nur die Sicherheitslage in Europa, sondern auch die Wirtschaft. Freiheit und Sicherheit hätten einen Preis. Man könne den Angriff nicht tatenlos hinnehmen. Russland dürfe diesen Krieg nicht gewinnen. Die EU hätte deswegen scharfe Sanktionen gegen Russland beschlossen. 

Kommentar: Es stellen sich Fragen. Warum haben weder Berlin noch Paris als direkt beteiligte Parteien am Minsk II Abkommen am 24. März 2021 auf das Dekret 117 der Ukraine reagiert (faktische Kriegserklärung an Russland, und Bruch des Minsker Abkommens)? Wie weit dürfen die wirtschaftlichen Folgen, die auch politische Folgen hätten, wegen eines Nicht EU-Mitglieds gehen?

Kommen wir zu dem Thema der Konsequenzen der Ukraine-Krise im Sektor Makroökonomie, die Kanzler Scholz thematisierte. Hier wird jedoch nur ein Ausschnitt der globalen Folgen beleuchtet.

IWF: Dritte Prognosesenkung vor der Tür

Der IWF steht bei der Präsentation des Weltwirtschaftsausblicks per Juli vor einer dritten Senkung der Prognose für die Weltwirtschaft im laufenden Jahr. Es gebe eine Reihe von Entwicklungen, die den IWF dazu bringen könnten, die Prognose weiter nach unten zu korrigieren, lässt der IWF verlauten. Hintergründe seien der Krieg in der Ukraine, steigende Lebensmittel- und Energiepreise als auch eingetrübte Konjunkturaussichten wegen Corona-Lockdowns in China. In dieser Woche hatten OECD (2022 von 4,5 % auf 3,0 %) als auch die Weltbank (2022 von 4,1 % auf 2,9 %) ihre Wachstumsprognosen deutlich reduziert. 

Kommentar: Eine weitere Eskalation der Krise würde weitere negative Prognoseanpassungen zur Folge haben müssen.

Bundesbank: Man stellt sich der neuen Realität

• Starker Preisdruck durch rasanten Anstieg der Preise für Energie und Nahrung 
• Wirtschaftliche Expansion deutlich gedämpfter 
• Prognoseanpassung der Verbraucherpreise per 2022 von 3,6 % auf 7,1 % 
• Prognoseanpassung für deutsches BIP 2022 von 4,2 % auf 1,9 % 

Kommentar: Die Bundesbank stellt sich der Realität auf Basis der aktuellen Lage. Analog zu der angekündigten Prognoseanpassung des IWF ergäbe sich weiterer Handlungsbedarf bei einer nicht auszuschließenden Eskalation der Ukraine-Krise. Bundesbankpräsident Nagel schloss einen „sportlichen Zinsschritt“ im September nicht aus. Mit seinem Antritt verbindet sich die Neuausrichtung der EZB.

WTO: Grundstruktur im globalen Handel – Hoffnungswerte bei anstehender Sitzung?

Die Welthandelsorganisation ist in der größten Krise seit Gründung 1995. Globale Spannungen und zunehmender Protektionismus belasten den Welthandel. Entscheidend ist der Konflikt mit den USA über die Ernennung neuer Richter für das Schiedsgericht der WTO, das internationale Streitigkeiten entscheidet. Das Gremium ist deshalb handlungsunfähig. Damit hat das Regelwerk keine Zähne mehr. 

Die Chefin der WTO strebt bei der Ministerkonferenz (alle fünf Jahre) in den nächsten Tagen Vereinbarungen an. Sie sagte, ein oder zwei Deals seien möglich. Sie sei vorsichtig optimistisch. Als Ziele nannte sie, Fischerei-Subventionen zu kürzen, den Zugang zu Corona-Impfstoffen zu verbessern und die WTO zu reformieren. 

Zur Einordnung. Auch die deutsche Industrie sieht Handlungszwang. Zwei Drittel der außereuropäischen Exporte beruhen auf Regeln der WTO. Der Außenbeauftragte der IHK Volker Treier sagte, die WTO-Regeln, die seit den 90er Jahren gelten, erodierten zunehmend und hielten mit den technologischen und weltwirtschaftlichen Veränderungen nicht Schritt. Es bräuchte einheitliche Regeln und eine Wiederbelebung der Streitschlichtung. Eine Reformagenda der 164 Mitglieder wäre daher ein großer Erfolg. 

Kommentar: Die WTO mit ihrem Regelwerk ist das Gerippe, die Grundstruktur, des komplexen internationalen Handels. Das Regelwerk ist die Basis der internationalen Arbeitsteilung. Ja, es muss regelmäßig an neue ökonomische Strukturen angepasst werden. 

Aber mehr noch muss der Angriff der USA auf die Schiedsgerichtsbarkeit der WTO, der mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht zufällig vor der Verfügung nicht regelbasierter Sanktionen stattfand und damit Grundlage der dann verfügten nicht regelbasierten Sanktionen (= Aggressionen) gegen China und Russland waren, ein Ende finden. 

Denn ohne die Grundstruktur der WTO (Aristoteles) verlöre die Weltwirtschaft den belastbarsten Rechtsrahmen für das internationale Geschäft. Für das exportorientierte Europa wäre das mehr als kritisch. Herr Habeck wird dieser Sitzung fernbleiben. Er schickt einen Staatssekretär nach Genf. Das nehme ich irritiert zur Kenntnis.

Datenpotpourri der letzten 24 Handelsstunden:

Eurozone: Italien und Niederlande im April mit guten Produktionsdaten 

In Spanien stiegen die Verbraucherpreise per Mai gemäß finaler Berechnung im Jahresvergleich um 8,5 % (vorläufiger Wert und Prognose 8,5 %). Die Kernrate lag bei 4,9 % nach zuvor 4,4 %. 

In Italien nahm die Industrieproduktion per April im Monatsvergleich um 1,6 % (Prognose -1,1 %) nach zuvor 0,2 % (revidiert von 0,0 %) zu. Im Jahresvergleich kam es zu einem Anstieg um 4,2 % (Prognose -0,2 %) nach zuvor 3,2 % (revidiert von 3,0 %). 

In den Niederlanden legte die Produktion des Verarbeitendes Gewerbes per Berichtsmonat April im Monatsvergleich um 5,3 % zu (Vormonat -0,3 %). 

USA: Verbrauchervertrauen kollabiert auf tiefsten Stand in Historie 

Die Verbraucherpreise stiegen per Mai im Monatsvergleich um 1,0 % (Prognose 0,7 %) nach zuvor 0,3 %. Im Jahresvergleich stellte sich eine Zunahme um 8,6 % (Prognose und Vormonatswert 8,3 %) ein. Die Kernrate lag per Mai im Jahresvergleich bei 6,0 % (Prognose 5,9 %) nach zuvor 6,2 %. 

Der Index des Verbrauchervertrauens nach Lesart der Universität Michigan sank per Juni gemäß vorläufiger Berechnung von zuvor 58,4 auf 50,2 Punkte und markierte den tiefsten Indexwert in der uns vorliegenden Historie bis 1978.

 

 

China: Preisniveau und Preisdynamik im Vergleich zum Westen mehr als entspannt!

Die Verbraucherpreise legten per Mai im Jahresvergleich um 2,1 % (Prognose 2,2 %) nach zuvor 2,1 % zu. Die Erzeugerpreise verzeichneten per Mai einen Anstieg um 6,4 % (Prognose 6,4 %) nach zuvor 8,0 %. Das war der niedrigste Wert seit 14 Monaten.

Russland: Zentralbank senkt Leitzins stärker als erwartet

Die Zentralbank senkte den Leitzins am Freitag von zuvor 11,0 % auf 9,5 % (Prognose 10,0 %).

Zusammenfassend ergibt sich ein Szenario, das den USD gegenüber dem EUR favorisiert. Ein Überschreiten des Widerstandsniveaus bei 1.0870 – 1.0900 neutralisiert den positiven Bias des USD.

Viel Erfolg!

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