Wer soll büßen, wer soll gejagt werden?

Wen der US-Präsident, dessen Umfragewerte sich im Sinkflug befinden, “jagen“ und „büßen“ zu lassen gedenkt, wurde aber nicht klar. Auffällig war auf jeden Fall, dass Biden trotz derartiger Aussagen gleichzeitig darum bemüht war nicht die Taliban für den verheerenden Anschlag von Kabul verantwortlich zu machen.

Zu dem Blutbad am Flughafen von Kabul bekannte sich ein Ableger der Terrormiliz Islamischer Staat (IS). In dem IS-Propaganda-Instrumentarium Amak war zu lesen, ein Attentäter des regionalen IS-Ablegers Provinz Khorasan (ISKP) habe alle Sicherheitsabsperrungen überwunden und sich US-Soldaten auf „nicht mehr als fünf Meter“ nähern können. Er habe dann seine Sprengstoffweste detonieren lassen.

Noch ist unklar, wie viele Menschen dem Terror zum Opfer fielen. Zunächst war von 72 toten Zivilisten und 28 Taliban-Angehörigen die Rede. Klar ist aber, nach jetzigem Stand, dass etwa 13 US-Militärangehörige starben, viele weitere wurden verletzt.

Der Islamische Staat in Afghanistan

Gegründet wurde der „Islamische Staat – Provinz Khorasan“ (ISKP oder ISIS-K) von aus Pakistan stammenden militanten Islamisten, die den pakistanischen Taliban angehörten. Damals kehrten Dutzende IS-Kämpfer aus Syrien und dem Irak zurück, welche sich zunehmend an der Strategie und der Programmatik der Taliban störten, die sukzessive ideologisch einen nationalstaatlichen Ansatz für Afghanistan propagierten, während der IS durch Terror ein weltweites Kalifat zu schaffen gedenkt.

Gemeint ist damit ein "Islamischer Staat", wie er ja kurzzeitig auf dem Territorium des Iraks und Syriens errichtet wurde, eine radikal-sunnitisch-salafistische Albtraum-Diktatur, die damals schließlich unter den militärischen Schlägen Russlands, Irans und des Westens zerschlagen wurde. Der Verfasser dieses Beitrages bereiste vor knapp drei Jahren selbst einige der Regionen, die einst unter der Terror-Herrschaft des IS-im Nord-Irak standen und berichtete über seine Eindrücke vor Ort: Ramon Schacks Reise nach Irakisch-Kurdistan & in die umstrittenen Gebiete des Nord-Irak

IS bekämpft die Taliban

Der IS reagierte auch feindselig auf das im Februar 2020 geschlossene Abkommen der Taliban mit den USA, in dem Washington einen vollständigen Truppenabzug aus Afghanistan zusicherte. Die Taliban wurden damit als Verräter am Dschihad gebrandmarkt. Nach dem Einmarsch der Taliban in Kabul sendete der IS daher auch keine Glückwünsche, sondern drohte den Dschihad weiter fortzusetzen.

In den vergangenen Jahren wurden aber nicht nur Taliban und afghanische Regierungssoldaten Opfer des IS. Der Terror richtete sich vor allem gegen die afghanischen Schiiten, als religiöse Minderheit, dabei insbesondere gegen die Hazara, eine mongolisch-schiitische Ethnie. Anfang Mai wurden bei dem Dreifachanschlag auf eine Mädchenschule in Kabul mehr als 90 Menschen getötet. Wie in anderen Fällen auch gehörten die Opfer der schiitischen Volksgruppe der Hazara an.

Emran Feroz verfasste schon vor fünf Jahren diesen Artikel: IS in Afghanistan: Warum greift der IS in Afghanistan die Hazara an?

Die unübersichtliche Entwicklung in Afghanistan ist eine direkte Folge der gescheiterten westlichen Intervention, welche in der österreichischen Tageszeitung der Standard brillant analysiert wurde: Warum die USA und ihre Verbündeten in Afghanistan gescheitert sind

„Was bedeutet das konkret für mich!?"   

Im Westen nähert sich die Einsicht, dass der Weg der Volksrepublik China so falsch nicht sein kann, nämlich mit den Taliban ins Gespräch zu kommen. Sogar Bundeskanzlerin Merkel, die am Ende ihrer 16-jährigen Kanzlerschaft vor den Trümmern ihrer außenpolitischen Doktrin steht, hält dieses für möglich.

Über die Irrungen und Wirrungen der bundesdeutschen Außenpolitik mit Blick auf Afghanistan, führte der Verfasser dieses Beitrages kürzlich im Büro des Bundestagsabgeordneten für die Linke, Dr. Alexander Neu ein Gespräch.

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