Polen als Standort für NATO-Atombomben?

Georgette Mosbacher, die US-Botschafterin in Polen, eifert ihrem Präsidenten nach, indem sie ihre unausgewogenen politischen Gedankenspiele nicht als inneren Monolog abtut und besser für sich behält, frei nach Wilhelm Busch „Dumme Gedanken hat jeder, aber der Weise verschweigt sie“, sondern eben auf Twitter verbreitet, um sie damit in die Welt hinaus zu posaunen.

Ohne Absprache mit der Regierung ihres Gastlandes, empfahl Frau Mosbacher Polen als Standort US-amerikanischer Atomwaffen.

"Nuclear sharing"

Hintergrund für dieses Gefasel ist die kürzlich in der Bundesrepublik angestoßene Debatte über den Verbleib der in Büchel in der Eifel gelagerten US-Nuklear Systeme. Diese innenpolitische Kontroverse, die Zuge der omnipräsenten Corona-Berichterstattung schnell verpuffte, wurde schon von dem US-Botschafter in Berlin, Richard Grenell gemaßregelt, der wie gewöhnlich wie ein Statthalter auftrat, nicht aber wie ein Diplomat eines befreundeten Landes.

Grenell versuchte eine Drohkulisse aufzubauen, indem er darauf hinwies, dass die nukleare Abschreckung Kern der NATO-Strategie sei, womit er zweifelsohne Recht hat, ohne dieses Dogma zu reflektieren. Im Nato-Jargon nennt man dies „nuclear sharing", also "nukleare Teilhabe", was beinhaltet, dass die „Gastgebernation“ ein Recht darauf hat, über den Einsatz solcher Waffen angehört zu werden. Ob es dazu kommen würde, wenn es zu einem nuklearen Einsatz käme - was wir alle uns nicht vorstellen möchten - bleibt fraglich, wenn man die bisherige Vorgehensweise in solchen Fällen zugrunde legt.

Die NATO-Russland-Charta von 1997

Das wird auch dadurch untermalt, dass die US-Botschafterin in Warschau bei ihrem Vorschlag, die in Deutschland gelagerten Massenvernichtungswaffen um eine Flugstunde nach Osten zu verlegen - was aus militärstrategischer Sicht sowieso keinen Sinn macht - sich anscheinend nicht an die NATO-Russland Charta von 1997 gebunden fühlt.

Gemäß dieser Charta wurde Russland von Seiten der NATO 1997 zugesagt, dass die NATO in ihren „neuen“ Mitgliedstaaten keine Nuklearwaffen unterbringen werde. Dabei ging es um die Mittel- und Osteuropäischen Staaten, also neben Polen, Ungarn, Tschechien, um die Slowakei, Slowenien und die baltischen Staaten, die inzwischen dem Nordatlantischen Verteidigungsbündnis beigetreten sind.

Wörtlich heißt es in diesem Vertragswerk:

Die Mitgliedstaaten der NATO wiederholen, dass sie nicht die Absicht, keine Pläne und auch keinen Anlass haben, nukleare Waffen im Hoheitsgebiet neuer Mitglieder zu stationieren, noch die Notwendigkeit sehen, das Nukleardispositiv oder die Nuklearpolitik der NATO in irgendeinem Punkt zu verändern - und dazu auch in Zukunft keinerlei Notwendigkeit sehen. Dies schließt die Tatsache ein, dass die NATO entschieden hat, sie habe nicht die Absicht, keine Pläne und auch keinen Anlass, nukleare Waffenlager im Hoheitsgebiet dieser Mitgliedstaaten einzurichten, sei es durch den Bau neuer oder die Anpassung bestehender Nuklearlagerstätten. Als nukleare Waffenlager gelten Einrichtungen, die eigens für die Stationierung von Nuklearwaffen vorgesehen sind; sie umfassen alle Typen gehärteter ober- oder unterirdischer Einrichtungen (Lagerbunker oder -gewölbe), die für die Lagerung von Nuklearwaffen bestimmt sind."

In Warschau forciert die nationalklerikale Regierung, die sich teilweise amerikanischer gebärt als die Amerikaner selbst, schon seit einiger Zeit eine Aufhebung der Charta, worauf man in Washington bisher zurückhaltend reagiert, sich diese Option aber offenhält.

Eine geographische Verlagerung des US/NATO-Nuklear Arsenals näher an die russische Grenze, entspricht aber dem seit Langem zu beobachtenden Ost-Ritt der NATO. Diese Stoßrichtung wird auch in der sich weiter vertiefenden Konfrontation sichtbar, welche gegen Moskau im Gange ist - und in der Zwischenzeit auch gegen Peking aufgebaut wird.

"Was bedeutet das konkret für mich!?"

Die US-Militärführung hat bekanntgegeben, dass das aufgrund der Corona-Pandemie unterbrochene Großmanöver Defender Europe 20 fortgesetzt werden soll.

Dieses soll trotz der Covid-19-Pandemie stattfinden, was die Dringlichkeit zum Ausdruck bringt, mit welcher die NATO-Strategen diese militärische Übung betrachten. Natürlich wird auch die Bundeswehr partizipieren und die Bundesrepublik Aufmarschgebiet sein. Im NATO-Sprachgebrauch nennt man das Host Nation Support, was so viel wie die Bereitstellung von Logistik, Infrastruktur und technischer Hilfe beinhaltet.

In Moskau hat man hingegen den Vorschlag unterbreitet, Manöver auf beiden Seiten der Bündnisgrenze zu reduzieren oder abzusagen. Anfang Mai ließ der russische Außenminister Lawrow verlautbaren, dass während der Corona-Krise keine Armeeübungen stattfinden werden. Dieses wurde auch der NATO mitgeteilt, was aber unbeantwortet blieb...

Jeder Prozentpunkt, den die USA beim Bruttoinlandsprodukt verlieren, wird zu noch mehr Hetze gegen China führen. Eine im Innern zerrissene Weltmacht, im Abstieg begriffen, nun auch noch furchtbar von der Krise erschüttert, weiter zurückfallend: Frieden verheißt das nicht.

schrieb dazu kürzlich Jörg Kronauer in der Jungen Welt.

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