Und das erste, was man wissen muss, wenn man sich eine Meinung zum Konflikt um die Ukraine bilden will:

Propaganda machen immer nur die anderen.
Die Wahrheit verbreiten immer nur wir.
Das ist ganz wichtig.
Wenn man sich in einen anderen Standpunkt hineinversetzen will, muss man vor allem immer nur auf dem eigenen Standpunkt beharren.
Das ist das Gegenteil von Empathie, und nennt sich Diplomatie.
Andere sagen dazu: „Idiotie“.

Und wenn zwei das Gleiche tun, ist das noch lange nicht dasselbe. Wenn die Nato Konsequenzen ankündigt, ist das eine Warnung.
Wenn Russland Konsequenzen ankündigt, ist das eine Drohung.
Und wenn die katholische Bischofskonferenz Konsequenzen ankündigt, ist das peinlich.

Ich mein´, dass Putin der Böse ist, das stimmt. Ein Autokrat, der gegen Abweichler vorgeht, die Presse- und Meinungsfreiheit einschränkt, und spätestens, wenn ich mir vor Augen führe, dass politische Satire immer auch Regierungskritik ist, wäre ich in Russland wohl schon längst verhaftet worden. So weit ist es inzwischen gekommen:
Ein Wladimir Putin schafft es, dankbar zu sein, von Olaf Scholz regiert zu werden.

Dass Putin der Böse ist, das stimmt also.
Und dass wir die Guten sind, das stimmt…nicht so ganz.

Denn dass Russland jetzt an der Grenze zur Ukraine sein Militär aufmarschieren ließ, ist zwar richtig. Richtig ist aber auch, dass das auf eigenem Territorium passiert. Worauf dann Annalena Baerbock sagte: „Es ist schwer, das nicht als Bedrohung zu verstehen.“
Und besser könnte man den russischen Standpunkt doch gar nicht beschreiben.

Denn bevor Russland jetzt seine Truppen an der Grenze zur Ukraine zusammengezogen hat, hat die NATO schon vor langem Kampfgruppen in Estland, Lettland und Litauen, in Polen und an der Grenze zur russischen Enklave um Kaliningrad zusammengezogen.
Schon lange davor hat die NATO Kampfpanzer, Schützenpanzer und schwere Artillerie an die Nato-Ostflanke verlegt.

Schon lange davor hat die NATO eine Flugstunde von Moskau entfernt Bombenabwürfe geübt. Und schon seit langem lässt die NATO permanent Soldaten, Kampf- und Schützenpanzer in Polen, Estland, Lettland, Litauen, Ungarn, Rumänien und Bulgarien ständig rotieren. Wäre Annalena Baerbock russische Außenministerin, sie würde sagen:

Es ist schwer, das nicht als Bedrohung zu verstehen.“

Aber nein“, sagt die NATO, „wir machen das ja nur zur Abschreckung,

weil Russland ein Aggressor ist.“ Stichwort Krim und Ostukraine.

Und das stimmt natürlich. Also, wenn man die Vorgeschichte ausblendet. Wenn man die Vorgeschichte einblendet, steht der Westen wieder nicht ganz so blendend da, wie er sich selber gerne einbildet. Und um mal die Einbildung auszublenden, will ich gerne mal etwas ausholen, um die Entwicklung der Verwicklung einzuholen.

Und damit meine ich nicht, dass der Westen Gorbatschow versprochen hatte, die NATO nicht nach Osten zu erweitern. Das war in keinem Vertrag formuliert worden und heute sagen die einen so, und die anderen so. Sehr wohl formuliert hingegen war aber ein anderer Vertrag, und um den geht es mir!
„Mir“ ist übrigens russisch, und das heißt Frieden. Und um den geht es mir auch.

 

 

Also: Wir befinden uns im Jahr 2014.
Deutschland ist Fußballweltmeister und eine gewisse Helene Fischer veröffentlicht den Song „Atemlos durch die Nacht.“
Man sehnt sich zurück nach 2013.

2014 aber sollte ein Assoziierungsabkommen unterzeichnet werden, das der Westen jahrelang mit der Ukraine ausgearbeitet hatte, worin es hauptsächlich um Handelsbeziehungen ging. Hauptsächlich.
Nebensächlich hat man es sich nicht nehmen lassen, auch noch eine militärische Zusammenarbeit vorzubereiten.

Und dann hat damals der russische Präsident, ein gewisser Wladimir Putin dem damaligen ukrainischen Präsidenten, einem gewissen Wiktor Janukowytsch gesagt, dass zur Ukraine ja auch die Halbinsel Krim gehört.
Und dann hat der Janukowytsch gesagt: „Ja und?“
Und dann hat der Putin gesagt: „Ja und? Auf der Krim ist seit dem 19. Jahrhundert die Schwarzmeerflotte von uns Russen stationiert. Aber ist ja kein Problem, oder? Spielt doch ruhig mit unserer Flotte Schiffe versenken! Oder was?“

Und warum die russische Flotte auf quasi ukrainischem Territorium stationiert ist, liegt daran, dass die Krim noch gar nicht so lange zur Ukraine gehörte. Die hat der Chruschtschow zu Sowjetzeiten der Ukraine geschenkt. In einer Schnapslaune. Ein Wodka zu viel getrunken, und schon hieß es: „Hier Krim, gehst Ukraine.“ Das ist so, als würde jemand auf die Idee kommen, Österreich den Bayern zu schenken. Es gibt nicht wenige Leute, die sagen:
„Das wär´ andersrum eine feine Sache.“
Einerseits.

Andererseits stelle mal sich doch mal vor, auf Kuba z. B. gäbe es einen US-amerikanischen Stützpunkt. Was weiß ich? Nennen wir ihn mal Guantanamo. Also nur hypothetisch.
Und dann stelle man sich mal vor, die Russen würden mit Kuba eine militärische Zusammenarbeit vereinbaren, und womöglich Militär dorthin verlegen wollen.

Völlig absurder Gedanke. Total aus der Luft gegriffen. Zum Glück nur ein theoretisches Gedankenspiel. Wie gut, dass die Amis noch nie in einer solchen Situation waren. Nicht auszudenken, wie nah die Welt am Abgrund eines Krieges gestanden wäre.

Aber nur mal angenommen, es hätte so ein Szenario mal gegeben, dann wäre man doch im Westen nie im Leben so blauäugig gewesen, auch nur auf die Idee zu kommen, mit der Ukraine eine militärische Co-Operation einzugehen. Ich bitte Euch. Wir sind doch die Guten.

Und da der Westen aber von einer militärischen Zusammenarbeit nicht zurücktreten wollte, hat Putin darauf dann in einer Nacht- und Nebelaktion als grüne Männchen getarnte Milizeneinheiten auf die Krim geschickt, um dort in der Bevölkerung ein Referendum abhalten zu lassen. Mit dem Resultat, dass die Krim ab sofort wieder zu Russland gehört.

Was durchaus völkerrechtswidrig war. Einfach grüne Milizenmännchen auf das Territorium eines anderen Landes schicken und dann ein Referendum abhalten, steht nicht wirklich in der Charta der Vereinten Nationen drin. Nicht mal andeutungsweise.

Man stelle sich einfach nur mal vor, Frankreich würde Truppen ins Saarland schicken und dort ein Referendum darüber abhalten, ob die Saarländer nicht lieber zu Frankreich gehören wollen. Es gibt nicht wenige Leute, die sagen:
„Das wär´ eine feine Sache.“ Einerseits.

Andererseits gibt’s ja noch die Lage in der Ostukraine. Was ist da eigentlich los?

 

 

Also: Die EU hatte mit der Ukraine ein Assoziierungsabkommen ausgehandelt.
Und dann, kurz vor der Unterzeichnung dieses Abkommens hat der ukrainische Präsident Janukowytsch auf Druck aus Moskau einen Rückzieher gemacht, und gesagt, er könne das nicht unterzeichnen. Weil er im Zeichnen im Kunstunterricht in der Schule immer ganz schlechte Noten bekommen hat.

Und darauf wurde dann der immerhin demokratisch gewählte Präsident Janukowytsch in Kiew durch nicht ganz so demokratische Vorgänge aus dem Amt gejagt. Wie kann man das erklären?

Also stell dir mal vor, in Deutschland hätte es Proteste vor'm Reichstagsgebäude gegeben mit dem Versuch, das Parlament zu stürmen. Klar, in Deutschland unvorstellbar.

Und dann stell dir vor, es würde von der Regierungsseite auf diese Demonstranten geschossen, und zwar mit scharfer Munition, und am Ende liegen etliche Leute tot in den Straßen. Die einen sagen, Janukowytsch hat auf friedliche Demonstranten schießen lassen. Die anderen sagen, die Demonstranten waren nicht alle friedlich, und wer geschossen hat, ist auch nicht zu 100 % geklärt.
Übrigens bis heute nicht.

Denn es gab damals Informationen, die besagten, dass nicht nur aus einer Richtung geschossen worden sein soll, sondern auch aus Reihen der Demonstranten. Und es ging sogar das Gerücht um, dass Regierungsgegner auf Regierungsgegner schießen ließen, um Märtyrer zu schaffen. Also man kann sagen, dass ziemlich viele Leute damals anscheinend den Schuss nicht gehört haben.

Und dann stell´ dir mal vor, nachdem die Unruhen abgeflaut waren, soll es im Parlament zu einer Art Misstrauensvotum kommen. Die Abgeordneten sollen abstimmen, ob sie die Regierung im Amt lassen oder absetzen wollen. Helmut Kohl und Helmut Schmidt sitzen auf der Wolke und singen: „Das kommt mir soo bekannt vor.“

Und jetzt stell dir vor, die Gegner der Regierung umstellen das Parlamentsgebäude und drohen allen, die für die Regierung stimmen wollen, den Schädel einzuschlagen. Tolle Idee. Muss man erst mal draufkommen. Wer für den Präsidenten stimmen will, den bringen wir um.

Und jetzt ratet doch mal, wie viele Abgeordnete, die für den Präsidenten stimmen wollten, sich darauf getraut haben, das Gebäude zu betreten? Hmmmm…

Und dann ratet doch mal, wenn im Sitzungssaal nur Gegner der Regierung sitzen, mit wie viel Prozent die Regierung abgewählt wurde. Hmmmm…
Wie sagte schon Humphrey Bogart:
Der Beginn einer wunderbaren Demokratie.

Und dann stell dir vor, nachdem der Präsident vertrieben war, kam eine neue Regierung an die Macht, die von niemandem gewählt wurde, und in dieser Regierung sitzen einige dieser gewalttätigen Regierungsgegner, die anderen Leuten den Schädel einschlagen wollen plötzlich auf einigen Ministerposten, und entpuppten sich als Ultra Nationalisten, Swoboda, rechter Sektor.
Rassisten, Antisemiten, Faschisten.
Also stell dir vor, Björn Höcke, Götz Kubitschek, oder noch sympathischer: Attila Hildmann hätten bei uns plötzlich das Sagen. Ja, da wird einem doch ganz wohlig ums Herz, oder? Aber nicht vergessen: Die Russen sind die Bösen!

Und jetzt stell´ dir folgendes vor: Da sitzen also rechtsradikale Nazis in der Regierung, die niemand da hingewählt hat, und das erste, was die beschließen, kaum im Amt, und nichts Wichtigeres zu tun, als allererste Maßnahme zu beschließen, die Sprache „Russisch“ in der ganzen Ukraine ab sofort zu verbieten. Noch so ´ne tolle Idee.

Was die anscheinend gar nicht wussten: In der Ukraine sprechen sehr viele Menschen russisch, vor allem im Osten des Landes. Na sowas aber auch. Und die hören von einer nicht gewählten, mit Extremisten durchsetzten Regierung, dass ihre Sprache ab sofort verboten ist. Stell´ dir mal vor, eine nicht gewählte Bundesregierung in Berlin beschließt, dass schwäbisch zu sprechen ab sofort verboten ist. Gibt nicht wenige, die sagen:
„Das …sollte man auch mit sächsisch machen.“

Und jetzt kommt die entscheidende Frage: Wenn Leute hören, dass ihre Sprache ab sofort verboten ist, wie sollen die sich in dem Moment fühlen?

1.) bedroht?
2.) beschissen?
3.) oder bedroht und beschissen?
Kleiner Tipp: Jede Antwort ist ein Volltreffer.

 

 

Da fragt man sich, warum man in der Ukraine eigentlich solche Vorbehalte mit der russischen Sprache hat. Also, wenn man die Vorgeschichte ausblendet.
Wenn man die Vorgeschichte einblendet, erfährt man, dass Väterchen Stalin damals auch eine richtig tolle Idee hatte, nämlich die Ukraine zu russifizieren. Also ein kleines bisschen Kolonialismus, wie man das damals halt so machte. Und alle Ukrainerinnen und Ukrainer, die sich geweigert haben, die wurden dann …
Moment, wie nennt man das noch? Ach ja… massakriert.
Fünf Millionen Tote.
Ein kleines bisschen Genozid, wie man das damals halt so machte.
Wäre Wladimir Putin heute ukrainischer Außenminister, er würde sagen: „Es ist schwer, russisches Hegemonialstreben nicht als Bedrohung zu verstehen.“

Und dieses Sprachverbot könnte eventuell der entscheidende Knackpunkt in der gesamten Entwicklung der Ostukraine gewesen sein. Dieses Sprachverbot wurde zwar von der nächsten Regierung dann wieder gestoppt, aber da war der Geist bereits aus der Flasche. Und die hatte Hochprozentiges und leicht Entflammbares enthalten. Also Wodka, nur ohne Korn.
Und für Putin ein willkommener Anlass, die Gläser zu erheben.

Und dann kommt noch hinzu, dass kurz nach diesem Sprachverbot in der südukrainischen Hafenstadt Odessa vier Dutzend prorussische Sympathisanten von einem proukrainischen Mob in einem Gewerkschafshaus bei lebendigem Leib verbrannt worden sind.
Und ab da war es natürlich komplett unnachvollziehbar,
warum die einen Ostukrainer darauf die Waffen,
und die anderen Ostukrainer die Flucht ergriffen haben.
Und ergriffen war ab da auch der Westen.

Denn aus welcher Richtung kamen die Waffen für diese Ostukrainer?
Für die prorussischen Ostukrainer aus Russland.
Für die proukrainischen Ostukrainer … die fielen vom Himmel…

Weswegen es auch ganz wichtig ist, jetzt einen Krieg dort zu verhindern. Wenn man halt ausblendet, dass dort seit acht Jahren bereits ein Krieg stattfindet. Warum sonst auch sollen so viele Ostukrainer seitdem die Flucht ergriffen haben?
Klar. Wegen dieser harmonischen Stille in der friedlichen Nachbarschaft.

Und noch eine Frage stellt sich da, nämlich: In welche Richtung eigentlich sind die Ostukrainer geflohen? Ich würde ja dorthin fliehen, wo ich mich sicher fühle. Und da schau mal einer an, ca. 700.000 Ostukrainer sind wohl nach Russland geflohen. Ins Reich des Bösen. Also spätestens da muss man aber jetzt schon mal fragen, ob diese Flüchtlinge eigentlich keine deutschen Nachrichten verfolgen. Wissen die denn nicht, dass wir die Guten sind?

Und um mal einordnen zu können, wie gut wir die Guten sind, hier noch eine Aussage eines richtig Guten, des Bürgermeisters von Kiew, ein gewisser Vitali Klitschko. Mit seinem Bruder Wladimir in Deutschland auch bekannt als die linke und die rechte Faust der Milchschnitte.
Bürgermeister Vitali Klitschko sagte damals den Satz (Zitat): „Menschenrechte finde ich immer gut. Aber für Lesben- und Schwulenrechte werde ich mich nicht einsetzen.“

Und dieser Mann sagt jetzt. „Wir Ukrainer sind nur die ersten. Danach kommen Lettland, Estland und Litauen dran.“ Aber wie gesagt, Propaganda machen immer nur die anderen.

Der Rest ist Geostrategie. Und eine Gasleitung nach Deutschland.

Und am Ende leiden wieder die einfachen Menschen. Vor allem die einfachen Menschen, die zufälligerweise in der Ukraine geboren wurden, und seitdem dort versuchen, einfach nur ihr Leben zu leben. Tja. Womit habt Ihr das verdient?

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