Von Friedhelm Klinkhammer und Volker Bräutigam
Welch ein erbärmlich verkümmertes Geschichtsbewusstsein, welch ein schauerliches, missgeleitetes Gedenkritual: Mit großem Pomp und Trara, mit Kranzniederlegung, Flaggengruß, den Melodien und Trommelwirbeln des Heeres-Musikkorps und, zum krönenden Abschluss, mit der Vereidigung von 400 Bundeswehr-Rekruten zelebrierte die Bundesregierung im Hof des Berliner Bendler-Blocks ihren Staatsakt zum Gedenken an die Attentäter des 20. Juli. An Offiziere um Graf Stauffenberg, die hier 1944 erschossen wurden. Verquaster Text in miesem Deutsch auf tagesschau.de:
Der Anschlag auf Hitler vor 74 Jahren ist gescheitert, die Attentäter erschossen. Heute wurde ihrer gedacht - auch mit Blick auf Europa und die Gefahr, die von Populisten ausgeht. (1)
Und in der Hauptausgabe der Tagesschau um 20 Uhr hieß es unreflektiert und unter Nichtbeachtung der regierungspolitischen, bellizistischen und russlandfeindlichen Realität:
Außenminister Maas mahnte in seiner Rede Zivilcourage gegen Rechtspopulisten an. Heute gelte es, ihnen laut und deutlich zu widersprechen. (2)
ARD-aktuell lieferte Berichte in Serie über diese Veranstaltung und Beiträge, die an das Attentat vom 20. Juli 1944 erinnerten. Neue Variante im Staatsgedenken: Parteipolitisch motivierte Seitenhiebe auf „Rechtspopulisten“. Diese Töne brachten Tagesschau & Co. vollkommen ungefiltert unter die Leute.
Heuchelndes Gerede und schmierige Behauptungen
Die Nachrichtensendungen transportierten das heuchelnde Gerede des Außenministers Maas (und wahrten selbst dessen engen Gedankenrahmen): "Sich einmischen, mit Rechtspopulisten diskutieren und gegen ihre Untergangsszenarien Fakten setzen: Da fange Zivilcourage bereits an". Und da dem Minister dieser Appell offensichtlich nicht reichte, hatte er zu guter Letzt noch einen Hinweis auf die bösen chinesischen Menschenrechtsfeinde nachgeschoben: "Die (deutsche) Fahne steht heute für Menschlichkeit". Ein chinesischer „Menschenrechtsaktivist“ habe ihm das vor kurzem erst so gesagt.
Schmierige Behauptungen, eingerahmt in militärischen Pomp und in Anwesenheit der dafür zuständigen „Verteidungs“ministerin v.d. Leyen: Perfider lässt sich mit öffentlichem Gedenken Geschichte nicht verzerren. Fügsam jedoch titelte Chefredakteur Dr. Gniffkes Tagesschau: "Widerständler als Vorbild gegen Populisten". Haben er und seine Leute auch nur eine Sekunde lang bedacht, wie dumm und geschichtsklitternd diese Bemerkung ist? Haben sie nicht erkannt, welche Ungeheuerlichkeit in dem parteipolitisch motivierten Versuch liegt, den „Rechtspopulismus“ von heute mit dem Nazismus des Dritten Reichs in Verbindung zu bringen?
Populisten sind und waren nicht der Urquell des Faschismus. Der Unmut vieler Menschen über mangelnde Rechtsstaatlichkeit, soziale Ungerechtigkeit, die Kluft zwischen monströsem Reichtum und bitterer Armut sowie mangelhafte Daseinsfürsorge führen zur Stimmabgabe für rechte Parteien, nicht eine präfaschistische Grundhaltung der Wähler. Populisten, also den anderen Parteien nicht genehme Wähler, sind seit jeher unwissende Claqueure; wahre "Macher" des Faschismus waren hingegen die Konzerne und die Medien.
Maas nutzt das "Event" im Bendlerblock zu einer Sympathiewerbung
Kanzlerin Merkel und ihre Gefolgschaft missbrauchen und instrumentalisieren das Gedenken an die Widerständler vom 20. Juli für aktuelle eigene Interessen. Zum Stimmenfang für die herrschenden Parteien, zum Aufpolieren des Ansehens der Bundeswehr, zur Kritik an geoökonomischen Konkurrenten wie der VR China.
Zugleich diente die martialische Zeremonie der Vereidigung von 400 Rekruten als ideell-visuelle Spitze gegen die traditionell friedensorientierte Haltung der deutschen Bevölkerung. Nicht von ungefähr nutzte Außenminister Maas das „Event“ im Bendlerblock zu einer Sympathiewerbung für ein Deutschland mit „mehr Verantwortung in der Welt“, ein üblicher Euphemismus für Kriegseinsätze im Ausland.
Es geht bei dem Pomp um den Gedenktag 20. Juli nur oberflächlich und formal um die Würdigung von Widerstandskämpfern. Die Feierlichkeiten sind vielmehr in den Dienst aktueller Propaganda-Interessen gestellt. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk bietet dafür ein unkritisches und distanzloses Forum und sorgt für die entsprechende Verbreitung.
Ausgewählte Trauer
Auch die Widerständler des 20. Juli 1944 haben Respekt verdient, allein schon deswegen, weil sie ihren Mut mit dem Leben bezahlten. Sie aber als "Vorbild gegen Populisten" zu glorifizieren, demonstriert unsägliche Ignoranz.
„Es gab unter den Verschwörern des 20. Juli auch Judenfeinde und Polenhasser. ... Die meisten Angehörigen des Widerstands standen auch in der preußisch-wilhelminischen Tradition der Verachtung gegenüber Polen und anderen slawischen Völkern. (3)
Betrachtet man die deutschen Gedenkrituale aus der Distanz, so fallen Absonderlichkeiten auf, aus denen auch wieder nur faschistischer Geist weht: Selbst bei den Opfern des Naziterrors wird noch säuberlich unterschieden. War nicht jeder Widerstand gegen Hitler ehrenwert, verdient nicht jeder Widerständler die gleiche Achtung? Den demokratiefernen erschossenen Wehrmachtoffizieren ist staatliches Feiern gewidmet. Einem schrecklich gefolterten und schließlich umgebrachten Schreinergesellen Johann Georg Elser nicht.
Den Millionen ermordeter Juden ist nach langem bitteren Streit ein Denkmal gewidmet, noch anderthalb Jahrzehnte länger dauerte es, bis endlich auch die Sinti und Roma eine Stätte erhielten, die an ihre massenhafte Ermordung erinnert. Für den nach der KZ-Haft im Emsländer Moor gestorbenen Carl v. Ossietzky gibt es keinen Staatsakt, für den ermordeten Ernst Thälmann und seine 200 000 zu Tode gequälten Kommunisten gibt es nichts, gar nichts; die Wehrmachtsdeserteure und ungezählten Opfer von „Standgerichten“ haben keine Denkmäler bekommen, von staatlicher Gedenkstunde ganz zu schweigen.
Gab es jemals ein schamvolles regierungsoffizielles Gedenken an die 250 000 gefangenen Sowjetsoldaten, die die Wehrmacht in abgesperrten Arealen unter freiem Himmel grausam verdursten und verhungern ließ? Wer legte nach 1990 jemals im staatlichen Auftrag Blumen am Ehrenmal der Sowjetsoldaten in Berlin-Treptow nieder? Die Tagesschau meldete jedenfalls nichts dergleichen...
Einseitigkeit des staatlichen, militaristischen Gedenkrituals
Kein Wort von all dem bei ARD-aktuell. Die verkürzt und verzerrt, während nur ihre Zuschauer die richtigen Fragen stellen:
"Die einseitige Würdigung des Widerstandes des 20.Juli könnte und sollte endlich mal sehr nachdenklich machen. Diese Männer hatten als Wehrmachtsangehörige Eide auf Hitler geschworen und diese viele Jahre lang auch befolgt. ... Aber wieso wussten Tucholsky, Ossietzky, B. Brecht und viele andere zehn Jahre früher, wer Hitler und seine Kumpane waren und was mit denen in die Welt kommen würde? Und wo wird offiziell von der Bundesregierung und von der Gesellschaft z.B. der Roten Kapelle gedacht? Also v.Harnack, Schulze-Boysen, Charlotte Bischoff, Anna Seghers usw? ...Diese Feiern zum 20. Juli haben zweifellos ihre Berechtigung, aber das ist allenfalls die halbe Wahrheit. Und das Ausblenden von Wahrheiten hatte schon öfter üble Folgen..." (Zuschrift Gerhardxxx, 20.7.18, 18:18 h)
Die von dem Zuschauer monierte „Einseitigkeit“ des staatlichen, militaristischen Gedenkrituals hat eine Tradition. So, wie an der Wiege der Bundeswehr Nazi-Offiziere standen; wie Nazis die Neugründung deutscher Geheimdienste organisierten; Nazis Minister (Globke, Oberländer) und sogar Bundeskanzler (K.G. Kiesinger) werden konnten und nie ein Nazi-Richter für seine Schandurteile vor Gericht kam.
Das Gedenken am 20. Juli hätte ein würdiges Format, wenn es unter den „Schwur von Buchenwald“ (5) gestellt würde, wenn dessen kurzer Wortlaut Jahr für Jahr verlesen würde. „Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg!“
Quellen:
- https://www.tagesschau.de/inland/hitler-attentat-103.html
- https://www.tagesschau.de/multimedia/sendung/ts-26645.html
- https://www.welt.de/kultur/history/article108835183/Obwohl-Antisemiten-kaempften-sie-gegen-Hitler.html
- https://meta.tagesschau.de/id/136351/gedenkfeier-20-juli-1944-da-faengt-zivilcourage-an
- https://www.buchenwald.de/fileadmin/buchenwald/download/der_ort/Buchenwaldschwur.pdf
Das Autoren-Team:
Friedhelm Klinkhammer, Jahrgang 1944, Jurist. 1975 bis 2008 Mitarbeiter des NDR, zeitweise Vorsitzender des NDR-Gesamtpersonalrats und des ver.di-Betriebsverbandes sowie Referent einer Funkhausdirektorin.
Volker Bräutigam, Jahrgang 1941, Redakteur. 1975 bis 1996 im NDR, zunächst in der Tagesschau, von 1985 an in der Kulturredaktion für N3. Danach Lehr- und Forschungsauftrag an der Fu-Jen-Uni in Taipeh.
Anmerkung der Autoren:
Unsere Beiträge stehen zur freien Verfügung. Wir schreiben nicht für Honorar, sondern gegen die „mediale Massenverblödung“ (in memoriam Peter Scholl-Latour). Die Texte werden zumeist auf der Seitehttps://publikumskonferenz.de/blog dokumentiert.
Kommentare
Man muss ihnen ja nicht mehr glauben, zum Glück gibt es andere Quellen um sich zu informieren.
Was den kleinen Herrn Maas antreibt oder unsere Kriegsministerin kann ich nur erahnen. Aber was den Bundespräsidenten bei der diesjährigen Preisverleihung (Westfälischer Frieden) an die Balten, die mit Hilfe der NATO eine irrsinnige Aufrüstung betreiben, geritten hat, kann ich beim besten Willen nicht nachvollziehen. Aber es passt ins Gesamtbild.
Wir bräuchten endlich Zivilvourage um dieses von Oben verordnete "Dauerschuldverhältns" über Generationen hinaus, zu beenden! Wir bräuchten endlich Zivilcourage eine ehrlichere "Geschichte" einzufordern! Wir bräuchten endlich Zivilcourage hinzuhören und hinzusehen was in diesem Land und in Europa abgeht!
Wir bräuchten endlich die Zivilcourage für unsere Rechte einzustehen.
Aber.............. Gehirnwäsche pur; sie hat funktioniert und wird den Untergang D`und seiner schon länger in diesem Land Lebenden besiegeln.
Die anderen Opfer der Nazidiktatur hatten nunmal am 20. Juli nicht ihren Gedenktag, weil sie an dem Datum nicht hingerichtet wurden...
Dass Hitler und seine NSDAP Populisten waren, sollte außer Frage stehen...
Ob es heute wieder Populisten gibt, ist eine offene Frage...
Die Bemerkung zur "FAHNE":
"Die (deutsche) Fahne steht heute für Menschlichkeit". Ein chinesischer „Menschenrechtsaktivist“ habe ihm das vor kurzem erst so gesagt."....
stimmt so nicht ganz. Die deutsche Fahne auf dem Kopf gestellt, also nicht schwarz-rot-gold, sondern gold-rot-schwarz ist in China ein Protestsymbol... Aber es stimmt... es hat nur dummerweise rein gar nichts mit Deutschland zu tun...
Man kann sich über unsere MSM aufregen wie man will, aber aus jedem Beitrag eine Haarspalterei zu machen ist vor allem ein....
Es geht ja noch weiter.
Das aktuelle Regime hat die Agenda von Hitler mehrheitlich übernommen und einfach leicht modifiziert.
Es war damals Sozialismus in Deutschland und nun nach dem Krieg sie europaweit expandiert.
Die zwischenzeitliche Stärkung vom Deutschen Reich war nur eine Etappe im langfristigem Kampf gegen die weiße Rasse.
Sieht man von diesen damals nötigen Aspekten (inkl. Volkstum, Patriotismus, Anreize für Geburten von Einheimischen, etwas flexibleres und effizienteres Finanzierungsmodel des Reiches etc.) ab, ist es eine konsequente Weiterführung der Diktatur.
Von Zeit zu Zeit sollte man doch mal den Fernseher ein schaltem. Man muß wissen was die Masse denken soll. Mur selber glauben darf man den Unsinn natürlich nicht.
Johann Georg Elser versuchte schon viel früher, nicht nur Hitler sondern die gesamte faschistische Führung zu töten. Der Wiederstand galt nicht nur dem Krieg sondern dem Faschismus insgesamt. Hätte er Erfolg gehabt wäre Millionen von Menschen unbeschreibliches Leid erspart worden. die Welt wäre heute eine bessere. Trotzdem gibt es keine Strasse, keinen Platz keine Schule oder Gedenktag mit seinem Namen. Das es ihn überhaupt gab erfährt man nur zufällig.