Teil II: Die Obama-Doktrin und die asiatische BMD

 

Bis heute besteht das Herz der Frühphase des China-Schwenks aus dem Ausbau eines riesigen Raketenabwehrschilds um China herum, um dessen atomares Erstschlagpotential zu neutralisieren. Während der letzten Monate des Jahres 2011 definierte die Regierung Obama eine neue öffentliche Doktrin zu militärischen Bedrohungen, als gerade das militärische Versagen in Afghanistan und im Irak immer offenbarer wurde. Während einer Reise des Präsidenten nach Australien enthüllte dieser, was heute als die Obama-Doktrin bekannt ist:

 

 

Die folgenden Ausschnitte aus Obamas Rede in Australien verdienen es, genau zitiert zu werden:

 

Mit dem Großteil der nuklearen Macht und in etwa der Hälfte der Erdbevölkerung wird Asien eine große Rolle dabei spielen, ob das vor uns liegende Jahrhundert entweder von Konflikt oder Kooperation geprägt sein wird.[…] Als Präsident habe ich daher eine wohl überlegte und strategische Entscheidung getroffen – […] die Vereinigten Staaten werden einen größeren und langfristigen Anteil daran haben, diese Region und ihre Zukunft zu formen. […] Ich habe mein Team für Nationale Sicherheit dazu angewiesen, unsere Präsenz und unsere Mission im Raum Asien-Pazifik zur Top-Priorität zu machen. […] Wir werden unsere einzigartige Fähigkeit bewahren, unsere Macht zu vermitteln und dadurch Gefahren für den Frieden zu verhindern. […] Die Vereinigten Staaten sind eine Pazifik-Macht, und wir sind hier, um zu bleiben. In der Tat modernisieren wir gerade unsere Verteidigungshaltung im Bereich des asiatischen Pazifik. […] Diese sehen wir in Zukunft hier in Australien. […] Ich glaube wir können gemeinsame Herausforderungen gemeinsam adressieren, darunter die Ausbreitung von Waffen und die Seesicherheit, eine Zusammenarbeit im Südchinesischen Meer inbegriffen. [6]

 

Am 24. August 2012 berichtete das New Yorker Wall Street Journal, dass die Regierung Obama als Teil ihrer neu angekündigten Chinaschwenk-Politik ihr Raketenabwehrschild in der Region Asien-Pazifik ausbauen wird. Im Militärischen ist hier auch von Ballistic Missile Defense oder kurz BMD die Rede. [7]

 

Der offizielle Grund, der seitens des Pentagon zur neuen BMD-Expansion in Asien geliefert wird, lautet, dass es um das Beschützen Japans, Südkoreas und aller anderen Verbündeten der USA in der Region geht – und zwar wegen eines Raketenangriffs aus Nordkorea! Dieses Argument fällt leider beim ersten Test durch.

 

In Wirklichkeit hat Washington vielerlei Berichten zufolge entschieden, in ein breit ausgedehntes BMD-Netzwerk zu investieren und dabei Japan, Südkorea und Australien zu benutzen. Das wirkliche Ziel dieses BMD-Systems sei nicht Nordkorea, sondern vielmehr die Volksrepublik China, die einzige Macht in der Region, die überhaupt über ein potentiell bedrohliches nukleares Arsenal aufgrund diverser ernst zu nehmender Langstreckenkapazitäten verfügt. Dies ist Teil einer neuen Pentagon-Strategie zur Errichtung der vollen Kontrolle über die künftige Entwicklung Chinas.

 

Die BMD-Offensive aus Washington muss genauso im Lichte der wohlgetimten Entscheidung der Regierung in Japan betrachtet werden, bewusst Spannungen mit China wegen des Streits um die Diaoyu-Inseln im Ostchinesischen Meer, einer Gegend mit angeblich großen Erdgasvorkommen, zu provozieren. [8]

 

 

Teil III: Japan als Herzstück der Raketenabwehr

 

Im September 2012 ließ US-Verteidigungsminister Leon Panetta verlauten, dass die Vereinigten Staaten mit Japan zu einer großen Übereinkunft gekommen wären, einen zweiten, wesentlich fortschrittlicheren Radar zur Raketenabwehr auf japanischem Territorium errichten werden. [9] In seiner Erklärung sagte Panetta Folgendes: „Der Zweck dieses Vorhabens ist die Verbesserung unserer Fähigkeit, Japan zu verteidigen. Außerdem ist es dazu entwickelt, um vorgeschobenen amerikanischen Truppen zu helfen und das amerikanische Heimatland effektiv vor einer Raketenbedrohung aus Nordkorea zu schützen. [10]

 

Ein Blick auf die Landkarte zeigt die nuklearen Löcher in Panettas Aussage: Chinesische Raketenstellungen sind ebenfalls gleich an der Grenze zu Nordkorea, ebenfalls bestens in Reichweite für die neuen amerikanisch-japanischen BMD-Anlagen.

 

Die Entscheidung Washingtons, eine fortschrittliche BMD-Infrastruktur in Japan aufzubauen, wurde schon vor langer Zeit als Teil einer amerikanischen Militärstrategie mit Ziel weltweiter militärischer Dominanz getroffen. Die Zusammenarbeit hinsichtlich einer Raketenabwehr mit der japanischen Regierung begann tatsächlich schon am 19. Dezember 2003, als letztere einen Kabinettsbeschluss „Zur Einführung des Ballistic Missile Defense Systems und andere Maßnahmen“ herausgab. Seither ist die Etablierung eines robusten Raketenabwehrsystems eine Priorität der nationalen Sicherheit Japans.

 

So wie die kürzlich aus dem Amt geschiedene Regierung in Japan den Artikel 9 der japanischen Verfassung interpretierte, wäre Japan die Teilnahme an kollektiver Verteidigung untersagt, genauso also die Nutzung militärischer Raketenabwehrkapazitäten zum Schutz eines Drittstaates, selbst wenn es sich dabei um die USA handelt. Shinzo Abe, Chef der liberaldemokratischen Partei und neu gewählter Premierminister Japans, befürwortet hingegen die Raketenabwehr und daher eine Änderung des Artikel 9. Das bedeutet, wir werden mit einem spürbaren Wandel hin zu einer militanteren antichinesischen Haltung aus Tokio rechnen können. [11]

 

Der amerikanischen Militärpresse nach ist das wichtigste neue Feature des japanischen BMD-Systems die Installation eines mächtigen Frühwarnradars, Markenname X-Band, aus dem Hause Raytheon Co. Dessen „großer Phased-Array-Feuerkontrollsensor, präzise Auflösung und Abfangjäger-Support“ ermöglichen das kontern von Bedrohungen aus Schurkenstaaten. Es soll auf einer nicht genannten südjapanischen Insel aufgestellt werden. [12]

 

Japans Verteidigungsminister Satoshi Morimoto bestätigte, dass Tokio und Washington „mehrere Gespräche über Raketenabwehr geführt hatten, einschließlich der Frage, wie man das X-Band-System der USA einsetzen solle“. [13]

 

Japan beheimatet bereits seit 2006 einen X-Band-Radar in der nördlichen Präfektur Aomori. Dagegen gibt es großen Widerstand der Bevölkerung, die fürchtet, dass die Anwesenheit des Radars sie zu einem Ziel für mögliche Angriffe macht. Und das nicht ohne gute Gründe… [14]

 

 

Wird in Teil 4/5 und 5/5 fortgesetzt…

 

 

Fußnoten und Verweise:

[5] Präsident Barack Obama, Remarks By President Obama to the Australian Parliament, 17. November 2011, via http://www.whitehouse.gov/the-press-office/2011/11/17/remarks-president-obama-australian-parliament

 

[6] Ibid.

 

[7] Brian Spegele et al, US Missile Shield Plan Seen Stoking China Fears, The Wall Street Journal, 24. August 2012, via http://online.wsj.com/article/SB10000872396390444082904577609054116070694.html

 

[8] Kazunori Takada, Japanese firms shut China plants, US urges calm in islands row, Reuters, 17. September 2012, via http://www.reuters.com/article/2012/09/17/uk-china-japan-idUSLNE88G01A20120917

 

[9] Thom Shanker and Ian Johnson, US Accord With Japan Over Missile Defense Draws Criticism in China, The New York Times, 17. September 2012, via http://www.nytimes.com/2012/09/18/world/asia/u-s-and-japan-agree-on-missile-defense-system.html?pagewanted=all

 

[10] Chris Carroll, US, Japan Announce Expanded Missile Defense System, 17. September 2012, Stars and Stripes, via http://www.military.com/daily-news/2012/09/17/us-japan-announce-expanded-missile-defense-system.html

 

[11] Masako Toki, Missile defense in Japan, Bulletin of the Atomic Scientists, 16. Januar 2009, via http://www.thebulletin.org/web-edition/features/missile-defense-japan

 

[12] RT, Shield revealed US spreads missile defenses East, Russia Today, 24. August, 2012, via http://rt.com/news/us-missile-defense-asia-432/

 

[13] siehe [7]: Brian Spegele, et al, US Missile Shield Plan Seen Stoking China Fears, Wall Street Journal, 24. August 2012, via http://online.wsj.com/article/SB10000872396390444082904577609054116070694.html

 

[14] Ibid.

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